Köln – Wer Jutta Landkotsch in ihren Geschäftsräumen erlebt, käme nicht auf die Idee, dass die schlanke Frau im Business-Outfit eine besondere Beziehung zu Trucks haben könnte. Sobald ein 7,5-Tonner bei ihr in den Hof einbiegt, um die mit Backöfen, Herden, Geschirr und Deko-Material vollbepackten Spezial-Container abzuholen, verspürt sie erste Anzeichen innerer Aufregung.
Die steigert sich gewaltig, sobald sie sich im Sommer auf dem Rock-am-Ring-Gelände befindet, wo während des Festivals täglich mehrere 18,5-Tonner anrollen – bis unters Dach beladen mit Gemüse, Obst und Getränken. Seit vier Jahren bestreitet Landkotsch als Inhaberin der Ehrenfelder Catering-Firma „Dein Speisesalon“ gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner, dem Koch Sebastian „Sepp“ Zimmermann, das Musikspektakel am Nürburgring.
Um sämtliche Bands, deren Entourage und alle Crew-Mitglieder zu versorgen, müssen täglich zwischen 20 000 und 25 000 Essen zubereitet werden. Nicht einfach irgendwelche Mahlzeiten, sondern Speisen, die die gesamte Bandbreite einer modernen Küche abdecken: ob regional oder deftig, crossover, vegan, karibisch oder klassisch-französisch.
Landkotsch, die die Tage von Rock am Ring „wie im Rausch“ erlebt und dabei selber das Essen fast vergisst, fragt sich am Ende des Spektakels jedes Mal wie wahrscheinlich jeder Kölsch-Zapfer in einer Karnevalskneipe: „Oh Gott, warum tue ich mir das an?“ Aber wenn sie sich danach einmal ausgeschlafen habe, stehe bereits fest: „Nächstes Jahr wieder.“
Irgendwas muss das seit zehn Jahren bestehende Unternehmen „Dein Speisesalon“ verdammt gut machen, denn sonst hätte ein Megastar wie Mick Jagger für die beiden bevorstehenden Deutschland-Konzerte der Stones als kulinarische Tour-Begleiter nicht den Kölner Cateringbetrieb ausgewählt. Landkotsch und Zimmermann haben die Band bereits beim Auftakt ihrer Europa-Tournee vergangenes Jahr in Hamburg bekocht. Dort habe sich Keith Richards eine richtig klassische Hühnersuppe gewünscht. „Als Mick Jagger die sah, hat er gleich eine für sich bestellt“, erzählt Zimmermann und unterstreicht, dass es oft die mit Kindheitserinnerungen verbundenen Gerichte seien, mit denen man bei den Stars punkten könne.
Die großen Stars haben die wenigsten Extrawünsche
Immer wieder bestätige sich, dass die wirklich großen Künstler ausgesprochen pflegeleicht daherkämen. „Die, die seit Jahrzehnten durch die Welt touren, haben die wenigsten Extrawünsche.“ Durch das Essen entstehe zudem eine Verbindung, ergänzt Zimmermann. „In dem Moment, wo die sich an den Tisch setzen, sind die nicht mehr Weltstars, sondern Menschen. Menschen, die auch unsere Kunst wertschätzen und sich oft überschwänglich bedanken.“
„Wenn ich meine Gitarre so spielen könnte, wie ihr kocht“, befand kein Geringerer als Carlos Santana im Rahmen einer Europa-Tournee 2013 und überreichte Landkotsch und Zimmermann als Dank jeweils eine handsignierte Gitarre des Kultlabels Paul Reed Smith. Die Aushändigung einer goldenen Oscar-Trophäe hätte die beiden Caterer kaum glücklicher machen können.
Umgekehrt wissen sie aber auch genau, womit sie wen glücklich machen können: Den 71-Jährigen Carlos Santana mit „auf den Punkt gebratenem rosa Rindfleisch und guten Salsas. „Unsere Handschrift ist California Style – frische Salate, viele Nüsse, viele Kräuter, viele Blaubeeren“, erläutert Zimmermann und fügt lachend hinzu: „Aber Wiener Schnitzel, das lieben alle Crews.“
Dass man die Rolling Stones außer mit „Shepherd’s Pie“, einem klassischen Irischen Hackfleischgericht, auch mit „German Bratwurst“ glücklich machen kann, scheint ebenso gesichert wie eine Sauerbraten-Begeisterung bei den Fantastischen Vier.
„Wenn wir gebucht sind, ist es so, dass uns die Künstler zu 100 Prozent vertrauen. Und wir versuchen, unsere Qualität von Tag zu Tag zu toppen“, sagt Landkotsch, die eigentlich gelernte Buchhändlerin ist und während ihres späteren Germanistik-Studiums einen Nebenjob bei einer Catering-Firma annahm.
Erster Einsatz: Harry Belafonte
Es sollte wohl so sein, dass es sich bei ihrem ersten Einsatz als 23-Jährige direkt um einen Weltstar handelte: Harry Belafonte. „Ein beeindruckender Mensch“, erinnert sich Landkotsch, die damals ganz aufgeregt war und Angst hatte, „dass mein Englisch nicht reichen und mein Essen nicht schmecken könnte“. Sie erinnert sich auch, dass sie Belafontes Frau während des Konzertes ein Glas Chardonnay servierte, während die Frau, eine sehr zurückhaltende Person, die ganze Zeit über im Backstage-Bereich blieb und den Roman „Liebe in Zeiten der Cholera“ las.
Damals sei das gesamte Tourgeschäft längst nicht so aufwendig gewesen, sagt Landkotsch und berichtet von Tellergerichten und einer Wohlfühlküche ohne große Raffinesse. Heute hingegen brauche man ohne mindestens fünf verschiedene Sorten Milch gar nicht erst losfahren, ergänzt Zimmermann, der von seiner berühmten Klientel – egal, ob sie Andreas Bourani, Herbert Grönemeyer, Pink oder ZZ Top heißt – längst auch die Allergien oder Glutenunverträglichkeiten kennt.
3000 Essen für Stadion-Logen
„Dein Speisesalon“ ist nicht nur auf das Tour-Geschäft spezialisiert, sondern bestreitet auch jede Menge Kölner Veranstaltungen. Sei es in den eigenen Ehrenfelder Räumlichkeiten, sei es auf Messen, Filmpremieren oder Fernsehgalas. Außerdem produziert das Unternehmen seit kurzem bei jedem FC-Heimspiel 2800 bis 3000 Essen für die Logen im Westen des Stadions. An diesem Mittwoch feiert Dein Speisesalon sein zehnjähriges Bestehen. Und beim Wiederaufstieg des FC feiert er erst recht.