Köln – Am Tag nach der Europawahl hat bei den Grünen die Debatte über Konsequenzen auf kommunaler Ebene begonnen. Mit Ergebnissen von über 40 Prozent in ihren Hochburgen und geradezu sensationellen Zahlen auch in Stadtteilen, in denen sie bislang keine große Rolle spielten, können sie selbstbewusst Ansprüche formulieren. „Dass dieses Wahlergebnis auf allen Ebenen etwas bewegen wird, ist klar“, sagt Parteichef Frank Jablonski. Nicht nur in Europa, „auch in Köln geht es um Klimaschutz und ein gesundes Lebensumfeld, um nachhaltige Mobilität und einen starken sozialen Zusammenhalt“, so Parteichefin Katja Trompeter.
Man sei eng verbunden mit den Bewegungen „Fridays for Future“, „Pulse of Europe“, dem Protest für den Hambacher Forst und für die Seenotrettung, so Jablonski. Junge Leute haben die Grünen gewählt, die Mitgliederstruktur der Partei ändert sich. „Supermotivierte, junge Leute“ treten ein. Die Mitgliederzahl wuchs in den zurückliegenden anderthalb Jahren um 60 Prozent an. Es sei klar, dass man auf die Erwartungen der vielen neuen Mitglieder reagieren und diese nun „mitnehmen“ müsse, sagt Fraktionschefin Brigitta von Bülow.
Euphorie und Nachdenklichkeit
Bei den Jungen herrsche Euphorie, bei den Älteren mische sie sich mit Nachdenklichkeit, beschreibt ein erfahrener Politiker die Stimmungslage. Seinen Namen soll man nicht schreiben, weil er nicht als besserwisserischer und entmutigender Politikprofi rüberkommen wolle. Die Grünen stünden vor einer nicht einfachen „Vermittlungsaufgabe“. „Wer die Arbeit im Parlament oder Stadtrat kennt, weiß, wie mühsam das politische Geschäft läuft, wenn man etwas erreichen will.“ Das gilt wohl erst recht, wenn man mit denen kooperiert, die von den aktuellen Protestbewegungen oder einflussreichen Youtube-Stars für die Versäumnisse beim Klimaschutz verantwortlich gemacht werden.
Im Rathaus arbeiten die Grünen mit der CDU zusammen; zum sogenannten Reker-Bündnis gehört auch die FDP – eine der neuen Klientel schwer vermittelbare Konstellation zur Unterstützung der parteilosen Oberbürgermeisterin. Die Parteijugend hat mit Henriette Reker immer gefremdelt. Am Tag nach der Wahl wirbt ihr Sprecher Stefan Pape für einen eigenen Kandidaten in der „grünsten Millionenstadt Europas“. Es gebe Handlungsbedarf. „Das Wahlergebnis verschafft uns viel Spielraum. Die grüne Jugend unterstützt Frau Reker nicht.“
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Jablonski und von Bülow sagen, dass man die Konsequenzen des Ergebnisses parteiintern diskutieren werde. Wichtig sei vor allem die Umsetzung konkreter Inhalte. Beschlüsse gebe es genug, aber zu wenig werde „auf die Straße gebracht“, so Jablonski. Ähnlich äußert sich der Kölner Fraktionschef im Landtag, Arndt Klocke. Man werde ergebnisoffen eine Bilanz der Wahlperiode ziehen. Klar sei, dass „zu einer weiteren Kandidatur von Henriette Reker auch eine inhaltliche Verabredung gehört“. Wenn die Zusammenarbeit enden sollte, wären inhaltliche Differenzen ausschlaggebend, und nicht das Wahlergebnis von Sonntag.
„Haben einen gültigen Vertrag“
Die Christdemokraten, die bei der Europawahl im Stadtgebiet auf 19,8 Prozent abgerutscht sind, messen dem Ergebnis weniger Bedeutung zu als ihr Bündnispartner. Es werde sich weder auf die Zusammenarbeit auswirken, noch auf die Überlegungen für die Oberbürgermeisterwahl im Herbst 2020, sagt CDU-Chef Bernd Petelkau. Entscheide sich Reker für eine erneute Kandidatur, gehe er davon aus, „dass die Kölner CDU sie mit großer Mehrheit unterstützen wird“.
Die „sehr vertrauensvolle Kooperation“ mit den Grünen werde fortgesetzt. Das sei nach der Landtagswahl im Mai 2017 nicht anders gewesen; damals machte die Union Gewinne, und die Grünen mussten Verluste hinnehmen. „Wir haben einen gültigen Vertrag, den haben wir bislang erfolgreich abgearbeitet, und das werden wir weiterhin tun“, sagt CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz.
Der CDU-Landtagsabgeordnete Oliver Kehrl hält eine andere Ansprache junger Menschen für dringend geboten, unabhängig von den Inhalten: „Wir müssen unsere Kommunikation dringend verbessern und mit den jungen Leuten da reden, wo sie sich austauschen und aufhalten. Und das ist überwiegend im Netz.“