AboAbonnieren

Kölner Expertin klärt aufSo gehen Kliniken in Köln gegen Krankenhauskeime vor

Lesezeit 5 Minuten
Das Institut für Hygiene der städtischen Kliniken Köln arbeitet daran, Infektionen in Krankenhäusern zu verringern (Symbolbild).

Das Institut für Hygiene der städtischen Kliniken Köln arbeitet daran, Infektionen in Krankenhäusern zu verringern (Symbolbild).

Die Kölner Hygiene-Chefärztin Frauke Mattner bekämpft sogenannte Krankenhauskeime. Was sie Patienten rät.

„Krankenhauskeime sind ein Phantom, alles und nichts“, sagt Frauke Mattner. Sie ist Chefärztin des Instituts für Hygiene der Kliniken der Stadt Köln. Krankenhauskeime sind ein Grund, wieso Menschen Angst vor ebendiesem Ort haben. An ihnen sterben schließlich auch Menschen. Laut RKI 15.000 bis 20.000 in Deutschland im Jahr. Frauke Mattner arbeitet daran, diese Infektionen zu verhindern.

Jeder Erreger, der regelmäßig zu Krankenhausinfektionen führt, also auch Corona, kann als Krankenhauskeim zählen. Die Doktorin spricht angesichts dieses „Phantoms“ lieber von nosokomialen Infektionen, also solche, die im Krankenhaus ausbrechen. Häufig lösen sie multiresistente Keime (MRSA) oder multiresistente E. Coli aus.

Wer sich sorgt, dem sagt Mattner ehrlich, das sei auch berechtigt: „Man gibt sich mit seinem ganzen Leben in die Hände eines Teams. Jeder Eingriff hat ein Risiko und auch ein Infektionsrisiko.“ Sie sagt auch: „Wir haben aber Maßnahmen etabliert, die zu weniger Infektionen führen.“ Mit einem Einwand: „Haben Krankenhäuser kein Hygieneteam, werde ich skeptisch.“

Hygienemaßnahmen schlagen an: Infektionen in Krankenhäusern bleiben gleich, aber Patienten älter und schwerer krank

Prävalenzuntersuchungen fanden seit 1994 viermal statt, zuletzt 2022. Das sind aufwendige Studien, die die Anzahl an Krankheitsfällen ermitteln. Sie ergaben, dass 3,5 bis fünf Prozent der Menschen, die in einem Krankenhaus behandelt werden, dort an Erregern erkranken. Diese Infektionsrate blieb über die Jahre hinweg konstant. Die Chef -Hygienikerin der städtischen Kliniken in Merheim, Holweide und dem Kinderkrankenhaus an der Amsterdamer Straße erklärt, wieso sie das trotzdem für eine gute Nachricht hält: Gleichzeitig sei die Lebenserwartung gestiegen und die Schwere der Krankheiten habe zugenommen. Und bei kränkeren und älteren Menschen ist das Infektionsrisiko höher – hätte sich die Hygiene nicht verbessert, wäre also die Prävalenz gestiegen.

Frauke Mattner ist Chefärztin in Köln und Professorin des Lehrstuhls für Hygiene und Umweltmedizin der privaten Universität Witten-Herdecke.

Frauke Mattner ist Chefärztin in Köln und Professorin des Lehrstuhls für Hygiene und Umweltmedizin der privaten Universität Witten-Herdecke.

Ins Krankenhaus aus einem anderen Grund zu kommen und sich dort einen Erreger holen, ist genau genommen tatsächlich unwahrscheinlich. Oberflächen bergen bei guter Krankenhaushygiene kaum ein Risiko und die Übertragung von Patient zu Patient wird durch vorbeugende Isolation meistens verhindert. Die Expertin sagt: „Am häufigsten erkranken in einem Krankenhaus Patienten an ihren eigenen Keimen, die sie mit ins Krankenhaus bringen.“

Mattner nennt eine Zahl, die zunächst erschreckt. Zwei Kilo Bakterien hat ein Erwachsener an und in seinem Körper. Das ist nicht schlecht, sondern lebensnotwendig. Und wer darunter auch schädliche Erreger trägt, muss daran nicht direkt infiziert sein. Zur Infektion kann es ausgerechnet im Krankenhaus kommen, weil Operationen die Integrität des Darmes oder der Haut durchbrechen. Die Erreger landen also in der Lunge, Blutbahnen oder im Bauch und das kann zur Infektion führen.

