Köln – Zufrieden schweift der Blick von Nadine Knispel das Deutzer Rheinufer südlich des Tanzbrunnens auf und ab. Mit ihrer Schwester Sarah, ihrem Freund Achim Lohman sowie den Eltern Monika und Dieter hat Nadine Knispel soeben eine Decke auf der steinernen Ufermauer ausgebreitet.
Darauf nehmen die Damen der Familie Platz, die Herren machen es sich auf Campingstühlen davor bequem. Der Himmel über Deutz ist am Samstagnachmittag um 15 Uhr nur leicht bewölkt. Gute Voraussetzungen also für einen Sommerabend mit festlicher Atmosphäre und die freie Sicht von besten Plätzen aus auf das Feuerwerk der „Kölner Lichter“.
Sektgläser werden gefüllt, die Familienmitglieder prosten sich zu. „Wir haben uns Verpflegung mitgebracht, hier gehen wir heute nicht mehr weg – außer zur Toilette“, fasst Monika Knispel den Plan für den Tag zusammen.
Die Knispels sind weit gereist, um gemeinsam die „Kölner Lichter“ zu genießen – nicht zum ersten Mal. Die Eltern stammen aus Uslar bei Göttingen, gemeinsamer Treffpunkt war am Vorabend bei Tochter Nadine in Solingen. „Beim letzten Mal sind wir frühmorgens losgefahren und nachts wieder zurück, das war ein Trip über insgesamt 22 Stunden – das haben wir dieses Jahr entspannter gelöst“, sagt Dieter Knispel.
Die Gruppe hat sich für die frühe Anreise mit dem Zug entschieden, so waren die besten Plätze noch nicht belegt und alle können etwas trinken. „Lief alles reibungslos und locker“, erläutert Knispel.
Die Stimmung ist entspannt, das Rheinufer war im Jahr zuvor zu dieser Zeit schon deutlich voller. Dass viele Uniformierte zu sehen sind und ab und an ein Polizeihubschrauber über dem Rhein kreist, stört die Familie nicht, die Knispels haben Verständnis dafür.
„Das ist jetzt halt so. Nach dem furchtbaren Anschlag in Nizza haben wir zwar schon kurz überlegt, ob wir den Ausflug machen sollen“, sagt Nadine Knispel. Die Entscheidung für die Großveranstaltung mit Tausenden Menschen sei dann aber schnell unter dem Motto „jetzt erst recht“.
Sicherheitskräfte vereinen sich im Staatenhaus
Rund einen Kilometer weiter nördlich erreicht Dirk Schmaul etwa eine halbe Stunde später ebenfalls das Deutzer Rheinufer. Er betritt das Staatenhaus hinter dem Messegelände.
Der Abteilungsleiter Straßen und Grünflächennutzung beim Ordnungsamt der Stadt Köln ist nicht als Gast zu den „Kölner Lichtern“ gekommen - er muss arbeiten.
Davon, wie gut er seinen Job macht, hängt heute für die geschätzt Hunderttausenden Gäste der Veranstaltung viel ab, denn der 43-Jährige ist der zentrale Ansprechpartner für alle am Sicherheitskonzept der „Kölner Lichter“ beteiligten Akteure – vom Ordnungsamt über die Feuerwehr, Kölner sowie Bundespolizei, aber auch den Rettungsdiensten und den privaten Sicherheitskräften vor Ort.
Hubschrauber sendet Lagebild
Sie alle haben zwar eigene Leitstellen eingerichtet, aber jeweils einen Mitarbeiter ins Staatenhaus entsendet, wo im Ernstfall eine gemeinsame Koordinierungsstelle sofort und untereinander abgestimmte Entscheidungen fällen kann.
„Das Konzept hat sich schon beim Karneval und bei beim CSD bewährt“, sagt Schmaul, der seine Position seit Herbst 2015 bekleidet.
Hubschrauber senden ein Lagebild des Rheins, das auf einer Großleinwand im Raum zu sehen ist. Etwa 30 Personen sitzen vor Laptops, telefonieren oder besprechen in Kleingruppen die Situation. Es ist warm im Raum, nur ein Ventilator sorgt für etwas Abkühlung in der Zentrale, die der „Kölner Lichter“-Veranstalter Werner Nolden gemietet und ausgestattet hat.
Er ist verantwortlich für Planung und Umsetzung des Sicherheitskonzepts, dem alle andere beteiligten Behörden und Institutionen zugestimmt haben. „Wir beginnen jetzt damit, die Einsatzkräfte zu positionieren, die überall, vor allem aber an den kritischen Stellen für freie An- und Abreisewege sowie Fluchtrouten sorgen“, erläutert Schmaul. Das sind vor allem der Auenweg und der Ottoplatz in Deutz sowie das Konrad-Adenauer-Ufer in der Nähe des Kölner Hauptbahnhofs.
