Initiatorin Christiane Rath über ihre Beweggründe für das Projekt, damit verbundene Wünsche und die Frage, was passiert, wenn es in die WG-Küche hineinregnet.
Reden, schweigen, essen, spülenKölner Künstlerin eröffnet temporäre WG-Küche vor der Agneskirche
Die Kölner Künstlerin Christiane Rath baut nahe der Agneskirche Anfang Juni eine WG-Küche als Installation unter freiem Himmel auf. Ihr Ziel: Begegnungen schaffen. 2022 probierte sie das Ganze erstmals in Frankfurt an der Hauptwache auf Einladung des Deutschen Architekturmuseums. Rath, in Oberhausen geboren, promovierte im Studienfach Romanistik, ist Installationskünstlerin, organisiert gesellschaftspolitische Kunstprojekte und kuratiert Ausstellungen.
Frau Rath, Sie eröffnen am Neusser Platz unmittelbar vor der Agneskirche eine WG-Küche, die vom 7. bis 12. Juni täglich zwischen 11 und 18 Uhr geöffnet ist. Wer gehört zur Wohngemeinschaft?
Christiane Rath: Ich hoffe, dass ich das nicht beantworten kann. Die Menschen kommen einfach vorbei. Ich möchte zufällige Begegnungen schaffen.
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Wäre ein Wohnzimmer mit Standuhr, Sofa und Sessel nicht einladender?
Nicht nach meinen Lebenserfahrungen. Die wichtigsten Dinge haben sich in der Küche abgespielt. Da wurde gespielt, gesungen, gestritten, gekocht, gegessen, getrunken.
Warum haben Sie sich für diesen Ort entschieden?
Ich wollte eine Location finden, wo Menschen mit den verschiedensten Hintergründen leben. Mir ist aufgefallen, dass der Neusser Platz, wenn nicht gerade Markt ist, meistens verwaist ist.
Was sagt die Katholische Kirche zur Aktion?
Die haben das begrüßt. Pastoralreferent Peter Otten hat mich von Beginn an unterstützt. Wir wollen beide Vereinsamung und emotionaler Verarmung entgegenwirken.
Wie statten Sie das Areal aus?
Es handelt sich um eine volleingerichtete Küche. Ich habe einen Kühlschrank, einen Herd, einen langen Küchentisch für acht bis zehn Personen, einen Küchenschrank und eine Spülmaschine. Die ist allerdings ein Fake. Wir müssen per Hand abwaschen. Es gibt zwei Sofas. Was es zu essen gibt, wird sich zeigen. Die Leute können jederzeit etwas mitbringen.
In einer WG gibt es Regeln. Was ist in Ihrer Küche nicht erlaubt?
Jede Art von Propaganda, wie etwa politische Werbung. Es ist nicht verboten, am Tisch politische Gespräche zu führen, aber ich würde es nicht mögen, wenn jemand kommt und seine Flugblätter verteilt.
Wie bewerkstelligen Sie die Logistik und Finanzierung des Projekts?
Das ist ein bisschen Selbstausbeutung. Ich muss investieren, beispielsweise für die Miete eines Anhängers, aber auch in Zeit. Dazu kommt der körperliche Aufwand mit dem Transport und der Installation. Ich werde außerdem eine Woche vor Ort sein. Daher würde ich mich über Spenden freuen. Dafür haben wir eine Crowdfunding-Seite eingerichtet. Unter www.agneskueche.de erfahren die Leute alles über das Projekt und können zur Finanzierung beitragen. Es gibt wahrscheinlich noch eine Zuwendung von der Kirche.
Wie wetterbeständig ist Ihre WG?
Nicht besonders. Wir hoffen auf gutes Wetter, haben aber einen Plan B mit der möglichen Nutzung des Kirchenvorbaus.
Sie haben das Projekt 2022 bereits in Frankfurt am Main durchgeführt. Wie haben die Menschen Ihr Angebot dort aufgenommen?
Es war eine schöne Erfahrung. Viele Leute sind mehrfach gekommen. Manche verweilten schweigend vor Ort, andere kamen intensiv mit mir ins Gespräch. Einige stießen einzeln zu uns, brachen dann zu zweit wieder auf. Die Resonanz lautete: „So etwas müsste es öfter geben“. Das hat vor allem etwas mit der Niedrigschwelligkeit zu tun. Für die Gäste ist alles kostenlos.
Was hat Ihnen das Experiment persönlich gebracht?
Es war beglückend, dass ich bei anderen Menschen etwas Positives auslösen konnte. Es hat mich ermutigt, in dieser Form weiterzumachen und nicht – so wie früher – „nur“ Bilder auszustellen.
Bestehen Pläne für zukünftige Projekte?
Ich würde die WG-Küche jederzeit fortsetzen, denn ich habe den Eindruck, dass wir unseren öffentlichen Raum momentan einer etwas gefühllosen Stadtverwaltung überlassen, die irgendwo Bänke aufstellt. Dabei handelt es sich nicht selten um defensive Architektur gegen Menschen, die sich daraufsetzen oder -legen möchten. Das betrifft nicht nur Obdachlose, sondern auch ältere Leute, die auf Bänken ohne Rückenlehne keinen Halt finden. Der öffentliche Raum gehört allen und sollte dementsprechend gestaltet werden! Wir haben viele Begegnungsorte verloren. Selbst im Supermarkt sorgen die vollelektronischen unbesetzten Kassen dafür, dass es nicht mehr zu einem „Guten Tag“ mit den Angestellten kommt. Die Isolation nimmt zu.
WG-Termine:
Am 8. Juni um 11 Uhr berichten Vertreterinnen der Initiative Maria 2.0 über ihr Vorhaben zur Auflösung der patriarchalischen Strukturen innerhalb der Katholischen Kirche.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Obdachlosenmagazins Draussenseiter treffen sich am 10. Juni ab 12 Uhr zu einer öffentlichen Redaktionskonferenz.
Stadtführer Uli Kievernagel ist am 11. Juni zwischen 14 und 16 Uhr zu Gast in der Küche.