Köln – Zum 100. Jubiläum der Radtour „Rund um Köln“ war auch der ehemalige Radprofi Jan Ullrich zu Gast am Rhein. Im Interview spricht Ullrich über seinen Sieg im Jahr 2003 und sein Leben nach der Profikarriere.
Herr Ullrich, wie viel Fahrrad fahren Sie noch?
Zwischen 8000 und 11000 Kilometer pro Jahr.
Und das macht Ihnen noch genauso viel Spaß wie früher?
Jetzt habe ich erst recht Spaß. Ich fahre ja keine Rennen mehr. Nur noch mit Gruppen, ich mache Eventtage, auf Mallorca und überall auf der Welt. Das hält mich fit. Und es macht Spaß. Wir fahren in den schönsten Regionen der Welt. Damals als Profi Radrennen zu fahren, war eine ganz andere Geschichte. Da ging es um Sekunden, um Plätze, um Siege und Niederlagen. Jetzt genieße ich einfach nur die Vorteile des Radfahrens. Man kommt weit rum, man sieht viel, man lernt nette Leute kennen, hat Spaß und hält sich gesund.
Vermissen Sie das Rennen fahren?
Nein. Ganz klar nein.
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat sich am Vorabend der 100. Auflage von Rund um Köln bewundernd zu ihrem Sieg im Jahr 2003 geäußert und gesagt: „Es ist mir ein Rätsel, wie man stehend die Berge hoch fahren und sich freiwillig entscheiden kann, sich solchen Strapazen auszusetzen.“ Was sagen Sie dazu?
Das ist schon eine der härtesten Sportarten der Welt. Ich habe auch teilweise nach dem Ziel gesagt: Ab morgen werde ich Schach- oder Halmaspieler. Aber man wächst da rein. Ich habe mit neun Jahren mit dem Radsport angefangen. Man wächst von Jahr zu Jahr, bis man irgendwann auf ein Trainings- und Wettkampfpensum von fast 40.000 Kilometern im Jahr kommt. Das ist einmal um die Welt.
Man macht das einfach als Profi. Das ist dann dein Job. Man hat zum Beruf gemacht, was mal Hobby war, deshalb kann man das. Aus dem Stehgreif kann das natürlich kein Mensch. Ich kann mir das heute auch nicht mehr vorstellen. Diese Leistungen, die man im Fernsehen sieht – ich verfolge das heute ja auch im Fernsehen – kann man sich einfach nicht vorstellen. Aber es geht.
Und zum Thema „im Stehen die Berge hochfahren“
Ich bin ja dafür bekannt, dass ich immer im Sitzen die Berge hochgefahren bin. Wenn die anderen schon aus dem Sattel gegangen sind, bin ich immer noch im Sitzen gefahren. Mein Stil hat sich nicht groß geändert. Ich fahre nur im Stehen, wenn der Hintern weh tut. Und der tut heute natürlich häufiger weh, früher war ich mehr gewöhnt.
2003 haben Sie bei „Rund um Köln“ ihr Comeback nach einer Dopingsperre gegeben und nach einer langen Solofahrt gewonnen. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Sehr gute, sehr große Erinnerungen, das war phantastisch. Das war wichtig für mich nach dem Comeback. Und es war wichtig für mein Team damals, es ging um Sponsoren. Dann dieses unglaubliche Feeling, dass man hier in Köln hat. Es waren tausende von Leuten an der Strecke. Das war perfekt.
Ich kann mich an gutes Wetter erinnern. Ich kann mich an ein sehr, sehr hartes, schweres Rennen erinnern. Dann diese letzten 50 Kilometer Zeitfahren, die ich allein ins Ziel fahren musste – oder durfte. Das war gigantisch für mich.