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Tabuthema EndometrioseExtreme Regelschmerzen haben oft eine gefährliche Ursache

Lesezeit 4 Minuten
severinskloesterchen

Seit diesem Jahr ein „klinisches Endometriose-Zentrum“: das Kölner Severinsklösterchen.

Südstadt – Auf allen Vieren, gekrümmt vor Schmerzen, zum Kühlschrank kriechen: Einmal im Monat war das für Nina S. normal. Die heute 37-Jährige litt seit rund zehn Jahren unter extremen Regelschmerzen. Medikamente halfen kaum. Tees, Wärmflaschen und Ratschläge wie „Füße hochlegen“ und „weniger Stress“ schon gar nicht.

Regelmäßig Regelschmerzen

Als sie ihrer Frauenärztin davon berichtet, verdreht die ihre Augen. Stellt sie sich an? Schmerz ist schließlich subjektiv. „Da habe ich wohl einfach Pech“, denkt Nina S. irgendwann und akzeptiert, dass sie die Tortur mit peinigender Regelmäßigkeit durchleben muss.

Der erste Tag ist immer der schlimmste. Fällt er auf einen Werktag, bleibt die Kindergarten-Erzieherin zu Hause und nimmt eine große Portion Schmerzmittel. Dass die Leiden eine krankhafte Ursache haben und sogar behandelt werden können, erfährt sie erst spät.

Kinderwunsch blieb unerfüllt

Ausschlaggebend war schließlich ihr Kinderwunsch, der lange unerfüllt blieb. Erst ein Besuch im Severinsklösterchen bringt schließlich Klarheit. Das Ergebnis einer Gebärmutter-Untersuchung: Nina S. leidet an Endometriose. Zwischen sieben und 15 Prozent aller Frauen sind davon betroffen. Trotzdem ist die Krankheit weitgehend unbekannt.

Ein Gewebe, ähnlich der Schleimhaut in der Gebärmutter, breitet sich bei den erkrankten Frauen im Bauchraum aus. Bauchfell und auch andere Organe bzw. Körperteile wie Eierstöcke, Eileiter, Blase und Darm, selten sogar Lunge oder Gehirn, können betroffen sein.

Während der Menstruation verhält sich das Gewebe wie die Innenseite der Gebärmutter, es blutet und schmerzt - die Ursache für die Schmerzen von Nina S. und die ausbleibende Schwangerschaft.

Regelblutung ohne Schmerzen

Einmal erkannt, kann ihr schnell geholfen werden. Einen Tag nach der Operation im Krankenhaus der Augustinerinnen kann sie nach Hause. Drei Löcher im Bauch, mehr ist nicht zu sehen. Und kurz darauf erlebt sie ihre erste Regelblutung ohne Schmerzen. „Mir hat fast etwas gefehlt“, sagt sie heute.

Im nächsten Zyklus wird sie schwanger. Ihre Tochter ist inzwischen anderthalb Jahre alt und ein Brüderchen verstärkt die Familie voraussichtlich im Oktober. Bei aller Freude: „Ich kann nicht verstehen, dass so oft einfach nicht nachgeschaut wird, eine Krankheit noch nicht einmal in Erwägung gezogen wird“, sagt sie.

Sechs Jahre bis zur Diagnose

Im Schnitt vergehen sechs Jahre vom ersten Auftreten der Symptome bis zur Diagnose. „Man redet nicht über Regelschmerzen“, sagt Nina S. Oft vergehen Jahre, bis Frauen überhaupt ihrem Arzt oder ihrer Ärztin von den Beschwerden berichten.

Und immer noch gibt es Ärzte, die das Gefühl vermitteln, starke Schmerzen gehörten zum Zyklus der Frau. In jüngster Zeit jedoch ist Endometriose in der Öffentlichkeit präsenter: Zuletzt sorgte die betroffene Lilly Becker, Ehefrau von Boris Becker, für Aufmerksamkeit. Auch an einer besseren Versorgung für Endometriose-Patientinnen wird seit einigen Jahren gearbeitet.

Eine Patientenvereinigung zertifiziert mit einer Forschungsstiftung Ärzte und Krankenhäuser, die sich durch Weiterbildungen und besondere Angebote wie etwa Endometriose-Sprechstunden als Anlaufstelle eignen. Auf einer Webseite sind acht Frauenarzt-Praxen in Köln aufgeführt, außerdem die Krankenhäuser Weyertal und Hohenlind.

Kölner Klösterchen ist spezialisiert

Auch das Krankenhaus der Augustinerinnen im Severinsviertel ist seit kurzem Anlaufstelle auf der Liste. Die gynäkologische Abteilung des im Volksmund Klösterchen genannten Krankenhauses hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Krankheit auseinandergesetzt.

„Die Sensibilität ist gewachsen“, sagt Chefarzt Jan Schmolling über das gewandelte Bewusstsein bei Ärzten und Patientinnen. In diesem Jahr rechnet er mit 150 bis 180 Frauen, die er und Kollegen mit Hilfe einer Bauchspiegelung auf Endometriose untersucht haben werden. Entdecken sie wuchernde Stellen, werden die „Endometriose-Herde“ gleich entfernt.

Die Krankheit ist unheilbar

Je nach Lage kann das ein kleiner oder schwererer Eingriff sein. Obwohl es den Frauen danach besser geht: Die Krankheit ist unheilbar und die Ursache nicht geklärt. Bei manchen Frauen bildet sich das entfernte Gewebe deshalb nach einiger Zeit neu. Auch das müssen Ärzte abwägen, wenn sie entscheiden, wie weiträumig sie die Wucherungen entfernen.

Die Operationen dauern demnach zwischen 45 Minuten und fünf Stunden. Sie sind für Schmolling und sein Team Alltag - inzwischen. Hinter ihnen liegt ein längerer Prozess.

Sprechstunde für Betroffene

Schmolling und zwei seiner Kolleginnen sowie einige Pflegekräfte haben Fortbildungen absolviert. Sie haben eine Sprechstunde für Betroffene im Klösterchen eingerichtet und auch die Kollegen der anderen Fachrichtungen im Haus über Symptome und Diagnose aufgeklärt. Normale von krankhaften Regelschmerzen zu trennen sei einfach schwierig, sagt Schmolling.

Er und seine Kollegen müssten sich dafür viel Zeit nehmen, obwohl das Krankenhaus erst durch die stationäre Behandlung Einnahmen erziele. Eine Bauchspiegelung sei aber in jedem Fall ein Eingriff, der nicht ohne weiteres veranlasst werde.

Ohnehin müsse nicht jede Patientin mit Endometriose operativ behandelt werden. Manchmal helfe eine Hormontherapie. Letztlich hänge die Entscheidung aber auch vom Leidensdruck der Frau ab.

Nina S. ist glücklich mit der Behandlung in seiner Klinik. „Ich freue mich auf eine schmerzfreie Zukunft“, sagt sie.

Im Krankenhaus der Augustinerinnen, Jakobstraße 27-31, informieren die Gynäkologen am Mittwoch, 27. September, über die Krankheit Endometriose.

Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr in der Alten Cafeteria. Auch Jan Schmolling wird sprechen. Die Stiftung Endometriose-Forschung hat das Krankenhaus unter Beteiligung der Endometriose-Vereinigung in diesem Jahr als "klinisches Endometriose-Zentrum" anerkannt. www.endometriose-vereinigung.de