Köln – Die „zweite Runde“ sei beendet, alle Schüler und Schülerinnen mit Gymnasialplätzen „versorgt“. Mit einer langen Mitteilung haben Oberbürgermeisterin Henriette Reker sowie der Schul- und der Baudezernent der Stadt versucht, die heftige Diskussion über die Folgen des Kölner Schulplatzmangels für beendet zu erklären. Doch die Debatten unter aufgebrachten Eltern gehen weiter. „Unverfroren“ und „unverschämt“ findet Mutter Alexandra Houf die Erklärung der Stadt. Vater Olaf Wittrock nennt die Aussage der Oberbürgermeisterin, die auf Jahrzehnte lange Versäumnisse verweist, die man nun „aufzuholen“ versuche, „frech“.
Die Verantwortlichen für die Kölner Misere müssten sich jetzt kümmern und Lösungen suchen, anstatt seit Jahren auf Bauprojekte zu verweisen, die irgendwann einmal fertig werden. Dass die Stadt vom Ende einer „zweiten Runde“ spreche, sei eine bewusste Verharmlosung, so die Eltern. Tatsächlich wäre es für viele Kinder ja schon eine dritte oder sogar vierte Runde gewesen. Auch die Anmeldezahlen, die einfach wiederholt würden, könnten nicht stimmen, da Kölner Kinder Zuflucht außerhalb der Stadt, zum Beispiel am Ernst-Mach-Gymnasium in Hürth, gefunden hätten.
Elternproteste zeigen erste Wirkung
Von einer „Versorgung“ zu sprechen, wenn gleichzeitig zahlreiche Widerspruchsverfahren weiterlaufen, Klagen vor Gericht angestrengt werden und längst nicht alle Familien wüssten, wo ihr Kind denn nun ab Sommer zur Schule gehe, sei ziemlich „seltsam“, so Wittrock. Der Vater gehört zu den Organisatoren einer neuen Interessenvertretung in Köln unter dem Slogan „Schulplatzverlosung stoppen! Pakt für Schülerinnen und Schüler jetzt". Erstmals wollen sich Eltern von Viertklässlern mit Familien verbinden, die in den nächsten Jahren betroffen sein werden. Der Druck auf Politik und Verwaltung soll nicht nachlassen, damit im nächsten Jahr nicht wieder über 1200 Ablehnungen von Gymnasien, Gesamtschulen und Realschulen verschickt werden müssen.
Der Elternprotest zeigt erste Wirkung, auch wenn es vorerst weiterhin bei Ankündigungen bleibt. Die Stadt sagt für das nächste Schuljahr 2454 neue Schulplätze zu – eine stolze Zahl, wenn man sie mit den mageren Quoten der vergangenen Jahre vergleicht. Container-Modulbauprogramme sollen genau wie die Anmietung von Büroimmobilien helfen. Man suche im gesamten Stadtgebiet, aktuell sei man für zwei Objekte in Schlussverhandlungen für einen Mietvertragsabschluss.
Stadt rüttelt an Tabu
Außerdem rüttelt die Stadtspitze um Reker in ihrer langen Erklärung zur Schulpolitik an dem Tabu, übergangsweise auch Grünflächen zu nutzen. Alle geeigneten Flächen sollten „ohne Wenn und Aber“ für Provisorien genutzt werden, damit man den Start neuer Schulen vorziehen kann. „Das muss Konsens werden in allen Gremien trotz der Flächenkonkurrenz in Köln“, so Schuldezernent Robert Voigtsberger. Sein fürs Bauen zuständige Kollege, Markus Greitemann, macht ebenfalls Hoffnung: Die vergangenen fünf Jahre hätten nicht gereicht die „immensen Defizite“ abzubauen. Nun sei man deutlich weiter.
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Ohne Reaktion bleibt weiterhin die Forderung der Eltern, aber auch der Schulpolitiker im Stadtrat, das Vergabeverfahren für die begehrten Schulplätze zu verändern. Dass mittlerweile fast überall über Losverfahren entschieden wird und inhaltliche Kriterien wie die Schulweglänge keine Rolle mehr spielen, steht zunehmend in der Kritik. Schulleitungen und Stadt verteidigen die Platzverlosung, weil sie das Verfahren sei, dass Rechtssicherheit garantiere.
Alternativen zum Losverfahren möglich
Die Bezirksregierung als Schulaufsicht widerspricht: Es gebe durchaus weiterhin Schulen, die sich auch von inhaltlichen Auswahlkriterien wie der Schulweglänge oder die Nähe zwischen der Grundschule des Kindes und der gewünschten weiterführenden Schule leiten ließen und dabei offenbar in der Lage sind, auch solche Verfahren rechtssicher zu gestalten. Die gesetzlichen Vorgaben sehen sechs Kriterien für die Aufnahme der Schüler vor. „Das Losverfahren ist nicht in das Belieben des Schulleiters gestellt“, so die Sprecherin der Bezirksregierung. Er müsse es anwenden, wenn die Auswahlkriterien keine abschließende Entscheidung ermöglichen, weil zu viele Bewerber die gesetzten Kriterien gleichermaßen erfüllen.