- Die Absage des Oktoberfestes könnte ein Indikator dafür sein, was mit dem Kölner Sessionsauftakt der Jecken am 11.11. passiert. Müssen wir uns am Ende sogar auf eine Session ohne Karnevalsfeiern einstellen?
- Wir haben Kölner Karnevalisten befragt, wie sie derzeit ihre Sitzungen planen und von welchen Szenarien sie ausgehen.
- Das Festkomitee müsse bis zum Spätsommer klare Ansagen machen, fordert die Ehrengarde. Insgesamt überwiegt aber eine optimistische Haltung.
- Lesen Sie hier alle Einschätzungen.
Köln – Das 187. Münchner Oktoberfest, das vom 19. September bis 4. Oktober 2020 stattfinden sollte, wurde am gestrigen Dienstag abgesagt, obwohl das bundesweite Verbot von Großveranstaltungen derzeit nur bis Ende August gilt. Ist die Absage des traditionellen bayrischen Volksfestes (Wirtschaftswert weit mehr als eine Milliarde Euro) ein Fingerzeig auch für die vier Wochen später stattfindende Sessionseröffnung des Kölner Karnevals?
Noch sind die Karnevalsoffiziellen recht entspannt, auch wenn sie bedauern, dass das Vereinsleben derzeit fast auf Null gefahren ist. Lediglich Vorstandssitzungen finden in Form von Videokonferenzen statt. Für den 11.11. benötige man in Köln deutlich weniger Vorlauf für den Aufbau als in München. Deshalb könne man auf eine neue Entscheidung der Bundesregierung zu Großveranstaltungen, die für Ende des Sommers angekündigt ist, warten. Dennoch setzten sich die Karnevalisten auch mit dem Szenario einer Verlängerung des Kontaktverbots bis in die Session 2021 auseinander. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat mit einigen von ihnen gesprochen.
Christoph Kuckelkorn (Präsident Festkomitee): Wenn München das Oktoberfest absagt, heißt das nicht, dass Köln wackelt oder die Session in Gefahr ist. Wir planen weiter wie immer, eine gesicherte Situation haben wir erst Ende August. Natürlich haben wir einen Plan B, einen Plan C und alles Mögliche in der Schublade, aber ich bin mir ganz sicher: Es wird 2021 eine Karnevalssession geben. Der Fastelovend ist ein Volksfest, für das Festkomitee und KGs nur einen Teil organisieren. Große Teile des Karnevals nehmen die Kölschen selbst in die Hand. Wir wissen weder, was staatliche Stellen vorgeben werden, noch wissen wir, wie groß die Lust der Menschen in ein paar Monaten sein wird, an Großveranstaltungen teilzunehmen. Das ist jetzt Kaffeesatzleserei.
Dass eine komplette Session ausfällt, kann ich mir nicht vorstellen. Egal, was passiert, irgendwie wird Karneval gefeiert. Es wird ein Dreigestirn geben. Es wird ein Kinderdreigestirn geben. Garantiert. Zudem stehen die Daten ja fest: Proklamation, Fernsehsitzung, Rosenmontagszug. Wir wissen vielleicht noch nicht wie, aber es wird sie geben. Selbst wenn der Zoch in einer anderen Form als gewohnt stattfinden muss – wir haben dazu schon Ideen. Und bislang waren die Menschen immer sehr kreativ, wenn Züge ausgefallen sind.Im Golfkriegsjahr 1991 entstand daraus der moderne Geisterzug. So kann sich auch jetzt etwas Neues entwickeln, das schnell Tradition wird.
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Gerade in Krisenzeiten wollen sich die Menschen ablenken lassen und werden Karneval feiern, vielleicht sogar bewusster als sonst. Der kölsche Fastelovend ist so kraftvoll, wir alle zusammen werden auch aufreibende Zeiten überstehen. Wir konnten alle nicht ahnen, wie perfekt das neue Motto „Nur zesamme sin mer Fastelovend“ auf einmal passt. Das dokumentiert doch den Zusammenhalt in der Stadt. Und diesen Geist des menschlichen Zusammenrückens gilt es auch nach Corona festzuhalten. Denn alleine feiern können wir nicht. Selbst wenn wir virtuell feiern, feiern wir doch zusammen.
