Kioske dürfen das Gas frei verkaufen. Mediziner warnen vor Bewusstlosigkeit und Lähmungserscheinungen durch intensiven Konsum.
Verkaufsverbot geplantWarum die Partydroge Lachgas für Köln ein großes Problem ist
Auf dem Hohenzollernring ist es ein längst gewohntes Bild, so auch am vergangenen Samstag, 23 Uhr am Rudolfplatz: Junge Männer mit Gaskartuschen und bunten Luftballons in der Hand schlendern fast im Minutentakt vorbei. Auffällig gut gelaunt, albern, laut. Sie inhalieren die Luft aus den Ballons, die anschließend mit den leeren Kartuschen auf dem Boden landen.
Gefüllt sind die Behältnisse mit Lachgas, das sich in den vergangenen Jahren europaweit zur Partydroge entwickelt hat. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnt vor schweren Folgen des Konsums, vor allem von intensivem und Langzeitkonsum. Sie reichten von Bewusstlosigkeit (durch Verdrängung des Sauerstoffs in der Lunge) über Lähmungserscheinungen bis zu im schlimmsten Fall bleibenden Hirnschäden.
Pläne für bundesweites Verkaufsverbot liegen vorerst auf Eis
Auch in Köln haben Verkauf und Konsum von Lachgas nach Angaben der Stadtverwaltung zugenommen. Konkrete Zahlen gibt es nicht. In Kiosks wird es in knallig-bunten Flaschen und verschiedenen Geschmacksrichtungen angeboten – zu erschwinglichen Preisen und völlig legal. Zweieinhalb Liter flüssiges Gas kostet rund 75 Euro – im Internet oft weniger – und reicht für etwa 300 Konsumeinheiten. Manche Kioskbetreiber in der Innenstadt werben offensiv mit Aufstellern vor ihren Geschäften.
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Mediziner und Politiker sind längst alarmiert, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wollte ein bundesweites Verkaufs- und Weitergabeverbot an Minderjährige umsetzen, doch nach dem Bruch der Ampelkoalition wird daraus vorerst nichts. Jetzt prüft die Stadt Köln, ein solches Verbot wenigstens auf kommunaler Ebene umzusetzen. Derzeit würden die rechtlichen Möglichkeiten geprüft, teilte eine Stadtsprecherin mit. In Hamburg und Osnabrück zum Beispiel gibt es ein Verbot bereits. Bei Verstößen droht dort ein Bußgeld bis 5000 Euro. Manchen geht das nicht weit genug, sie fordern ein generelles Verkaufsverbot, auch an Erwachsene.
Ulrich Frischknecht, Professor für Sucht und Persönlichkeitspsychologie an der Katholischen Hochschule NRW in Köln, begrüßt das Verbot der Abgabe an Minderjährige. „Es ist gut, nicht die Konsumierenden zu bestrafen, sondern die Abgebenden, also die Kiosk-Händler, die damit Gewinne machen.“ Doch das reiche nicht: „Wenn Lachgas im Kiosk weiter verfügbar ist, ist es gar nicht möglich, die Abgabe im Einzelfall zu kontrollieren.“
Für Jugendliche kann Lachgas zur Einstiegsdroge werden
Wie stark die Partydroge in Köln verbreitet ist, weiß Ralf Wischnewski von der Drogenhilfe Köln aus zahlreichen Gesprächen mit Jugendlichen, Schülern und Schülerinnen ab 14 Jahren. Die kämen zwar in der Regel nicht wegen Lachgas, sondern wegen Problemen mit anderen Drogen in die Beratungsstelle. Aber häufig stelle sich dann heraus, dass sie auch mit Lachgas Erfahrung haben, entweder im Einzelkonsum oder im Mischkonsum mit Alkohol, Cannabis oder anderen Partydrogen, berichtet Wischnewski. „Lachgas ist für viele interessant, weil es im subjektiven Empfinden einen kurzen, kontrollierbaren Rausch verursacht. Da trauen sich manche eher ran als an Substanzen, deren Wirkung über mehrere Stunden andauert.“
„Lachgas flutet schnell an“, erklärt der Kölner Neurologe Volker Limmroth vom Krankenhaus Merheim. „Manche berichten von einem Kick, manche verlieren auch kurz das Bewusstsein. Aber alles fühlt sich plötzlich leicht an und schwerelos. Man kriegt eine schnelle Distanz vom Leben, manche Konsumenten werden albern. Aber das Gefühl flaut auch schnell wieder ab, nach zehn bis 20 Minuten – je nachdem, wie viel man genommen hat.“
Auch den Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) macht die Partydroge zu schaffen. Die Gaskartuschen sind oft nicht vollständig entleert und explodieren in der Müllverbrennungsanlage. „So eine Lachgasflasche schießt dann einfach durch die Anlage und kann Schäden verursachen. Wir nehmen deutlich mehr dieser Störfälle wahr“, sagte AWB-Chef Thomas Thalau vor wenigen Wochen in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Vom Hörensagen weiß Drogenberater Wischnewski von „Lachgas-Taxis“ und Kofferraumverkäufern, die das Gas auf Bestellung nach Hause liefern oder an Hotspots in der Stadt verkaufen. Einer dieser Hotspots ist die Alfred-Schütte-Allee in Poll, hier trifft sich die Autoposer-Szene. So mancher Unfall könnte zumindest den Verdacht nahelegen, dass der Fahrer unter Lachgas-Einfluss gestanden haben könnte, findet die Polizei doch häufig leere oder halbleere Gaskartuschen in Fahrzeugen. Beweisen ließ sich das in Köln aber bislang in keinem Fall. Das Gas verflüchtigt sich im Blut sehr schnell und ist auch in der Atemluft nicht nachweisbar.
Die Drogenhilfe Köln hat eine Unterrichtseinheit für Lehrerinnen und Lehrer zum Thema Lachgas entwickelt und informiert darüber in einer Schulung, am 17. Februar, 14 bis 17 Uhr in der Fachstelle für Suchtprävention, Hans-Böckler-Str. 5, in Hürth. Anmeldung und weitere Infos im Internet.