Multiresistente Keime werden zunehmend zum Problem

Problematisch ist, wenn der Keim multiresistent ist, Antibiotika also nicht helfen. Die weltweit voranschreitenden Antibiotikaresistenzen seien eine „stille Pandemie“, so der Sprecher der Uniklinik. „Dann geraten wir wieder in die Zeit zurück, in der Patienten an diesen behandelbaren Infektionen versterben konnten.“

Die Kliniken testen Patienten schon vor ihrer Aufnahme auf MRSA. Der Abstrich ist laut Mattner einfacher als ein Corona-Test. Das Krankenhauspersonal nimmt ihn mit einem Tupfer im Rachen oder ganz vorn in der Nase. Fällt er positiv aus, bekommen die Patienten ein Einzelzimmer und die Ärzte und Pflegekräfte ziehen sich Mundschutz und Kittel an.

Auf 100 Patienten kämen in Krankenhäusern 0,5 Infizierte, teilte der Uniklinik-Sprecher mit. Und 95 Prozent von ihnen seien schon vor der Aufnahme mit MRSA besiedelt. Wie genau die Zahlen in den Kölner Häusern aussehen, ist zwar bekannt, aber nicht öffentlich zugänglich. Die Häuser melden die Infektionen jährlich an das Gesundheitsamt. Das kontrolliere, aber habe wegen des Fokus auf Corona in den vergangenen Jahre die Daten zu nosokomialen Infektionen seit 2019 nicht weiter aufgearbeitet.

Kölner Krankenhäuser melden Infektionszahlen an Gesundheitsamt

Ein Vergleich ist wegen der unterschiedlichen Abteilungen der Kölner Krankenhäuser sowieso schwierig: Auf Intensivstationen ist die Prävalenz höher. Die LVR-Klinik als psychiatrisches Krankenhaus habe geringe Zahlen gehabt, teilte eine Sprecherin des Hauses mit, weil sie wenig Katheter oder Beatmungsgeräte verwenden, die eine Infektion begünstigen können.

„Die meisten Eingriffe bekommen wir infektionsfrei hin“, sagt Mattner über die städtischen Kliniken. Besonders bei geplanten Operationen verringerten die Ärzte im Vorhinein das Infektionsrisiko immer erfolgreicher. „Einige haben ein höheres Risiko, etwa Operationen am Darm, dort gibt es viele Bakterien.“ Bei einem plötzlichen Durchbruch des Darmes hingegen könne die Infektionsrate auf zehn Prozent steigen. Ganz wichtig: Sterile Gegenstände im Operationssaal. „Ich schaue mir immer wieder Handgriffe bei Eingriffen an: Alles, was an invasiven Maßnahmen stattfindet, muss wirklich keimfrei sein“, sagt Mattner.

Chefärztin: Hygienebewusstsein hat seit Pandemie nachgelassen

Was am besten hilft, keine Erreger zu verbreiten oder Infektionen auszulösen, ist das Hände desinfizieren. Klingt banal, ist aber Mattners Waffe Nummer eins. Sie sagt: „Auch ein Patient kann mithelfen, keine Infektion zu bekommen: Sie können Personal ansprechen und darum bitten, dass es sich die Hände desinfiziert und eine Maske aufsetzt.“ Das nennt sie „Patienten Empowerment“. Sie hat noch einen Tipp, der selbstverständlich wirkt, es aber laut der Hygiene-Chefin nicht ist: „Wer einen elektiven Eingriff vor sich hat, sollte vorher richtig gut duschen.“ Dafür gibt es antiseptische Waschungen in der Apotheke.

Unermüdliches Händedesinfizieren können wir doch seit der Pandemie – sollte man meinen. Mattner widerspricht: „In der Bevölkerung hat das Bewusstsein für Hygiene seit der Pandemie wieder nachgelassen. Die Leute desinfizieren sich heute weniger die Hände als während der Pandemie.“

Ihren Job hat die Pandemie dennoch verändert: „Jetzt achten wir in der Krankenhaushygiene noch stärker auf die Lufthygiene.“ In allen Neubauten der Kliniken Köln werde es keine Stationen mehr ohne Klimaanlage geben.