Sicherheitsvorkehrungen schlagen nicht auf die Stimmung
Das Wetter hält sich, die Ufer beiderseits des Rheins füllen sich zum Sonnenuntergang mit den erwarteten Massen – die Vorfreude der Menschen auf das Feuerwerk ist spürbar, die überall sichtbaren Sicherheitskräfte und stichprobenartigen Kontrollen der Gäste schmälern die entspannte Stimmung kaum.
Aus Sicherheitsgründen werden die Innenstadt-Brücken über den Fluss im Verlauf des Abends für Fußgänger gesperrt, nur auf der Deutzer Brücke tummeln sich die Zuschauer – und auf der Nordseite der Hohenzollernbrücke dürfen die geladenen Gäste einer Privatveranstaltung die exklusive Aussicht auf die Feuerwerke genießen.
Als die Schiffe kurz vor 22 Uhr aus Richtung Porz erscheinen, steigt die Spannung: Bei den Knispels und den Tausenden andern Gästen freudig erregt, bei Dirk Schmaul im Kontrollzentrum und seinen Kollegen professionell konzentriert. Doch es bleibt ruhig.
Schweigeminute für die Opfer von Nizza
Nach einer Schweigeminute für die Opfer von Nizza sind es lediglich Raketen und Pyrotechnik, die für ohrenbetäubendes Knallen und einen grell erleuchteten Nachthimmel sorgen.
Mit „Aaahs“ und „Ohhs“ sowie dem häufig zitierten Gag „Frohes Neues!“ zelebriert Köln die „16. Kölner Lichter“. Bis um 0 Uhr, als die von Musik durch an den Ufern platzierte Lautsprecher untermalte Show endet. Hunderttausende setzen sich anschließend innerhalb weniger Minuten in Bewegung, die Massen strömen auf die zentralen Abreisestationen zu – den Deutzer sowie den Hauptbahnhof. Doch Tumulte bleiben aus, die Absperrungen halten, der logistische Kollaps stellt sich ebenfalls nicht ein.
Reibungsloser Verkehr und positive Bilanz der Polizei
In einer ersten Bilanz teilt Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker am frühen Sonntagmorgen mit: „Die Entscheidung aller Sicherheitskräfte, stärkere Präsenz in der Altstadt, dem Rheinufer und auch an den An-und Abfahrtspunkten der Stadt zu zeigen, war richtig. Köln hat damit Flagge gezeigt, dass hier friedliebende Menschen, egal woher sie kommen, gemeinsam schöne Stunden verbringen können und dass wir diesen Wert schätzen und verteidigen.“
Auch der eingerichtete Koordinierungsstab mit Führungskräften der Polizeibehörden, der Stadt Köln, der Hilfsorganisationen und dem Veranstalter im Deutzer Staatenhaus kann um kurz vor 2 Uhr sein Werk offiziell und erfolgreich einstellen. „Wir sind alle ziemlich erschöpft, aber froh, dass der Abend so gut gelaufen ist. Bis auf kleinere Zwischenfälle lief alles sehr entspannt ab“, fasst Dirk Schmaul seinen Arbeitstag zusammen.
Mit seinem Team wird er in den nächsten Tagen ein Sicherheitsprotokoll der „Kölner Lichter“ erstellen und den Verlauf der Großveranstaltung analysieren. Zunächst freut er sich aber auf den freien Sonntag. „Ich werde richtig ausschlafen.“
Müllberge der Besucher sind einziges Manko
Darauf stellen sich auch die Knispels ein. Sie konnten von ihrem Platz in Deutz aus ein „herrliches Feuerwerk und ein zauberhaftes Flair genießen“, sagen sie. Der Tag war lang, aber alle sind vom Erlebten angenehm erschöpft.
Die Familie hat den ersten Schwung Abreisende abgewartet und so bis 1 Uhr gebraucht, um den Bahnhof zu erreichen. „Das hat alles super geklappt, es gab genügend Ordner und der Verkehr lief reibungslos“, so Sarah Knispel.
Die Menschen hätten sich amüsiert, als einziges Manko führt sie die großen Müllmengen an, die viele Leute einfach zurückgelassen haben. Doch die Knispels sind vollauf zufrieden mit dem Abend und planen schon jetzt, auch im nächsten Jahr wieder einen gemeinsamen Wochenendausflug zu den „Kölner Lichtern“ zu unternehmen.
Die Kölner Polizei sprach kurz nach dem Feuerwerk von einem bis dahin recht friedlichen Abend. Im Vorfeld und während der Veranstaltung kam es zu etwa 130 Platzverweisen und fünf Festnahmen. Zehn Persoen wurden in Gewahrsam genommen und rund 40 Strafanzeigen wurden gestellt (Stand 02:00 Uhr). Das seien zwar mehr Eingriffe als im vergangenen Jahr. Die Polizei verwies aber auf ihre erhöhte Präsenz und damit gestiegene Aufmerksamkeit.