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„Die Jungen trinken weniger“Clubs klagen über wirtschaftliche Not – Stirbt das Kölner Nachtleben?

Lesezeit 4 Minuten
DJ am Pult, im Yuca Club

Die Kölner Clubszene leidet wie die Betreiber im übrigen Land unter der wirtschaftlichen Situation. Sie geben aber dennoch die Hoffnung auf Besserung nicht auf. (Archivfoto)

In Berlin schließen 2025 berühmte Techno-Clubs wie das Watergate. Wie ist die Lage in Köln? Wir haben mit Betreibern gesprochen.

Rolf Kistenich vom Blue Shell ist krisenerprobt. Rauchverbot, Kioskbier, Corona: In den vergangenen Jahrzehnten hat der alteingesessene Club-Chef schon so manche Hürde gemeistert. Und auch jetzt, da das Partygeschäft strauchelt, mischt sich noch Zuversicht in seine Klage. „Die Kurve zeigt wieder nach oben. Wir sind seit 45 Jahren da, die 50 schaffen wir auch noch“, sagt Kistenich, der einen 20-prozentigen Umsatzverlust im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten verzeichne. „Die jungen Leute haben sich während der Pandemie vielleicht auf Spieleabende eingerichtet und sind es nicht mehr so gewöhnt, vor die Tür zu gehen. Wir haben früher quasi in den Kneipen gewohnt.“

Wie andere Branchen stehen auch Clubs und Live-Musik-Stätten wirtschaftlich unter erheblichem Druck. Im Nachtleben-Mekka Berlin haben gleich zwei international bekannte Techno-Clubs wie die Wilde Renate und das Watergate ihre Schließung für 2025 bekannt gegeben. Die Gründe: allgemeine Kostensteigerungen, Inflation und das mäßig laufende Geschäft nach der Covid-Pandemie. Und wie steht es um die Kölner Clubs? Zeichnet sich auch hier ein „Clubsterben“ ab?

Rolf Kistenich im Blue Shell

Rolf Kistenich ist seit 1980 Gast im Blue Shell, 1986 legte er dort als DJ auf und 1994 wurde er Miteigentümer. (Archivfoto)

Kölner Nachtleben: Im Luxor funktionieren Partys nicht mehr

Beim Nachbarn Luxor will man zwar auch keine Untergangsszenarien malen, doch an manchen Tagen „fragt man sich, wie man das noch hinkriegen kann“, so Peter Debüser, der seit 1996 das Luxor betreibt. Hier haben schon Weltstars wie Muse und Lenny Kravitz gespielt. Das Live-Geschäft habe sich zwar erholt, doch der Partybetrieb am Wochenende nicht. „Ab und zu veranstalten wir noch die Disco-Theke, da kommt dann das Publikum ab 30 aufwärts.“ Doch mehr als alle zwei Monate könne man diese nicht anbieten, da „die älteren Semester auch kein zuverlässiges Partyvolk sind“.

Und die Jungen? „Die trinken weniger Alkohol, sind gesundheitsbewusster, Feiern ist keine Wochenendpflicht mehr, sondern eine Option“, so Debüser. Das Konzert-Booking hat das Luxor mittlerweile zu 80 Prozent an Agenturen ausgelagert. So müssen er und sein Geschäftspartner Richard Bölle immerhin nicht mehr das Veranstalterrisiko tragen.

Peter Debüser vom Luxor

Peter Debüser vom Luxor sieht auch kein Clubsterben: Doch der Partybetrieb im Luxor ist nach der Pandemie eingeschlafen. Die Konzerte laufen jedoch.

Dass es in Köln ein aktuelles, post-pandemisches Clubsterben gibt, sieht Mankel Brinkmann von der Kölner Klubkomm trotz angespannter Situation nicht. „Berlin hat einen ganz spezifischen Markt, der anders funktioniert als Köln. Über Jahre war Berlin die europäische Hauptstadt des Nachtlebens. Internationale Touristen kamen für die Clubs.“

Mankel Brinkmann und Gabriel Riquelme im Clubbahnhof Ehrenfeld.

