In Köln hatte Time Ride 2017 seinen ersten Standort eröffnet, jetzt hat die Firma finanzielle Probleme. So geht es weiter für das Unternehmen.
Virtuelle Zeitreise in die VergangenheitBeliebte Kölner Attraktion beantragt Insolvenz
Der Betreiber der virtuellen Zeitreisen in die Vergangenheit am Alter Markt, die Time Ride GmbH, hat wegen finanzieller Probleme einen Antrag auf Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gestellt. Das bestätigten sowohl das zuständige Frankfurter Amtsgericht als auch Gründer und Geschäftsführer Jonas Rothe dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Laut eigener Aussage gilt das Unternehmen in seinem Bereich „als führend in Europa und darüber hinaus“. Der Unternehmenssitz ist in Frankfurt, laut Rothe entwickelt es die Filme aber am zweiten Sitz in Köln am Alter Markt.
An sechs Standorte in Deutschland bietet Time Ride seine virtuellen Zeitreisen über spezielle Brillen an, den Auftakt machte Köln im Jahr 2017. In Köln können sich die Gäste beispielsweise 45 Minuten lang einen Film über das Köln der 1920er-Jahre anschauen, auf der Internetseite heißt es: „Taucht ein ins Köln der Goldenen Zwanziger.“
Oder die Besucherinnen und Besucher können auf Stadtführungen 90 Minuten die 2000-jährige Geschichte Kölns erleben oder 60 Minuten lang den Bau des Kölner Doms verfolgen. Die Preise betragen zwischen elf und 29,90 Euro je Karte. 2018 hatte Time Ride den zweiten Platz beim Deutschen Tourismuspreis belegt.
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Kölner Standort hat die meisten Gäste
Laut Rothe hat der Kölner Ableger die meisten Gäste, im Vorjahr waren es rund 120.000 der bundesweit 400.000 Besucherinnen und Besucher. Rothe sagte: „Köln war und ist unser stärkster Standort.“ In Köln gab es im Januar den millionsten Besucher aller Standorte. Weitere Standorte sind Dresden, Frankfurt, München, Berlin und das Kloster Andechs in Bayern.
Die Sanierung unterstützt das Büro „Planer und Kollegen“, dessen Geschäftsführer Thomas Planer sagte: „Die Kunden werden von dem Verfahren nichts mitbekommen, alle Zeitreisen werden weiter angeboten, alle Tickets und Gutscheine behalten ihre Gültigkeit.“ Rund 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt das 2016 gegründete Time Ride, sie behalten nach den Aussagen von Planer ihre Jobs.
Corona-Pandemie als Ursache
Rothe erklärte das Insolvenzverfahren mit der Corona-Pandemie und unter anderem den währenddessen ausgesetzten Tilgungen der aufgenommenen Kredite. Diese würden nun fällig und das Unternehmen könne sie nicht zahlen. Zudem sei der Umsatz in der Pandemie nahezu auf null gesunken und die Kosten durch den Ukraine-Krieg seien gestiegen. „Ich glaube an das Geschäftsmodell“, sagte Rothe.
Von 2016 bis 2020 machte die Gesellschaft mit beschränkter Haftung laut der Geschäftsberichte jedes Jahr Verluste, Ende 2021 betrugen die Verbindlichkeiten demnach rund fünf Millionen Euro. Im Jahr 2021 lag laut Bericht der Jahresüberschuss bei rund 171.000 Euro. Rothe sagte: „Es ist eine paradoxe Situation, wir hatten im vergangenen Jahr das umsatz- und besucherstärkste Jahr.“
Neue Investoren gesucht
Sanierungsunterstützer Planer erklärte die Verlust-Jahre mit einem „investivintensivem Geschäft“ wie etwa der Entwicklung der Filme oder der Eröffnung neuer Standorte. Die Verluste in der Bilanz entstünden durch die Abschreibung der Investitionen, „der Betrieb schreibt schwarze Zahlen“. Damit das Unternehmen saniert werden kann, sollen laut Planer die Gläubiger auf Geld verzichten und weitere Investoren gefunden werden.
Im Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung bleibt Rothe der Geschäftsführer, Planer unterstützt ihn, das Gericht hat zudem Rechtsanwalt Götz Lautenbach als Sachwalter bestellt. Das unterscheidet das Verfahren vom öffentlich bekannteren Insolvenzverfahren, bei dem ein Insolvenzverwalter die Geschäfte übernimmt.
Planer begründet die Vorteile damit, dass die sogenannte Insolvenzquote höher sein könnte. Der Begriff bezeichnet den Teil des Geldes, das die Gläubiger am Ende erhalten. Trotzdem sehen sie einen großen Teil des eingesetzten Geldes nicht wieder. Für Rothe ist der Vorteil, dass sein Unternehmen danach befreit von den Schulden ist.
Sachwalter eingesetzt
Dirk Wegener, Anwalt beim Prüf- und Beratungsunternehmen „dhpg“ und Mitglied des Arbeitskreises Insolvenzwesen Köln, sagte zum Verfahren: „Bei einem Eigenverwaltungsverfahren macht der Schuldner das, was der Insolvenzverwalter in einem herkömmlichen Verfahren macht, selbst. Auf den ersten Blick wirkt es bei einem Eigenverwaltungsverfahren daher so, als würde der Bock zum Gärtner gemacht werden. Das Gericht bestellt daher einen Sachwalter, der darauf achtet, dass die Gläubiger durch die Anordnung der Eigenverwaltung keine Nachteile erleiden.“
Es gibt laut Wegener hohe Hürden für die Eigenverwaltung, beispielsweise müsse der Schuldner im Insolvenzantrag bereits ein Sanierungskonzept darlegen. „Allerdings ist auch nicht jedes Verfahren für die Eigenverwaltung geeignet. Wenn die Gläubiger kein Vertrauen in den Schuldner haben, kann ein Eigenverwaltungsverfahren nicht funktionieren. Für den Unternehmer ist ein Eigenverwaltungsverfahren attraktiv, weil er das Ruder weiterhin in der Hand hält und nicht an einen Insolvenzverwalter abgeben muss.“ Es helfe, wenn der Unternehmer das Verfahren früh beantrage, dann seien die Chancen höher.