OB Reker weiß noch nicht, ob sie für den Neubau stimmt. Im Februar wollen Kirche und Stadt entscheiden – können sie sich das Projekt leisten?
Neubau am Kölner DomReker lässt ihre Zustimmung offen – Wackelt die Historische Mitte?
Als Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) am 31. Oktober 2016 den Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs für die Historische Mitte am Dom kommentiert, ist sie ungewohnt überschwänglich für ihre Verhältnisse. Reker sagt bei der Präsentation der Idee von Architekt Volker Staab: „Ich war vom ersten Anblick verzaubert, es sieht aus wie hingeküsst.“
Sieben Jahre später bezeichnet sie die Historische Mitte zwar immer noch als „einmalige Chance“, doch in Rekers Worten liegt wenig Zauber, als sie mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über das gemeinsame Bauprojekt mit der Hohen Domkirche spricht. Reker sagt: „Vielleicht würde ich Projekte, die noch nicht begonnen sind, gar nicht erst beginnen.“
Ob sie im Rat dafür stimme, wisse sie noch nicht. Reker sagte: „Die Haushaltssituation in Köln wird auch nicht leichter. Ich möchte investieren in Dinge, die unsere Zukunft sichern, zum Beispiel in Klimaschutz.“ Ein hochrangiger Beteiligter sagte darauf angesprochen: „Ohne das klare Bekenntnis der OB wackelt das ganze Projekt.“
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Mittlerweile liegen die Pläne für das Neubauprojekt vor, vermutlich am 6. Februar soll der Rat entscheiden, ob die Historische Mitte nach Jahren der Planung tatsächlich gebaut wird oder nicht. Eine zunächst vorgesehene Entscheidung in der Dezember-Sitzung wurde verschoben, weil noch viele Fragen offen waren (wir berichteten).
In der aktualisierten Liste der städtischen Großbauprojekte vom 13. Dezember ist die Historische Mitte in der sogenannten „grünen“ Kategorie notiert, also dem letzten Zeitpunkt, ein Projekt abzulehnen und die aufgeführten Kosten von 7,9 Millionen Euro abzuschreiben.
Reker selbst hat eine von 91 Stimmen im Rat, doch ihrer Haltung als Oberbürgermeisterin kommt eine symbolträchtige Relevanz zu. Dass Reker ihre Zustimmung offen lässt, fügt sich in die aktuelle Stimmungslage zu dem Projekt ein. Im Stadtrat gibt es neben klaren Befürwortern auch mehrere prominente Stimmen, die sich hinter vorgehaltener Hand beispielsweise vorstellen können, die Historische Mitte nicht jetzt zu bauen, sondern um einige Jahre nach hinten zu schieben.
Im Kooperationsvertrag von 2021 hatte sich das Mehrheitsbündnis aus Grünen, CDU und Volt dazu bekannt, wohl im Februar wird sich zeigen, was das Bekenntnis von damals wert ist. Kommt die „Mitte“ nun oder nicht? Unter anderem die finanzielle Situation der Hohen Domkirche als Partnerin der Stadt ist ein Thema.
Es geht um ein prestigeträchtiges Projekt am Welterbe Dom: Gemeinsam mit der Hohen Domkirche will die Stadt Köln das südliche Ende des Roncalliplatzes verändern. Die Hohe Domkirche ist eine eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Das Kurienhaus der Kirche von 1961 und das kleine Studienhaus des Römisch-Germanischen Museums (RGM) sollen abgebrochen werden.
Stattdessen sind zwei neue Gebäude geplant: Das neue Kölnische Stadtmuseum (KSM) und ein Bürogebäude, das Kirche, KSM und RGM gemeinsam nutzen würden. Die anstehende Sanierung des RGM gehört nicht dazu, aber KSM und RGM würden per unterirdischem Durchgang verbunden. 2000 Jahre Kölner Stadtgeschichte sollen an der Stelle gezeigt werden.
Das Stadtmuseum musste nach Jahrzehnten das denkmalgeschützte Zeughaus verlassen, es ist ein Sanierungsfall, interimsweise soll das KSM ab März im umgebauten früheren Modehaus Sauer ausstellen, bis die Historische Mitte gebaut ist. Das wird nicht vor 2031 der Fall sein.
