Am 28. November 1979 ist „Wolfgang Niedeckens's BAP rockt andere kölsche Leeder“ erschienen.
Das Album, das im Annosaal in der Kölner Südstadt vorgestellt wurde, war der Auftakt der großen Karriere der Kölner Band.
Zum Jubiläum haben wir Wolfgang Niedecken an für die Bandgeschichte bedeutende Orte begleitet.
Köln – „Weiter als Wuppertal wären wir wohl nicht mehr gekommen“, meint Wolfgang Niedecken. Ohne dieses erste BAP-Album, das vor 40 Jahren veröffentlicht worden ist.
„Wir wären überhaupt nicht in Versuchung gewesen, auch überregional zu spielen. Stattdessen hätten wir wahrscheinlich weiterhin einmal die Woche bei unseren Jour fixe im Wiegehäuschen des Kalksandsteinwerks in Hersel einen Kasten Bier leergeprobt.“
Aber es kam dann doch anders. Ganz und gar anders. Mit „Wolfgangs Niedecken’s BAP rockt andere kölsche Leeder“, erschienen am 28. November 1979, war die Startrakete für die Rockband-Karriere gezündet. Wie es dazu gekommen ist? Mit Wolfgang Niedecken haben wir eine Rundfahrt zu den entscheidenden Stationen des Premieren-Albums gemacht.
Erst einmal geht es in die Südstadt. „Hier im Chlodwig-Eck haben wir bei offenem Fenster gespielt. Oft bin auch alleine aufgetreten. Da standen die Zuhörer dann draußen auf der Straße und blockierten die Fahrbahn.“ Er habe vor allem lustige Songs angeboten, sagt er, denn wenn das Programm zu ernst wurde, waren die Gäste schnell wieder an der Theke.
Gerade erzählt Wolfgang Niedecken, dass damals die Linienbusse manchmal wegen des Menschen-Auflaufs nicht mehr durchkamen, da hupt der Fahrer der Linie 106. Wir haben den Wagen ungünstig geparkt, mit dem wir unterwegs sind. Doch dem zunächst ernsten Blick des Busfahrers folgt sogleich ein erfreutes Lachen: Den Künstler, na klar, kennt man in der Südstadt wie keinen anderen im Viertel.
Karl-Heinz Pütz stand damals hinter der Theke des Chlodwig-Eck. „Der war sehr, sehr umtriebig und hat geguckt, ob er was für mich machen konnte.“ Eines Tages kam er mit dem Angebot, solo im Vorprogramm der Band „Schmetterlinge“ in der Mülheimer Stadthalle aufzutreten. Ja, warum denn nicht?
Also wechseln wir jetzt die Rheinseite. Gewiss gibt es heimeligere Orte als die Mülheimer Stadthalle an einem November-Nachmittag. Aber es ist ein besonderer Ort für die Album-Geschichte. Denn im Publikum waren auch die Betreiber des Kölner Independent-Labels Eigelstein. Die hatten den Tipp bekommen, sich einmal den „Südstadt-Dylan“ anzuhören.
Einen größeren Saal hatte Niedecken bis dahin noch nicht bespielt. Und was soll man sagen: „Das Programm ist ganz gut angekommen.“ Nicht nur beim Publikum. Unmittelbar nach dem Konzert kam das Angebot von Eigelstein, eine Platte zu machen. „Aber nur mit der Band“, gab Wolfgang Niedecken in Mülheim zur Antwort.
Jetzt also ab ins Studio. „Wir waren damals wirklich Amateure“, sagt Niedecken über sich und die Freunde Manfred und Wolfgang Boecker, Hans Heres, Wolfgang Klever und Bernd Odenthal. Vermutlich hätten die Eigelstein-Verantwortlichen „geistig die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen“, als sie die Band zum ersten Mal in ihrem Proberaum in Hersel besuchten. Aber – das Projekt wurde durchgezogen. Und zum Glück gab es den Produzenten Wolfgang Hamm, „der eine Seelenruhe“ hatte, sowie den Gastmusiker Büdi Siebert, der einige Soli beisteuerte.
Im Studio, gleich hinter dem Dom und unmittelbar an der Nord-Süd-Fahrt gelegen, wird heute noch Musik gemacht. Ekki Maas und Wolfgang Proppe, die das „Musikkollektiv Eigelstein“ bilden und Musiker der Band Erdmöbel sind, begrüßen den Kollegen herzlich, als wir in den Keller hinabsteigen.
rstmals seit 40 Jahren ist Wolfgang Niedecken wieder an dem Ort, an dem die BAP-Karriere Fahrt aufnahm: „Ein sehr gutes Gefühl!“ Überall stehen Gitarren herum, liegen Mikros bereit, ist der Teppich ausgerollt. „Der Schlauch sieht noch genauso aus wie damals“, sagt Niedecken. Er habe nicht damit gerechnet, dass es das alles noch gebe. Und wie schön, dass das Studio von einer solch geachteten Band wie Erdmöbel genutzt werde.
