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Prominente im Kölner Hotel SavoyEndstation Sehnsucht - das Phänomen Hotel Savoy

Lesezeit 7 Minuten

Götz George ist Stammgast.

Köln – Wer in Köln übernachten will, muss entscheidungsfreudig sein. In Deutschlands viertgrößter Stadt kann man zwischen 30.367 Hotelbetten in 273 mehr oder minder luxuriösen Unterkünften wählen. Der auswärtige Gast könnte ein Quartier mit Dom-Blick haben, Rheinpanorama buchen oder in historischen Gemäuern schlummern. Doch all das wollen die Stars aus dem Showbiz offenbar nicht.

Die Mehrzahl logiert seit Jahren in einem ehemaligen Bürohaus, das unmittelbar an einer der innerstädtischen Verkehrsschneisen liegt. Lauschig ist anders. Dennoch wirkt dieser achtgeschossige Klotz wie ein Magnet für die Menschen, die uns regelmäßig im Fernsehen begegnen und in unserer Wohnzimmerwelt zu vertrauten Mitspielern geworden sind.

Heimat statt Hotel

Gewiss checken auch im Hyatt, im Excelsior Ernst oder im Hotel im Wasserturm namhafte Künstler ein. Im Savoy hingegen checkt man nicht ein, man steigt auch nicht ab, man kommt an – oder anders gesagt: Man kommt heim.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Würde der Kölner zwischendurch mal sein eigenes Bett gegen eins der 200 Savoy-Betten tauschen, könnte es passieren, dass er im Aufzug Götz George im Bademantel träfe. Das Haus sei für ihn eine Art familiärer Ersatz, stellte der Schauspieler bereits vor Jahren fest. „Wenn ich hier reinkomme, dann freut man sich.“ Man freue sich nicht auf Götz George, den Star, sondern auf den Menschen, dessen angestammte Schlafstätte inzwischen inoffiziell Götz-George-Suite heißt.

Es ist ein ganz gewöhnlicher Mittwochvormittag: Vor dem Hotel-Eingang steht ein unauffälliger Mann mit Koffer und spricht in sein Handy. Die Worte sind kaum vernehmbar, deshalb erkennt man den Gast nicht gleich als Hans-Joachim Heist, den Choleriker aus der Heute-Show. Im Durchgang zum Fitnessclub stößt man auf einen Menschen in Bomber-Lederjacke, den man aufgrund der Haarfarbe unschwer als Ben Becker identifizieren kann. Der dritte Prominente innerhalb weniger Minuten ist Deutschlands bekanntester Pferdeschwanzträger: Komiker Bülent Ceylan diskutiert im Kaminzimmer mit drei anderen Herrschaften. Würde man sich dort in einen Sessel setzen, müsste man nicht lange ausharren, bis der nächste Star hereinspaziert käme.

Obwohl: Das Warten auf Thomas Gottschalk hat in der Vergangenheit durchaus schon mal länger gedauert, weil der Moderator im Savoy so gerne auf der Herren-Toilette weilt. Man kann es nachvollziehen. Wo sonst blickt ein Mann hinter der Tür mit dem „H“ jenseits aller wichtigen, aber sachlichen Installationen auf eine ausnehmend bunte, attraktive Unterwasserwelt?

In dem Fernsehfilm „Tod in Istanbul“ durften die riesigen in die Wand eingelassenen Meereswasseraquarien sogar eine richtige Rolle spielen und den Anschein erwecken, als seien sie Bestandteil einer Diskotheken-Toilette. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Heino Ferch, Jürgen Vogel und weitere Mitwirkende in diesem von Matti Geschonneck gedrehten Krimi ebenfalls Savoy-Stammgäste sind.

Jürgen Vogel bewohnt am liebsten die Buddha-Suite in der sechsten Etage. Sänger Roger Cicero fühlt sich nach eigenen Angaben in der James-Bond-Suite am wohlsten, wo er nur in einen Koffer greifen müsste, um vom Bett aus sämtliche 007-Filme schauen zu können. Ein Altkölner mit Hollywood-Glanz, der Schauspieler Udo Kier, behauptet, in den Zimmern des Savoy so gut träumen zu können – „in jedem Zimmer einen anderen Traum“. Barbara Schöneberger findet das Savoy so schön, dass sie sich am liebsten „alles einpacken“ ließe.

Abgesehen davon, dass dafür eine respektable LKW-Flotte vorfahren müsste, fiele eine groß angelegte Räumung vermutlich gar nicht weiter auf, weil Hoteleignerin Gisela Ragge im Handumdrehen neues Inventar heranschaffen ließe. Es mag nicht sonderlich charmant klingen, aber gemessen an den Verwandlungskünsten dieser ehemaligen Ursulinenschülerin ist selbst das Chamäleon eine nur mäßig talentierte Echse.

Ragge wechselt nicht nur Farben oder Tapeten, sondern mitunter auch Türen und Fenster schneller, als mancher Gast gucken kann. „Sie macht nicht erst die Hälfte und bestückt die mit Ikea-Möbeln, sondern sie klotzt von vornherein“, charakterisiert Götz George seine Lieblings-Gastgeberin. Die 61-Jährige liebt die Veränderung. Ihr Leben ist eine Dauerbaustelle, ihr Ziel die absolute Zufriedenheit ihrer Gäste. Für sie reißt sie Wände ein und Böden raus, begrünt Dächer und schafft blühende Oasen, wo man sie kaum für möglich halten würde.

