Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzte Generation“ haben am Vormittag die Balkone des Kölner Rathauses in der Altstadt erklommen.
„Das ist absolut unsinnig“Gemischte Reaktionen zu „Klima-Kletterern“ vom Kölner Rathaus-Balkon
Speiseöl ist am Donnerstagmorgen (9. März) in der Kölner Innenstadt nicht benötigt worden, als Aktivisten und Aktivistinnen der Klimagruppe „Letzte Generation“ erneut auf sich aufmerksam gemacht haben. Diesmal klebten sie nicht, sie kletterten. Auf die Balkone des Historischen Rathauses.
„Wir müssen reden!“, stand auf den orangefarbigen Transparenten, die die insgesamt sechs Aktivisten und Aktivistinnen gegen 10.30 Uhr in den Himmel hielten. In den vergangenen Wochen suchten Mitglieder von „Letzte Generation“ bereits das Gespräch mit Kölns Oberbürgermeisterin, bisher erfolglos. Geredet wurde auch diesmal nicht – zumindest nicht so, wie die Protestgruppe es sich vorgestellt hatte.
Balkon-Kletterer Malte Nierobisch: Hoffnung auf Dialog zwischen „Letzte Generation“ und Reker
Stattdessen redeten Mitarbeitende der Stadt Köln sowie des Sicherheitspersonals auf die Aktivisten ein und forderten sie dazu auf, den Balkon zu verlassen. „Wir haben freundlich und respektvoll miteinander gesprochen“, sagt Malte Nierobisch, einer der Balkon-Kletterer von „Letzte Generation“ auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Hoffnung, einen sofortigen Austausch mit OB Reker zu bekommen, konnte der Gruppe jedoch nicht erfüllt werden. Und so musste schließlich doch wieder die Polizei eingreifen.
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Nierobisch war bereits an mehreren Aktionen der Protestgruppe im ganzen Land beteiligt. Die Städte Hannover, Tübingen und Marburg seien laut ihm Beispiele dafür, wie ein Dialog zwischen Stadtführung und „Letzte Generation“ aussehen könne. „Frau Reker ist der Bitte nach einem Gespräch bislang allerdings noch nicht nachgekommen, deswegen machen wir mit unseren Aktionen weiter“, sagt Nierobisch dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Dass bei diesen Aktionen auch Straftaten in Kauf genommen werden, sei nötig, sagt Nierobisch. Für die Gruppe stehe jedoch vor allem die Gewaltfreiheit im Vordergrund. Und sollte es in Zukunft weiter keine Gesprächsbereitschaft der Stadt geben, würden die Aktionen auch nicht aufhören.
Nun müssen sich die Aktivisten und Aktivistinnen jedoch erstmal mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch auseinandersetzen. Denn diese wartet nach der Aktion am Vormittag auf die Protestierenden. „Die Rathausverwaltung hat Anzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt. Auch wenn alles relativ friedlich lief, musste die Polizei geholt werden, da die Aktivisten der Aufforderung des Rathaus-Sicherheitsdienstes, die Balkone zu verlassen, nicht nachgekommen sind“, sagte ein Sprecher der Stadt.
Zuletzt hatte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker verlauten lassen, sich durchaus an „gesellschaftlichen Debatten zu beteiligen und mit Interessensvertreterinnen und -vertreterinnen zu sprechen“. Allerdings ließe sie sich nicht durch die grenzwertigen Aktionen der „Letzten Generation“ unter Druck setzen.
Stimmen aus den Parteien: Verständnis von den Grünen, CDU bestärkt Reker
Gemischte Gefühle zu der neuesten Aktion der Aktivistengruppe erlebt man indes in den Kölner Ratsfraktionen. Der Kölner CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz bestärkt Kölns Oberbürgermeisterin in ihrer klaren Haltung und kritisiert die Aktion am Rathaus: „Das Grundgesetz-Denkmal beschmieren, Straßen blockieren und auf Rathaus-Balkone klettern – das ist kriminell, gefährlich und absolut unsinnig. Mit Leuten, die solche Methoden anwenden, dürfen Stadt, Land und Bund definitiv keine Deals eingehen.“
Ganz anders sieht das die Kölner Grünen-Fraktionsvorsitzende Christiane Martin: „Wir als Kölner Politik sollten zuhören und alles dafür tun, um Köln bis 2035 klimaneutral zu machen. Solange die Aktivisten und Aktivistinnen friedlich bleiben, niemand gefährdet wird und nichts zu Schaden kommt, habe ich angesichts der Folgen der Klimakrise Verständnis für eine solche Aktion.“
Kritik an der Aktion gibt es dagegen aus der SPD. Zwar würde laut Christian Joisten, Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion, auf eine wichtige Gefahr aufmerksam gemacht werden, die Wege seien jedoch nicht immer gut: „Die jungen Menschen greifen dabei zu den falschen Mitteln, um das Problem zu lösen beziehungsweise die Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren.“
Klare Worte unterdessen aus der FDP. Die Aktion am Rathaus erinnere „eher an Stalker-Methoden als an einen seriösen Gesprächswunsch“, sagt FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite. Und weiter: „Diese Übergriffigkeit gegenüber der Oberbürgermeisterin hilft weder dem Klima noch der Glaubwürdigkeit der Aktivisten. Was kommt als nächstes: Auflauern oder Empfänge stürmen? Sie sollten mal in sich gehen und über das berühmte ‚Zauberwort‘ nachdenken, wenn man etwas von jemandem haben will.“
Ob die Aktion und der Polizeieinsatz am Historischen Rathaus wirklich nötig waren, sei fraglich, sagt auch Michael Weisenstein, Linke-Fraktionsgeschäftsführer. Das Engagement für mehr Klimaschutz sei jedoch „richtig und legitim“. Und auch „unkonventionelle Formen des Protestes bringen Öffentlichkeit“ und seien „deshalb richtig, solange niemand zu Schaden kommt“.
Wie auch immer man zu der Aktion am Donnerstag steht – sie wird wohl nicht die letzte dieser Art gewesen sein.
Unter dem Motto „Wir müssen reden“ hatte die „Letzte Generation“ zuletzt Bürgermeister und Bürgermeisterinnen der Städte in Nordrhein-Westfalen dazu aufgefordert, ihre Verantwortung wahrzunehmen. (red)