Produktion in Kölner Studio: 20.000 DM Budget
Aufgenommen wurde damals das Programm, mit dem Niedecken im Chlodwig-Eck, in der Opera oder im Exil unterwegs war. Dazu gehörte der Kriegsdienstverweigerungssong „Stell dir vüür“, den BAP noch heute gelegentlich in einem Medley anbietet. Auch „Wahnsinn“, die Cover-Version eines Troggs-Songs, wird zuweilen reaktiviert. Bei der „Zieht den Stecker“-Tour stand „Neppes, Ihrefeld und Kreuzberg“, worin es um den Umgang mit Immigranten geht, auf der Setlist. „Alptraum eines Opportunisten“ würde Niedecken gerne noch einmal spielen, allerdings in einer bluesigen Version. Und „Sinnflut“ war „ein prima Stück“.
Das Budget lag bei 20.000 DM. Das reichte nur für sechs Produktionstage. Und beim Cover wurde auch gespart: Schwarz-weiß statt Vierfarbdruck. Einen bunten Fleck gibt es trotzdem. „Wir haben eine Kitsch-Postkarte vom Dom aufkleben lassen. Eine Notlösung. Heute ist das so etwas wie die Blaue Mauritius.“ Niedecken selbst besitzt noch ein Original. Das liegt geschützt hinter Plexiglas. „Alle anderen Exemplare sind mir abhandengekommen.“
Die Plattenfirma stellte zwei Bedingungen. Es sollte auf dem Album nicht heißen, dass BAP andere kölsche Lieder „spillt“, sondern „rockt“. Und vorneweg sollte Wolfgang Niedeckens Name genannt werden, weil der in der Szene bekannter war als der Bandname. „Das ist das einzige Album, das mein Vater erlebt hat“, sagt Niedecken. „Als Adenauer-Fan fand er die ganzen politischen Unverschämtheiten in den Songs überhaupt nicht gut.“ Der meinte sogar, da müsse doch „e Mädche singe, dat och jet darstellt“. Die Mutter hingegen war begeistert. „Die hat mich bei allen meinen Hirngespinsten unterstützt.“
Premiere im Kölner Annosaal: Die Platten waren noch warm
Von der Innenstadt zurück in die Südstadt. Zurück zum 28. November 1979 im Annosaal, an dessen Stelle sich heute der Ingo-Kümmel-Platz befindet und Autos eine Parkmöglichkeit geboten wird. Das Schauspiel Köln nutzte den Saal auf dem Stollwerck-Gelände als Außenspielstätte, und Intendant Jürgen Flimm hatte ihn der Band für die Platten-Präsentation zur Verfügung gestellt, „weil er uns mochte“.
Erst unmittelbar vor Konzertbeginn wurden die Platten im Annosaal angeliefert. „Die waren noch warm“, erinnert sich Niedecken. „Wir waren total stolz, dass wir so ein Album hingekriegt hatten. Wir hielten uns ja nicht für die Größten, wir waren eher bescheiden. Und dann gingen wir auf die Bühne.“
Innerhalb eines Jahres wurden im Kölner Raum 4000 Exemplare abgesetzt. Nicht schlecht. Aber das war nur der Anfang. „Wir sind dann nach dem zweiten Album zur EMI gewechselt, was uns die alternative Szene ein bisschen übelgenommen hat – aber Eigelstein hatte einfach keinen Vertrieb.“ Mittlerweile sind 300.000 Platten von „Wolfgang Niedecken’s BAP rockt andere kölsche Leeder“ – mit „Deppen-Genitiv“, wie der Künstler heute anmerkt – unter die Fans gebracht worden. Natürlich längst nicht mehr mit aufgeklebter, sondern mit aufgedruckter Domplatten-Postkarte.
Wir sind am Ende der Rundfahrt zum ersten Album angekommen. Wolfgang Niedecken sitzt auf der Parkbank am Ingo-Kümmel-Platz. Neben ihm steht eine Holzkiste mit Kürbissen, die jemand zurückgelassen hat. Es ist frisch geworden. Er schaut sich um und sagt: „40 Jahre ist das her – und wie schnell sind die vergangen.“ In der Zeit ist Wolfgang Niedeckens BAP weit herumgekommen – weit über Wuppertal hinaus.