„Eigentlich keine Ahnung“ von Hotels

Als sie vor 31 Jahren in dem Bürogebäude die drei Etagen des damaligen Hotel Turin übernahm, ahnte niemand, dass das Haus zum bevorzugten Logierbetrieb der Stars avancieren würde. Ragge selber hatte vom Hotelgeschäft „eigentlich keine Ahnung“. Dadurch, dass sie ihrem Mann Robert Ragge, dem Gründer des Hotel Reservation Service (HRS), als junge Frau beim Aufbau seines Kölner Unternehmens geholfen hatte, war ihr die Branche jedoch nicht völlig fremd. Und sie kannte sich mit Reservierungen aus. Weil die vierfache Mutter gerne noch ein bisschen was nebenher machen wollte, beschloss sie, „Dienstleisterin aus Leidenschaft“ zu werden. Wann immer sie in der Welt unterwegs war, suchte sie nach Vasen, Skulpturen oder Spiegeln, mit denen sie die Einrichtung ihres Hauses noch individueller gestalten konnte.

Nachdem sie 1990 gemeinsam mit ihrem Mann das gesamte Gebäude gekauft hatte, wandelte sie sukzessive auch die übrigen Stockwerke in Hotelzimmer um; jedes anders als das vorherige. Und da Schauspieler während ihrer Dreharbeiten oft andere Anforderungen an ihre Umgebung stellen, als der Übernachtungstourist sonst, kaufte Ragge in den zurückliegenden drei Jahren insgesamt sieben Gebäude am benachbarten „Eigelstein“, ließ diese abreißen und errichtete Gebäude für Künstler-Apartments. 51 sind es insgesamt.

Kritik am Umbau

Die Reaktionen auf diese deutliche Veränderung im Straßenbild fielen nicht durchweg freundlich aus. Kritikern, darunter die ehemalige Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner, die von einem „rabiaten Eingriff“ spricht, hält Ragge indes entgegen, dass sich die Häuser in miserablem Zustand befunden hätten. Sie selber sieht in der Erweiterung ihres Hauses eindeutig eine Aufwertung des Viertels und unterstreicht, dass ihre Dauergäste schließlich zusätzliches Geld ins Veedel und die umliegenden Lokale und Geschäfte trügen.

Gisela Ragge hat das Tagesgeschäft vor elf Jahren ihrer Tochter Daniela (37) übergeben, die wie ihre Mutter den opulenten Stil liebt und der Meinung ist, „in Hotelzimmern schon mal etwas dicker auftragen zu dürfen“. Mit einem Augenzwinkern sagt die inzwischen dreifache Großmutter Gisela Ragge: „Wir geben uns Mühe, die Nüchternheit in Grenzen zu halten.“

Wer eine reduzierte oder gar puristische Umgebung zum Übernachten braucht, ist im Savoy definitiv fehl am Platz. Ähnlich wie auf den Bildern von Gisela Ragges Lieblingskünstler Andreas Reimann aus Wien dominieren auch bei der Einrichtung Karamell-, Pflaumen- oder dunkle Violetttöne in Kombination mit schwarzen oder goldenen Polstern und dunkelbraunen Holzböden.

Ungeachtet all ihrer Umwandlungsbemühungen ist Gisela auch bei ihrem jüngsten Projekt, den Apartmenthäusern, vor dem Eimer mit weißer Wandfarbe zurückgeschreckt.

Dass selbst Künstler mit Raubein-Image wie Armin Rohde das Savoy lieben, mag verwundern, ist jedoch im Gästebuch belegt. Vielleicht liegt es daran, dass im Savoy mit Ausnahme von Barkeeper, Hausmeister und Nachtportier ausschließlich Frauen – 55 insgesamt – angestellt sind; etliche bereits seit Jahrzehnten.

Hinzu kommt, dass sich die VIPs absolut auf die Diskretion ihrer Gastgeberinnen verlassen können. Dass bis Anfang vergangener Woche die britische Schauspielerin und zweifache Oscar-Preisträgerin Emma Thompson im Hause war, hat niemand gewusst. Thompson steht derzeit für „Alone in Berlin“, die Verfilmung des Fallada-Romans „Jeder stirbt für sich allein“, in mehreren deutschen Städten vor der Kamera. „Ich liebe the Savoy“, schrieb sie gerade erst ins Gästebuch.

Hollywoodstar Sir Ben Kingley ist darin sogar mehrfach vertreten. „Thank you for making the impossible possible“ (Danke dafür, dass ihr das Unmögliche möglich macht), schrieb der Weltstar, als er mit dem Kollegen Anthony Hopkins zu Dreharbeiten für den Actionfilm „Autobahn“ in Köln war.

„Seit 20 Jahren immer wieder gerne“, lautet das Statement von Suzanne von Borsody. „Danke für alles – vor allem für schön erlebte Lebenszeit“, schrieb Barbara Schöneberger kürzlich.

Am morgigen Dienstag finden in der Kölner Marienburg wieder die Jurysitzungen für die Emmy-Awards statt. Wie in den Vorjahren kommen für diesen weltweit wichtigsten Fernsehpreis zahllose namhafte Schauspieler an den Rhein und bewerten die Beiträge.

Im vergangenen Jahr konnte man im Zuge dieses Events neben TV-Kommissaren auch „Tatort-Reiniger“ Bjarne Mädel durchs Foyer laufen sehen. Morgen Nacht wird die Promi-Dichte dort wieder extrem hoch sein. Als ob man als Star in Köln nur in einem ehemaligen Bürohaus an einer sechsspurigen Verkehrsschneise Quartier finden könnte.