Ralf Schlegelmilch (Willi-Ostermann-Gesellschaft): Ich bin grundsätzlich ein optimistischer Mensch, aber als veranstaltende KG der Sessionseröffnung am Heumarkt hören wir derzeit bei allen Entscheidungen ganz genau hin. Wenn es irgendwie geht, dass wir am 11.11. wieder zusammenkommen können, sind wir am Start. Und dann kommen auch die Leute, es kostet ja keinen Eintritt. Falls ein Teil der Karnevalstouristen ausbleibt, macht das nichts. Auch dann hätten wir auf dem Platz keine Löcher. Mit dem WDR, der die Veranstaltung live überträgt, sind wir in Gesprächen, auch über einen möglichen Plan B bei einer Absage. Da untersuchen wir gerade zwei Möglichkeiten. Einmal draußen, aber anders geartet, wenn es praktisch möglich ist. Dafür käme der Heumarkt eher nicht infrage. Oder halt als Studioproduktion ohne Publikum.
Ansonsten sind unsere Sitzungen der kommenden Session weitgehend ausverkauft. Fällt die Session aus, muss alles rückabgewickelt werden. Wir können nicht wie die Arena Konzerte in der Sommer verlegen. Wir wollen keinen Sommerkarneval – unser Brauchtum ist zeitlich eng begrenzt.
Horst Müller (Künstleragentur alaaaf.de): Ich sehe für den 11.11. noch keinen Handlungsbedarf, wir haben ja kaum Vorlauf für den Aufbau, und die Verträge stehen alle. Noch ist alles möglich. Wir sind im Homeoffice und haben Kurzarbeit beantragt, aber ich habe immer konservativ gewirtschaftet, die Agentur würde auch überleben, wenn die Session komplett ausfallen würde. Natürlich beschäftigen wir uns mit dieser Möglichkeit. Wir werden die Zeit nutzen und vorbereitet sein.
Über den Rahmen entscheidet die Politik, aber diesen Rahmen werden wir füllen. Ich glaube an die Kraft des Karneval – er wird so oder so stattfinden, auch wenn er sich vielleicht anders darstellt. Karneval steht für Nähe, auch körperlich. Die kann man schaffen, auch ohne Schunkeln und Bützen. Was sich jetzt schon zeigt, ist eine unglaubliche Solidarität. Wenn etwa die Vorgabe wäre, dass nur jeder zweite Stuhl besetzt werden dürfte im Gürzenich, dann wären die Künstler auf jeden Fall bereit, sich dem anzupassen und auf einen Teil der Gage zu verzichten – wir sägen doch nicht an dem Ast, auf dem wir jahrelang gut gesessen haben.Tomasz Grenke (Lanxess-Arena): Offiziell sind derzeit Großveranstaltungen bis zum 31. August abgesagt. Wir hoffen, danach wieder starten zu können – auch mit den Karnevalskonzerten zum Sessionsauftakt: die verschobene Brings-Polka am 10. November und die Traditionsshow „Immer wieder neue Lieder“ am 14. November.
Hans-Georg Haumann (Ehrengarde): Es ist in der Tat zu befürchten, dass die Session 2021 abgesagt wird, falls es bis dahin keinen Impfstoff gibt oder es zu einer zweiten Welle kommt. Ich erwarte vom Festkomitee – etwa im Spätsommer – eine klare Aussage, wie es weitergeht. Was ist mit Sitzungen? Was ist mit dem Zoch? Was ist mit dem Dreigestirn? Wenn die Session ausfällt, brauchen wir auch kein Dreigestirn. Wenn, dann bitte eine klare Absage für alles. Und keine schwammige Haltung, dass das jeder Verein für sich entscheiden soll und improvisieren kann… – wenn man früh genug Bescheid weiß, ist der finanzielle Verlust überschaubar. Wir überprüfen derzeit alle unsere Verträge mit den Saalvermietern und den Künstlern. Da steht ja eigentlich für 2021 schon alles fest, und für 2022 alles so gut wie fest. Rauszögern kann man nur, ob wir Orden jetzt im Juli oder erst im Herbst bestellen.
