Ehemalige Dombaumeisterin erzähltAls die Familie Clinton den Kölner Dom besuchte
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Den Kölner Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale?
Regelmäßig haben wir für Sie eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
In dieser Folge geht es um den Besuch der Familie Clinton zum G8-Gipfel 1999.
Köln – Das weitaus größte Aufkommen an Polit-Prominenz im Dom verdanke ich dem Kölner G8-Gipfel von 1999. Er fiel in die Anfangsphase meiner Amtszeit. Zusammen mit dem jetzigen Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, war ich dazu abgestellt, den Großen dieser Welt unsere Kathedrale zu zeigen. Am Vortag des Treffens der Staats- und Regierungschefs trafen bereits die Außenminister zusammen. Für den Abend waren sie uns zu einem Besuch im Dom angekündigt.
Polit-Prominenz zu Gast im Kölner Dom
Der Franzose, der Kanadier und der Brite kamen, wie ich mich erinnere, zu Fuß aus ihren Hotels in der Umgebung, gingen zwischen den Leuten durch und standen dann eine Weile mit mir wartend am Hauptportal. Wer fehlte, war ihre Kollegin aus den USA. „Die fahren doch überhaupt erst los, wenn wir schon alle da sind.“
Tatsächlich tauchte nach einer Weile in der Gasse auf der Burgmauer eine schier endlose Wagenkolonne auf. 14 Karossen waren es, die die Straße herunter auf den Dom zu gefahren kamen. Der mittleren entstieg Madeleine Albright. Diplomatie und Höflichkeit gebieten es, die Lästereien der Herren hier nicht wörtlich wiederzugeben. Aber es war klar, dass sie das Prinzip schon kannten: Die Amerikaner kommen als Letzte, und dann mit Wumms.
Wir gingen dann also gemeinsam in den Dom. Die Herren Minister und die Dame Ministerin durften im Chorgestühl Platz nehmen. Da plötzlich lief durch den Binnenchor – eine Maus. Tatsächlich gibt es einige von ihnen im Dom. Tagsüber sieht man sie nicht, aber wer einmal bei einem Nachtgottesdienst dabei ist, kann dann und wann schon mal eine vorbei huschen sehen. Das war ein Moment, in dem ich die Luft anhielt: Man weiß ja, dass manche Menschen auf Mäuse ausgesprochen schreckhaft reagieren. Ob einer der Minister wohl aufspringen würde? Ob Madeleine Albright womöglich einen spitzen Schrei ausstoßen würde? Gott sei Dank passierte nichts von alledem. Die Maus war verschwunden, ehe einer der Gäste sie entdeckt hatte.
Tags darauf, direkt nach der Landung Bill Clintons, rief das Protokoll an und teilte mit, Mr. President wolle unbedingt den Dom besichtigen. Man könne nur noch nicht sagen, wann. Spontane Besuche seien nämlich leichter zu bewältigen, weil angekündigte Termine immer den ganzen Sicherheitsapparat in Bewegung setzen würden. So verharrten wir also in Habachtstellung und warteten erst einmal ab. Dann ein Anruf: Wir sollten uns für die Zeit nach dem Staatsbankett bereithalten, das seinerzeit im Römisch-Germanischen Museum auf dem weltberühmten Dionysios-Mosaikfußboden stattfinden sollte.
Als es hieß, „der Präsident kommt jetzt“, machten wir uns auf. Wer aber noch vor Clinton kam, war Tony Blair. Zu Fuß, ohne Begleitung. Also fing ich schon mal an, ihm das eine oder andere zu erklären. Das ging trotz meines nicht gerade strahlenden Englischs ganz gut. Ich musste nur aufpassen, nicht allzu tief in Tony Blairs strahlend blaue Augen zu schauen. In denen hätte ich mich glatt verlieren können. Aber ich merke, ich komme vom Thema ab.
Auf einmal nickte Blair mir zu und sagte ganz freundlich: „Ich glaube, jetzt müssen Sie mich stehenlassen. Er kommt.“ Und in der Tat. Er kam: Bill Clinton persönlich, der mächtigste Mann der Welt. Was dann passierte, hat mein Bild des Präsidenten doch nachhaltig beeinflusst: Clinton zeigte sich überaus interessiert und vor allem bestens informiert. Und vor dem Lochner-Altar hielt er Blair einen Kurzvortrag über deutsche und niederländische Malerei des 15. Jahrhunderts, der einem kunsthistorischen Seminar bestens angestanden hätte. Und dann outete sich Clinton noch als exzellenter Kenner der Chorschranken-Malereien im Dom. Die hätten schon immer zu seinen Lieblingskunstwerken gehört, erklärte er Blair. Das fand ich ziemlich beeindruckend. Wer weiß schon so was?
Clinton beeindruckte mit Fachwissen
Ich meinerseits weiß nicht, ob es nun aus Bewunderung geschah oder nicht doch einfach Folge einer gewissen Nervosität in Präsenz dieser beiden mächtigen Männer war. Jedenfalls verlor ich beim Herumdrehen auf den Stufen des Hauptaltars ein bisschen das Gleichgewicht. Clinton reagierte reflexartig und fing mich auf, bevor ich fallen konnte. Sie können sich vorstellen, dass mir das fortan in der Dombauhütte nachhing: „Kaum haben wir eine Frau als Dombaumeisterin, schmeißt sie sich dem amerikanischen Präsidenten in die Arme.“
Dass kurz vorher die Lewinsky-Affäre um die ganze Welt gegangen war, tat ein Übriges. Aber ich versichere hoch und heilig: Es war alles vollkommen harmlos, aber eben auch äußerst charmant.