Der 11.11. zieht auch Tage später Diskussionen nach sich. Auswirkungen des Massenandrangs bekamen vor allem die Anwohner im Kwartier Latäng zu spüren.
Nach dem 11.11.Veedelsbeirat beklagt „apokalyptische Zustände“ – Anwohner prüfen rechtliche Schritte
Die Sitzung des Veedelsbeirats Kwartier Latäng drehte sich am Dienstagabend – wenig überraschend – vor allem um ein Thema: die Auswüchse des diesjährigen Sessionsbeginns. Es nahmen jedoch nicht nur Anwohner aus dem stark betroffenen Zülpicher Viertel teil, sondern auch aus anliegenden Stadtteilen wie der Südstadt, dem Belgischen Viertel, Mauritiusviertel, Mediapark, Pantaleonsviertel und der Aachener Straße.
Die geteilte Meinung der ungefähr 40 Anwesenden: „So geht es in Köln nicht weiter – es muss sich etwas ändern.“ Eine langjährige Anwohnerin des Kwartier Latängs, die ihren Namen nicht nennen mochte, fasste es so zusammen: „Das ist Horror. Die Feiernden müssen hier weg.“
Köln: Zülpicher Straße wurde bereits um 9 Uhr gesperrt
Auch in diesem Jahr zog das Studentenviertel Massen verkleideter Menschen an. Die Besucherzahl, insbesondere auf der Zülpicher Straße, sei in den vergangenen Jahren exponentiell gestiegen, sagte Ordnungsamtsleiterin Athene Hammerich bereits im Vorfeld der Veranstaltung. Das bestätigte sich am Samstag. Gerade junge Jecken strömten auf die Zülpicher Straße.
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Diese wurde bereits um 9 Uhr gesperrt, um eine Überfüllung zu vermeiden. Die Neuankömmlinge wichen auf die mit Bodenplatten geschützte Entlastungsfläche Uniwiese aus, die später ebenfalls überquoll. Die Party weitete sich bis hin zum Aachener Weiher aus und zog die dort ungeschützten Grünflächen in Mitleidenschaft.
Köln: Straßen und Parks glichen einer Müllhalde
Trotz langfristig geplanter vorbereitender Maßnahmen und Sicherheitskonzept – etwa großräumige Absperrungen, begrenzte Zugänge zur Feiermeile, Einrichtung von Glasverbotszonen und Sicherheitskontrollen – bekamen die Verantwortlichen nicht alle vorhersehbaren Probleme in den Griff. Straßen und Parks glichen einer Müllhalde. In Hauseingängen lag Erbrochenes. Berge aus Dosen, Pittermänchen, Flaschen, Becher und Kleidungsreste zeichneten die Gegend bis zum nächsten Tag, obwohl die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) mit insgesamt ungefähr 300 Mitarbeitenden in ganz Köln im Einsatz waren.
Im Veedelsbeirat sorgte die Aufräumaktion für großes Lob. Doch neben einigen anerkennenden Worten, etwa dafür, dass scheinbar mehr Toilettenhäuser als in den Vorjahren aufgebaut wurden oder die Absperrung des Spielplatzes Nähe des Aachener Weihers von den Karnevalisten beachtet wurde, herrschte allgemeine Bestürzung, bei einigen gar angestaute Wut.
Am meisten entsetzte Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) die Situation im Hiroshima-Nagasaki-Park, das machte er in der Sitzung im Berufskolleg in der Lindenstraße deutlich. „Was ich da gesehen habe, war apokalyptisch. Der Schutz des Grüngürtels, das ist unsere Hauptaufgabe“, sagte er auch mit Blick auf den Karneval im kommenden Februar.
Die Zülpicher Straße habe er noch nie so seelenlos erlebt, wie in diesem Jahr. „Das waren sinnlose Besäufnisse, das hatte nichts mit Karneval zu tun.“ Hupke forderte einen „Einstieg zur Reduzierung der Feierlichkeiten“ in den Veedeln.
Karneval in Köln: Anwohner kritisieren Sicherheitspersonal
Bevor es zu konkreten Vorschlägen kam, schilderten Anwohner und Geschäftsbetreibende in einer lebhaften Diskussion ihre Wahrnehmung des 11.11. Stadtwinzer Thomas Eichert berichtete von der „Stürmung seines Weinbergs“ am Chlodwigplatz. Mütter und Hundebesitzer beschwerten sich über den anhaltenden Dreck: „Ich finde noch Wochen später Reste von Scherben, Kotze, Urin und Kacke. Der 11.11. war nur ein Warnschuss, so kann es im Februar über eine Woche hinweg nicht weitergehen.“
Andere kritisierten das Sicherheitspersonal. Einige seien trotz Ausweisdokumenten nicht zu ihren Wohnungen im abgesperrten Bereich gelangt. Das sei anders gedacht gewesen, erwiderte Christian Schlünz vom Ordnungsamt.
Neben dem Blick zurück auf den 11.11. sammelten die Anwesenden zudem Ideen, um der fortschreitenden Eskalation des Straßenkarnevals in Zukunft entgegenzuwirken, am besten schon im Februar 2024. Das Ergebnis nach zwei Stunden: Die Teilnehmenden fordern die Bezirksvertretungen der Innenstadt, Deutz und Lindenthal dazu auf, einen Beschluss zu fassen, der eine Rechtsberatung hinsichtlich der Nutzung des Grüngürtels als Karnevals-Ausweichfläche vorsieht – „Option auf Klage inbegriffen“, so Hupke. Ob die Belagerung der Parkflächen zwischen Aachener Straße und Luxemburger Straße während der Karnevalstage rechtens sei, solle gerichtlich geklärt werden.
Anwohner wollen rechtliche Schritte prüfen
Auch die Anwohner selbst wollen prüfen lassen, inwieweit sie der zum Massentourismus ausgeartete Karneval in ihren Rechten beschneide. Es gehe unter anderem um „Einschränkung der Bewegungsfreiheit“ und Belästigung durch Lärm und Dreck. „Was passiert bei einem medizinischen Notfall?“, fragte eine Teilnehmerin zu aus ihrer Sicht nicht vorhandenen Rettungswegen. „Da kommt doch keiner durch.“
Normalerweise tagt das Gremium, das im Sommer 2022 erstmalig eingerichtet wurde, quartalsmäßig. Doch bis zur nächsten Sitzung, die erst nach Weiberfastnacht 2024 stattgefunden hätte, wollen die vom diesjährigen 11.11. Gezeichneten nicht warten. Der nächste Termin wurde deshalb auf den 16. Januar gelegt – „damit wir noch genügend Zeit haben, um einzugreifen.“ Juristische Hilfe wollen sie zeitnah bei erfahrenen Anwälten anfragen – vielleicht bei denjenigen, die die Lärm-Klage am Brüsseler Platz begleitet haben.
Während sich einige der Teilnehmenden für das Schaffen neuer Konzepte für die „Partymeile“ im Kwartier Latäng aussprachen, schlugen andere radikalere Maßnahmen vor: „Es muss darauf hinauslaufen, dass die Leute aus den Vierteln geleitet werden. Wie wäre ein Festivalgelände am Fühlinger See?“ In den Wohnvierteln, da waren sich die meisten einig, sei Karneval in der jetzigen Form nicht mehr zu stemmen.