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Mit Jürgen Pätz durch den Niehler Hafen„Es gibt nichts, was nicht transportiert wird“

Lesezeit 4 Minuten

Jürgen Pätz ist seit 22 Jahren Hafenmeister in Niehl.

Köln-Niehl – Zu Zeiten der Köln-Bonner Eisenbahn AG (KBE), bekannt als Knollebuure-Express, kam Jürgen Pätz in den Niehler Hafen. 1992 wurde daraus durch den Zusammenschluss der KBE, der Häfen Köln GmbH und der Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn die Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK). Die Rheincargo, bei der er nun arbeitet, wurde 2012 von der HGK gemeinsam mit den Neuss-Düsseldorfer Häfen gegründet.

Seit 22 Jahren ist Jürgen Pätz inzwischen Hafenmeister. Als er startete, schrieb man das Jahr 1979, Ajatollah Khomeini rief die islamische Republik Iran aus, Margret Thatcher wurde britische Premierministerin, Franz-Josef Strauss Kanzlerkandidat der CDU/CSU. Und Jürgen Pätz Elektrikerlehrling.

Die Serie

Der Rhein ist für viele Kölner ein Ort der Freizeit und Entspannung. Er ist aber auch Arbeitsplatz: Auf Booten, Schiffen oder am Ufer des Flusses gehen zahlreiche Menschen ihrer Tätigkeit nach. In unserer Sommerserie „Berufe am Rhein“ stellen wir einige von ihnen vor. (red)

„Dass ich als Hafenmeister in die Verwaltung kam, war nur ein blöder Zufall“, erinnert sich Pätz. „Ich hatte eine chronische Sehnenscheidenentzündung und den Arm ein halbes Jahr eingegipst. Eine langwierige Angelegenheit, also wurde ich dauerhaft in die Verwaltung versetzt.“

Alle sind per Du

Er sitzt vor Laugenbrezeln und Margarine in seinem Büro, vor ihm Akten und Dienstpläne, hinter ihm Akten und Dienstpläne. Ständig klingelt das Telefon, ständig wuseln Leute herein, Kran- und Schiffsführer mit furchterregendem Händedruck. Zwischendurch isst er schnell eine Brezel.

Alle sind per Du, keiner kommt ohne „Spruch“ herein, beziehungsweise davon. „Das ist auch nach fast 40 Jahren das Schöne an dem Job“, sagt Pätz. „Wir duzen uns alle, wir kennen uns alle, es ist sehr vertraut.“

Eines von vier Becken in Niehl, dem größten Hafen Kölns

Und dann ist da natürlich noch das Wasser, das er erblickt, wenn er die Schiffe eicht, die Kranführer einteilt oder in der Pause mit einem seiner Kollegen einen Becher Kaffee trinkt und eine Zigarette raucht. „Das Wasser macht einen ruhig“, sagt er.

Das ist nicht zu übersehen. Jürgen Pätz ist einer dieser Typen, deren Gelassenheit sich auf seine Mitmenschen überträgt. Er ist der Fels im Hafengewusel.

Er ist im Frühdienst, seit 6 Uhr im Büro. Er teilt zuerst seine Leute ein, 31 sind es, in der Urlaubszeit weniger. Auch die Staplerfahrer vom Westkraftwerk und die Arbeiter vom Heizkraftwerk Merkenich gehören dazu. Wer arbeitet an den Container-, wer an den Schrottanlagen? Wo werden heute mehr, wo weniger Leute benötigt? Die Wochenpläne verändern sich ständig.

Dieser Hafenmeister – Pätz ist einer von dreien in Niehl, sieben gibt es in Godorf – dirigiert sie. Er ist auch für Rechnungen, Löhne und Zeiterfassung zuständig. Der 57-Jährige ist zudem Eichmeister – er bestimmt das Gewicht der Schiffe vor und nach dem Beladen. Verladen werden Schrott, Zellstoff, Kohle, Mineralöl, manchmal auch Autos, „es gibt eigentlich nichts, was nicht transportiert wird“, sagt Pätz.

Weltmarkt entscheidet

Entscheidend dafür, wie viel Fracht gelöscht – wie das Entladen im Schifffahrtsjargon heißt – und geladen wird, ist nicht die Jahreszeit, sondern der Weltmarkt. Preise, Angebot und Nachfrage. „Damit kenne ich mich allerdings nicht aus, muss ich auch nicht“, sagt Pätz. Von Niehl aus geht die Fracht oft nach Rotterdam. Von da aus nach China, Mexiko, Indien, Südamerika oder in die USA. Dort arbeiten Menschen wie Pätz, die ihrerseits das Be- und Entladen von Schiffen organisieren.

Im Hafen werden täglich etliche Tonnen Fracht verladen.

Mehr als 600 Güterschiffe verkehren im Schnitt pro Monat in den Kölner Häfen, „mich interessiert vor allem, was am und auf dem Wasser passiert“, sagt Pätz. „Das ist meine Verantwortung. Ungereimtheiten sind zu klären, ständig rufen Leute an: Schiffsführer, die nicht wissen, wo sie festmachen sollen.

Firmen, die nicht wissen, wohin die Rechnung gesendet werden soll, Kollegen, die Dienste tauschen wollen. Und die Papierarbeit, sagt Jürgen Pätz, sei auch noch nicht weniger geworden, trotz zunehmender Digitalisierung. „Das ist eigentlich absurd, ist aber so.“

Jürgen Pätz wirkt mit seiner wettergegerbten Haut und den dunklen Haaren, der ruhigen Stimme, dem gleichmäßigen Gang nicht besonders Deutsch, eher wie ein alter Seebär. Dabei hat er hat gar keinen Bootsführerschein. Braucht er auch nicht als Hafenmeister.