Als der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zum ersten Mal über den Fall berichtete, schaltete sich auch die Bezirksbürgermeisterin ein. Geschehen ist: wenig.
Solidarität, aber keine HilfeKölner Paar verwahrlost seit Jahren in seiner Wohnung – Hoffnung auf neuen Betreuer
Er hat Herzrhythmusstörungen und Asthma, kann kaum laufen, ist mehrfach gestürzt und hat seit zwei Jahren nicht mehr geduscht. Sie leidet unter der Lungenerkrankung COPD, hat chronische Bronchitis und geht nach einem Bruch eines Wirbels wackelig am Rollator. In der Wohnung stapelt sich der Müll, es stinkt nach Fäkalien und verwesendem Fleisch.
Als der „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor zwei Monaten über Iris und Peter K. aus Weiden berichtete, meldeten sich in der Folge viele Leserinnen und Leser. Einige stellten die Frage, wie es zu so einer Situation kommen konnte – das Paar ist pflegebedürftig, aber weder dement noch suchtkrank oder psychisch beeinträchtigt — andere boten ihre Hilfe an. Auch die Lindenthaler Bezirksbürgersbürgermeisterin Cornelia Weitekamp schaltete sich ein, telefonierte mit dem Paar und stellte Hilfe in Aussicht.
Zustand in der Wohnung in Weiden ist gesundheitsgefährdend
Geschehen ist seit dem Besuch des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und der Berichterstattung Anfang Juni: fast nichts. Iris und Peter K., die seit fast 40 Jahren ein Paar sind, befinden sich weiterhin hilflos in der verwahrlosten Wohnung, in der zu leben stark gesundheitsgefährdend ist. Private Angebote, die Wohnung zu reinigen, konnten auch deswegen nicht realisiert werden, weil die Räume von Profis mit spezieller Schutzkleidung gesäubert werden müssten.
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Hier lesen: Ein pflegebedürftiges Kölner Ehepaar lebt hilflos in seiner völlig verdreckten Wohnung – und niemand hilft
Ein vom Vermieter eingesetzter Gutachter hat schon vor Monaten starken Schimmel- und Mikrobenbefall festgestellt – das Paar trägt in der eigenen Wohnung fortwährend FFP-3-Maske. „Leider hat sich seit der Berichterstattung nichts getan, obwohl sogar die Bezirksbürgermeisterin mit uns telefoniert und ihre Unterstützung signalisiert hatte“, sagt Peter K. „Bewirkt hat das offenbar nichts.“
Die Behörden hatten argumentiert, eine Kernreinigung könne nicht durchgeführt werden, solange sich das Paar in der Wohnung befinde. Pflegedienste weigerten sich mit Verweis auf den Gesundheitsschutz der eigenen Mitarbeitenden, die Wohnung zu betreten. Im Oktober 2023 war dem Ehepaar vom Kölner Amtsgericht ein gesetzlicher Betreuer zugeteilt worden, der laut Aussage von Peter K. lediglich dreimal für fünf Minuten in der Wohnung gewesen sei. Ein Angebot habe er gemacht, zwei Ein-Zimmer-Wohnungen im betreuten Wohnen am anderen Ende der Stadt in Mülheim zu beziehen. „Wir haben aber keinerlei Details zu den Wohnungen erfahren, wussten nur, dass sie mehr als doppelt so teuer gewesen wären wie die aktuelle.“
„Aufgrund des zu diesem Zeitpunkt bereits desolaten Zustands der Wohnung ist es dem Betreuer nicht gelungen, einen Pflegedienst oder eine Alltagshilfe zu installieren“, teilte dazu das Amtsgericht auf Anfrage der Zeitung mit. Der Betreuer habe die Eheleute auf Wartelisten mehrerer Pflegeheime setzen lassen. Den Vorhalt des alten Betreuers, mit dem der „Kölner Stadt-Anzeiger“ auch sprach, das Ehepaar sei nur bedingt kooperativ, will Peter K. so nicht stehen lassen. „Wir haben fast gar keine Informationen über die in Aussicht gestellten Zimmer bekommen, wussten nur, dass es zwei Ein-Zimmer-Wohnungen sind, die je ein Bad haben, und dass sie mehr als doppelt so teuer sind wie unsere Wohnung jetzt. Wir leben aber seit fast 40 Jahren zusammen. Uns kam das wie ein Friss-oder-stirb-Angebot vor.“
In einem Schreiben der Stadt Köln heißt es, die Betreuung könne auch eingestellt werden
In einem Antwortschreiben der Stadt Köln, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, heißt es, ein Fachgutachten könne klären, inwieweit die Vermögensvorsorge des Ehepaars durch die neue Wohnung gefährdet wäre, alternativ könne „die Betreuung eingestellt werden, da sie die Lebensverhältnisse der Betroffenen nicht beeinflussen kann“. Was bedeutet hätte: Die Behörde überlässt das pflegebedürftige Ehepaar seinem Schicksal. Obwohl sie für die Gesundheitsfürsorge verantwortlich ist. Dazu ist es glücklicherweise nicht gekommen.
Im Frühjahr haben Peter und Iris K. einen Wechsel des Betreuers beantragt. Das Amtsgericht hat dem nun stattgegeben. In dem Antwortschreiben an Peter K. heißt es, dass der Betreuer den Wechsel „aus nachvollziehbaren Gründen beantragt“ habe, in dem Schreiben an Iris K. steht, die Betroffene habe den Wechsel „aus nachvollziehbaren Gründen beantragt“. Beides mag zutreffen. Das Amtsgericht äußert sich auf Anfrage nicht – dafür müsste eine Entbindung von der Schweigepflicht, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor zwei Monaten vorgelegt hat, erneuert werden, heißt es.
Fakt ist: Der neue Betreuer hat sich vergangene Woche vorgestellt. „Wir haben einen guten Eindruck und von ihm und sind verhalten optimistisch, dass sich die Situation für uns jetzt verbessert“, sagt Peter K. Bis auf Weiteres bringt der Vermieter, der auch den „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Situation informiert hatte, alle zwei Wochen den Müll runter. Versorgt wird das Ehepaar, das nicht aus seiner Wohnung kommt, notdürftig über Bring- und Botendienste. Gesäubert wird die Wohnung weiterhin nicht. Die Armatur der Klospülung ist herausgerissen, der Kühlschrank verschimmelt, Bad und Böden sind mit Fäkalien verschmutzt. „Uns ist klar, dass wir so schnell wie möglich ins betreute Wohnen wechseln müssen“, sagt Peter K. „Die Situation muss sich ändern – und natürlich werden wir kooperieren.“