Mankel Brinkmann (l.) ist Betreiber des Club Bahnhof Ehrenfeld und erster Vorsitzende der Klubkomm, des Verbands der Kölner Clubs und Veranstalter. (Archivfoto)

Kölner Nachtleben tickt anders als Berlin

Der Rückgang der Billigflüge etwa wirke sich direkt auf die Clubszene aus. „Eine Parallele ist jedoch: Für Clubs ist es nach Corona sehr kompliziert geworden. Die Branche hat während der zwei Jahre Schließungszeit Rücklagen aufgebraucht, man hat ohnehin nicht mit großen Gewinnmargen gearbeitet.“ Auch müsse man vorsichtig sein und die höheren Kosten nicht eins zu eins an das Publikum weitergeben. Ganz vermeiden lassen sich Preiserhöhungen aber nicht.

„Der Clubbesuch ist einfach teuer geworden. Gerade die jungen Leute, die Studis, haben durch den schwierigen Wohnungsmarkt in Köln hohe Lebenshaltungskosten. Sie gehen viel ausgesuchter in Clubs“, sagt Brinkmann.

Die Krise setze zudem kleinen Live-Musik-Stätten, die programmatisch arbeiten und den Nachwuchs fördern, besonders zu. „Es gibt eine Riesendiskussion, was in der Veranstaltungsbranche funktioniert. Während die großen Shows im Arenenbereich laufen, leiden die kleinen Clubshows, weil man sie sich möglicherweise nicht mehr leisten kann.“ Brinkmann sieht hier die Politik in der Pflicht. „Wir als Clubbetreiber müssen uns den Herausforderungen auch weiterhin kreativ stellen, auf der anderen Seite muss man aber auch die Politik fragen: Was ist mit Förderungen?“

Kölner Clubs haben nicht mehr so große Strahlkraft in NRW

Kürzliche Neuzugänge wie das Schrotty an der Vogelsanger Straße oder der Club Fi an der Widdersdorfer Straße seien zwar ein Grund zur Hoffnung, jedoch vielmehr „zarte Pflänzchen“, die die vielen Schließungen der vergangenen Jahre nicht wettmachen könnten. Das prominenteste Beispiel ist das 2017 abgerissene Underground auf dem Helios-Gelände, das einst eine Feiermeile war.

Tom Thomas vom Deutzer Club Bootshaus beklagt neben dem Gästerückgang und den hohen Kosten die in den vergangenen Jahren „exorbitant gestiegenen Künstlergagen“. DJs im elektronischen Musikbereich seien die „neuen Popstars“. Berühmte Acts wie die belgische Techno-DJ Amelie Lens können auch schonmal eine sechsstellige Gage verlangen, weiß Stefan Bohne vom Artheater in Ehrenfeld.

Er greift für seine jungen Gäste zwar aktuelle musikalische Trends wie Hard Trance auf, will aber nicht jeden kommerziellen Hype mitmachen. Er setze daher auf Vielfalt und Kleinteiligkeit im Programm, stärke lokale junge DJs.

Neue Clubdichte in Ehrenfeld

„Wir wollen ganz bewusst den Horizont öffnen und Alternativen anbieten. Wir können uns ja nicht nur über die jungen Leute beschweren, sondern müssen auf sie zugehen und sie erreichen“, so Bohne. Dass sich in Ehrenfeld eine neue Clubdichte gebildet hat, begrüßt er. Dennoch habe Köln im Vergleich zu früher innerhalb von NRW an Strahlkraft verloren. Städte wie Dortmund, Aachen und Wuppertal hätten nun eigene Clubs mit gutem Booking.

Für Jakob Holterhöfer vom Tsunami-Club in der Südstadt ist die Verlagerung des Partygeschehens nach Ehrenfeld hingegen mit ein Grund dafür, dass die Gäste in anderen Stadtteilen wegbleiben. Daher tut er sich mit dem Blue Shell und dem Luxor zusammen, um dort demnächst gemeinsame Partys auszurichten. „Die Leute nehmen die Konzertstätten abseits des Feierhotspots Ehrenfeld nicht mehr als Partylocations wahr. Wir haben hier ein Marketing-Problem.“