Köln – Für die Afghanistan-Kundgebung am Dienstag in Köln waren eigentlich nur 20 Leute angemeldet, am Ende entwickelte sie sich zu einem Demonstrationszug von „mehr als 1000 Menschen“, wie Juliane Antoine von „Afghanistan not safe“ schätzte. Auch die Polizei sprach von „750 bis 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern“.
Ab 16 Uhr traten Menschen mit Fluchterfahrungen und solidarische Kölner Bürgerinnen und Bürger vor dem Büro der CDU Köln auf, um ihre Stimme für die Unterdrückten in Afghanistan zu erheben und ihrem Ärger Luft zu machen. Der Demonstrationszug verlief durch die Altstadt über den Heumarkt bis zum Neumarkt. Ein orangenes Banner mit der Aufschrift „Fight Fortress Europe – Bekämpft die Festung Europa“ wurde an der Spitze des Zuges neben den Afghanistan-Flaggen ausgerollt.
Das lose Bündnis „Afghanistan not safe Köln-Bonn“, das einmal monatlich gegen Abschiebeflüge in das zentralasiatische Land protestiert, organisierte die Kundgebung gemeinsam mit den Hilfsorganisationen „Seebrücke“ und „sea-eye“.
Kai Eichelmeyer von letzterem formulierte die Forderungen klar: „Die Ortskräfte vor Ort müssen schnellstmöglich evakuiert werden. Aber auch sonst brauchen wir legale und sichere Fluchtwege für alle. Die Menschen dürfen nicht wieder mit provisorischen Booten über das Mittelmeer kommen, es muss geholfen werden.“
Die Worte Armin Laschets und anderer Spitzenpolitikerinnen und Politiker, dass man für „Hilfe vor Ort“ sorgen müsse, seien für ihn schlicht unrealistisch. „Für fast alle Nachbarländer gilt eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Hilfe vor Ort ist einfach nicht möglich.“ Deshalb protestiere man auch vor dem CDU-Büro in Köln, die Politik solle sich bewegen.
„Es gibt viele angekündigte Selbstmorde“
Schicksale, die auf der Kundgebung erzählt werden, ernten Applaus. Auch Antoine erzählt von einer Freundin in Kabul, die sich eine „Todesspritze“ besorgt hat, sollten die Taliban in ihr Haus eindringen. „Es gibt viele angekündigte Selbstmorde.“
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Nosratullah, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, sprach nicht in das Mikrofon. Doch auch er wartet sehnsüchtig in Deutschland auf Nachrichten aus Afghanistan. Mit glasigen Augen erzählt er von seiner Familie. „Meine Frau und meine siebenjährige Tochter sind aus Kabul geflohen. Zu Fuß sind sie seit zwei Tagen unterwegs in Richtung der pakistanischen Grenze.“ Er mache sich Sorgen, noch gestern habe er mit seiner Großmutter telefoniert, die ihm von der Gewalt der Taliban in der Nachbarschaft erzählte. „Aber sie ist krank und konnte meiner Frau und Tochter auch nicht helfen.“ Als er sich verabschiedet und wieder der Demonstration anschließt, sagt er: „Hier ist man wenigstens nicht allein.“