Mit zehn Sitzungen und vier Bällen bespaßen wir jede Session rund 22000 Menschen. Jetzt nach Ostern beginnen normalerweise die Wochen, in denen unsere Stammgäste Karten reservieren. Das sollen sie möglichst auch weiterhin machen. Wir als Ehrengarde sagen zu, dass wir bei einem möglichen Ausfall all diese Kosten ersetzen.Gegenwärtig fällt das gesamte gesellschaftliche Leben innerhalb des Korps aus. Keine regelmäßigen Korpsappelle, Senatsversammlungen, Stammtischabende. Auch die dreitägige Herrentour im September nach Amsterdam haben wir abgesagt. Dann machen wir eben im nächsten Jahr eine größere Fahrt.
Joachim Wüst (Große Kölner KG): Derzeit ist ja noch die CSD-Parade im Oktober geplant. Das ist auch ein Umzug. Wenn der laufen würde, sähe es doch für den Rosenmontagszug ganz gut aus. Ein Controller, der monatlich die Finanzen unserer KG untersucht, soll jetzt auch mal ein Worst-Case-Szenario untersuchen. Was haben wir an laufenden Kosten? Was kommt rein an Beiträgen der Mitglieder und was an Einnahmen aus Sitzungen und anderen Veranstaltungen? Oder eben nicht. Ausfälle und Absagen von Sitzungen führen zu nicht unerheblichen Verlusten.Für uns als KG kann ich mir eine Sitzung ohne Publikum nicht vorstellen. Im Fernsehen mag das vielleicht gehen. Shows wie „Let's dance“ funktionieren ja auch ohne Publikum. So wäre vielleicht auch eine Fernsehsitzung möglich.
Joachim Zöller (KG Die Große von 1823): Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass wir den 11.11. rund um den Tanzbrunnen feiern können wie jedes Jahr. Noch sind sechs Monate Zeit. Wir planen erst einmal weiter, aber wenn der Gesetzgeber Vorgaben macht, werden wir uns selbstverständlich daran halten. Bei 11000 Gästen 1,50 Meter Abstand einzuhalten, ginge auf jeden Fall nicht. Wenn der Shutdown so weiter läuft wie bisher, müssen wir neu überlegen. Dann eröffnen wir die Session vielleicht online, mit einer „Zoom“-Sitzung für fünf- bis sechstausend Leute, die sich von zu Hause auf dem Sofa zuschalten können, wenn die Bands auf der Tanzbrunnen-Bühne spielen.
Heinz Günther Hunold (Rote Funken): Die Corona-Krise und ihre Folgen sind schwer planbar. Alle Veranstaltungen samt Verträgen für die kommende Session stehen, und wir müssen abwarten, was die Politik entscheidet. Dann werden wir zeitnah und flexibel darauf reagieren.
Dennoch sind die Auswirkungen schon jetzt gravierend. Die Expo 2020 in Dubai wurde wegen der Pandemie verschoben, weshalb auch der Auftritt der Roten Funken als Vertreter des Landes NRW dort wohl erst 2022 stattfinden kann. Zum großen Jubiläum 2023 wollen wir unsere Wagen für den Rosenmontagszug modernisieren. Wir wollten jetzt zwei neue Baggagewagen in Auftrag geben. Da wir nicht wissen, ob wir in der kommenden Session Einnahmen haben, ist der Plan erstmal auf Eis gelegt.