Um die Historische Mitte umzusetzen, haben Domkirche und Stadt 2020 eine gleichnamige Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, die das Projekt plant. Proportional zur Flächenaufteilung zahlt die Stadt 80 Prozent der Gesamtkosten, die Kirche 20 Prozent. Ausgenommen von der 80:20-Kostenaufteilung sind sogenannte besondere Ausstattungen, die nur einer der beiden Nutzer braucht. Eigentlich sollte der Baubeschluss schon 2020 fallen, nun soll es 2024 werden.
Und die Kosten sind gestiegen: Aus anfangs 143,8 Millionen Euro wurden zunächst 183,6 Millionen Euro, nun sollen es dem Vernehmen nach 209 Millionen Euro sein. Bestätigt ist die Summe offiziell aber noch nicht. Demnach müsste die Stadt rund 167 Millionen Euro zahlen und die Kirche rund 42 Millionen Euro statt anfangs geschätzter 27,5 Millionen Euro – und das in Zeiten gestiegener Zinsen und explodierender Baukosten. Kann die Hohe Domkirche diese Summe stemmen?
Zweifel und Gerüchte über Absetzbewegungen wabern schon länger durchs Rathaus, unter anderem wegen der teils schlechten Jahresabschlüsse der Hohen Domkirche. Den Vertrag hat die Stadt nun einmal mit ihr geschlossen und nicht mit dem weitaus finanzstärkeren Erzbistum.
Zwar hat die Domkirche im vergangenen Jahr ein Plus von knapp 420.000 Euro gemacht, in den beiden Jahren zuvor waren es aber jeweils minus 740.000 Euro und minus 2,4 Millionen Euro. Unter anderem die Corona-Krise nennen die Verantwortlichen als Grund. Aus Rücklagen wurden negative Jahresergebnisse aber immer ausgeglichen. Das angegebene Eigenkapital betrug 2022 insgesamt 11,03 Millionen Euro.
„Die Kirche muss jetzt genau auf ihre Zahlen schauen“, ist mit Blick auf das Projekt aus dem Rathaus zu hören. Und dass beide Seiten viele Optionen diskutieren, unter anderem ob die Stadt alles bezahlt und die Kirche die Räume mietet. Eine offizielle Bestätigung gibt es nicht, manche halten das für ausgeschlossen. Auf eine denkbare Veränderung der Kostenaufteilung angesprochen, geht Dombaumeister Peter Füssenich inhaltlich darauf nicht ein, er sagt: „Wir sind in Gesprächen mit der Stadt.“ Noch sei keine Entscheidung gefallen, es müssten noch einige Fragen geklärt werden.
Laut Füssenich befürwortet die Hohe Domkirche die Historische Mitte aber nach wie vor, „wir sind weiter sehr zuversichtlich“. Seiner Aussage nach wird das Domkapitel eine Entscheidung treffen, sie ist vor der Ratssitzung vorgesehen. Das Kapitel hat laut Erzbistum Köln vier Aufgaben, eine davon ist die Verwaltung des Vermögens. Ein Beteiligter sagt, es sei völlig normal, dass beide Partner vor dem Baubeschluss nochmal in sich gingen und berieten.
Was passiert mit Zeughaus und Kurienhaus?
Selbst wenn sich beide Seiten oder nur eine Seite dagegen entscheiden sollten: Das Kurienhaus ist veraltet. Die Kirche müsste es vermutlich sanieren oder neu bauen, für ebenfalls viel Geld. Und das Stadtmuseum müsste möglicherweise wieder komplett ins Zeughaus ziehen, das jetzt nur als eine Dependance für das Stadtmuseum zusätzlich zur Historischen Mitte vorgesehen ist.
Diese neuen Pläne hatte Reker dieses Jahr überraschend präsentiert. Das denkmalgeschützte Haus ist zwischen 1594 und 1606 erbaut worden, es waren vor vielen Jahren 91 Millionen Euro für eine Sanierung samt Erweiterung vorgesehen, die nie realisiert wurde. „Mit 100 Millionen Euro muss man da schon rechnen“, sagt ein Beteiligter. Die Kosten für das Zeughaus kommen zu den Kosten für die Historische Mitte noch dazu.
In den nächsten Wochen beraten die Fraktionen über die Historische Mitte. OB Reker verwies im Interview auf die Liste der Großbauprojekte inklusive der „Mitte“, sie sagte: „Ich stelle die Transparenz her. Den Rest muss der Rat entscheiden.“