Im Gespräch klagt eine Straßenbahnfahrerin der KVB über den wachsenden Stress im Job – und warum manche Kollegen angeblich krankfeiern.
Kölner KVB-Fahrerin spricht über die Krise„Das schlaucht total – und irgendwann bist du einfach K.o.“
Bei den 1600 Straßenbahn- und Busfahrern in Köln hat sich viel Frust und Stress angestaut in den vergangenen Wochen. Weil der KVB Personal fehlt und der Krankenstand hoch ist, müssen die verbliebenen Fahrerinnen und Fahrer mehr arbeiten. Ihre Pausen werden kürzer, die Schichten unattraktiver, und kurzfristig Urlaub zu bekommen, ist oft nicht möglich.
Unter der Voraussetzung, dass ihr Name und ihr Gesicht nicht in der Zeitung auftauchen, hat sich eine KVB-Fahrerin mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zum Gespräch getroffen. Ihr richtiger Name ist der Redaktion bekannt. Die Fahrerin berichtet vom wachsenden Stress im Job, von fehlender Wertschätzung und verärgerten Fahrgästen, die ihr vor die Bahn spucken. Hier ist ihr Bericht.
Ich fahre seit vielen Jahren Straßenbahn für die KVB, so schlecht wie im Moment war die Stimmung unter den Kollegen und Kolleginnen noch nie. Es knirscht überall. An allen Ecken und Enden fehlt Personal, es fehlen Züge, und ehrlich gesagt fehlt es auch an Wertschätzung des Unternehmens für das, was wir Fahrerinnen und Fahrer jeden Tag leisten. Noch bis Ende Februar läuft eine interne Mitarbeiterbefragung zur Arbeitszufriedenheit – eine so schlechte Bewertung wie diesmal habe ich noch nie abgegeben.
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Die KVB war mal ein Familienbetrieb, ein gemeinsames Wir. Heute steht das nur noch auf Werbeplakaten. Es gibt kein Wir mehr. Die KVB hat ihr Kerngeschäft über die Jahre verschlafen. Statt mehr in Fahrer, Bahnen und Strecke zu investieren, habe ich stattdessen manchmal den Eindruck, wir Fahrerinnen und Fahrer werden nur noch wie Nummern behandelt.
Kürzlich musste ich um 5 Uhr in Merkenich anfangen und wollte von zu Hause mit der Bahn da hin, ich wohne im Rechtsrheinischen. Das ging aber nicht, weil die Bahn ausfiel – dabei war das der allererste Zug an diesem Morgen. Weder auf dem Laufband an der Haltestelle noch in der App stand was davon. Ich kam mit einer halben Stunde Verspätung in Merkenich an und bin dann natürlich auch selbst gleich mit einer halben Stunde Verspätung rausgefahren. Das ist wie ein Rattenschwanz.
Ab und zu fahre ich auch mit dem Auto zur Arbeit. Anders geht es nicht, wenn man um 3.30 Uhr irgendwo in der Stadt sein muss. Manchmal bleibt zwischen Schichtende am Abend und Dienstbeginn am nächsten Morgen nicht viel Zeit. Ich habe also zum Beispiel Feierabend am Neumarkt, muss dann mit der Bahn nach Merkenich, weil da mein Auto steht, fahre von dort nach Hause, esse, schlafe und muss am nächsten Morgen um 5 wieder in Wesseling stehen. Das schlaucht total. Und das ein paar Mal hintereinander, dann bist du irgendwann einfach K.O.
Ein weiteres Beispiel: An bis zu drei Tagen pro Woche haben wir sogenannte Bestimmungsdienste. Das heißt: Wir erfahren immer erst ab elf Uhr, wann und wo wir am nächsten Tag unsere Bahn übernehmen müssen. Das ist für das Unternehmen toll, weil die uns flexibel einsetzen können. Aber für uns bedeutet das Stress.
Wir haben auch kaum noch Wendezeiten, in denen man mal kurz zur Ruhe kommen kann. Die Taktung ist enger geworden. Früher standen wir schon mal 18 Minuten an der Endstation. Heute sind es oft nur acht Minuten, manchmal vier. Das reicht nicht mal, um auf Toilette zu gehen, sonst fährt man schon wieder mit Verspätung los.
Urlaub ist auch so ein Thema. Wir sind so knapp mit Personal, dass man vor allem spontan kaum mehr freibekommt. Ich kenne Kollegen, die gehen schon gar nicht mehr zum Planmacher und beantragen Urlaub, die lassen sich lieber gleich krankschreiben. Das ist sicherer.
Natürlich kriegst du als Fahrerin auch oft den Frust der Fahrgäste zu spüren. Manche spucken gegen die Bahn oder zeigen dir den Mittelfinger, wenn du verspätet einfährst. Ich kann den Ärger grundsätzlich sogar verstehen. Es fällt mir immer schwerer, mein Unternehmen zu verteidigen.
Wenn Sie mich fragen, was sich ändern müsste, nenne ich vier Dinge.
Erstens: Wir brauchen dringend mehr Personal.
Zweitens: die Bezahlung. Die Gehälter müssen zumindest an die Inflation angepasst werden. Als Fahrerin, die lange dabei ist, bekomme ich immerhin noch einige Prämien wie zum Beispiel die sogenannte „Mai-Erholungshilfe“, die die neuen Fahrer teilweise nicht mehr bekommen. Die Einstiegsgehälter müssen steigen, um den Beruf attraktiver zu machen. Ein weiteres Ärgernis ist, dass wir Überstunden erst ab der 16. Minute bezahlt bekommen. Die erste Viertelstunde fahren wir also für die KVB umsonst. Das läppert sich.
Drittens: Die Züge müssen technisch besser werden. Es kann doch nicht sein, dass die Heizung ausfällt, sobald das Thermometer unter Null sinkt. Oder dass man morgens schon mit zwei defekten Türen aus dem Depot fährt, weil angeblich Ersatzteile fehlen, um sie zu reparieren.
Und viertens: Die Dienste müssen wieder attraktiver werden, damit der Stress bei den Kolleginnen und Kollegen abnimmt. Dann würden auch nicht so viele kündigen wie im Moment.
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die KVB um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten – lesen Sie hier die Antworten.
Dieser Text ist erstmals am 7. Februar 2023 veröffentlicht worden.