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Kölner Ex-Rocker vor GerichtVerwehrter Händedruck kostet Opfer beinah das Leben

Lesezeit 4 Minuten

Serkan A. mit seinen Anwälten Martin Bücher (r.) und Carsten Rubarth (Archivfoto)

Köln – Für jeden sichtbar trägt Ex-Rocker Serkan A. am linken Handgelenk ein Pflaster, als er auf der Anklagebank des Landgerichts Platz nimmt. „Gut, dass Sie das abgeklebt haben“, lobt der Vorsitzende Richter Jan Orth den ehemaligen Boss des Kölner Hells-Angels-Charters C-Town und so wird offensichtlich, dass A. an der Hand nicht etwa verletzt ist. Vielmehr entgeht er einer weiteren Straftat, denn dort, wo jetzt das Pflaster klebt, ist das verbotene Symbol der Hells Angels tätowiert: ein Totenkopf.

Urteil gegen Serkan A. wurde lange nicht rechtskräftig

Eigentlich hätte er schon längst hinter Gittern sitzen müssen: Serkan A. wurde bereits im November 2017 zu fast sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Das Landgericht erkannte unter anderem auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, gefährliche Körperverletzung und schweren Raub und verurteilte ihn zu sechs Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe.

Doch A. blieb auf freiem Fuß, denn auch für ihn galt: Solange ein Urteil nicht rechtskräftig ist, können Täter von der Untersuchungshaft verschont bleiben.

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Ex-Rocker bei Schlägerei auf Kölner Ringen dabei

Im Fall von Serkan A. (das Urteil ist inzwischen rechtskräftig) bedeutete dies: Noch während das Damokles-Schwert der langen Haftstrafe über ihm schwebte, wurde er laut Anklage im Februar vergangenen Jahres rückfällig. Den Ermittlungen zufolge soll er gemeinsam mit zwei Komplizen bei einer Schlägerei in einer Shisha-Bar an den Kölner Ringen beteiligt gewesen sein.

Das Opfer wurde dabei mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Jetzt also ein weiterer Prozess im Rockermilieu, entsprechend hoch sind die Sicherheitsvorkehrungen im Gericht.

Mehr als zwei Monate saß A. wegen der erneuten Vorwürfe in Untersuchungshaft, kam gegen Kaution im Mai 2019 jedoch wieder frei.

Opfer ist dem Kölner Gericht nicht unbekannt

Nach Verlesung der Anklage wird offensichtlich, dass er diesmal von allen drei Angeklagten den geringsten Tatbeitrag hat. Er war auf dem Gang zur Toilette, als seine beiden Mitangeklagten plötzlich im Clinch mit einem Besucher der Shisha-Bar geriet, die in Rockerkreisen als Szenelokal bekannt ist.

Das 32-jährige Opfer, rein äußerlich genauso muskelbepackt und tätowiert wie die Angeklagten auf der gegnerischen Seite, ist für die Ermittler ebenfalls kein Unbekannter. Er saß bereits 2011 wegen versuchten Totschlags eine mehrjährige Haftstrafe ab, als es um eine Messerstecherei mit einem Streetworker ging.

Kampf um die Ehre in Kölner Shisha-Bar

In jener Februarnacht ging es in der Shisha-Bar offensichtlich mal wieder um die Ehre. Ein verwehrter Händedruck kostete den 32-Jährigen beinah das Leben. Das Opfer hatte den Streit angefangen, weil ein Kumpel von Serkan A. ihm den Willkommensgruß verwehrt hatte. Ein Wort ergab das andere, der Streit eskalierte und als Serkan A. vom Toilettengang zurückkehrte und seinen Kollegen zur Hilfe eilen wollte, wurde er vom späteren Opfer mit einem Faustschlag zu Boden gestreckt. „Ich wollte doch nur helfen, sah, dass meine Freunde in Bedrängnis waren“, beschreibt Serkan A. seinen Tatbeitrag.

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Sein Kumpel Bora B. hatte derweil ein Messer gezückt und mehrmals auf das Opfer eingestochen. Fordarbeiter Bora B. gilt als Haupttäter, ist im Gegensatz zu dem Rest der Beteiligten nicht vorbestraft und war nach der Tat nach Istanbul geflohen, hatte sich anschließend jedoch freiwillig gestellt.

Das Messer habe er immer in der Hosentasche: „Um Obst zu schälen oder zu handwerklichen Zwecken“. Er gibt sich reuevoll, beschämt und einsichtig: „Warum ich zum Messer gegriffen habe, ist mir bis heute unbegreiflich. Möglicherweise weil er, wie auch die übrigen Beteiligten, in jener Nacht bis morgens um vier Uhr von Wodka bis Whiskey reichlich dem Alkohol zugesprochen hatten. Beim Opfer war zudem noch Koks und Marihuana im Blut festgestellt worden.

Opfer Mustafa A. leidet unter Folgeschäden

Zehn Tage lag Mustafa A. (32) in der Uniklinik, aktuell leidet er immer noch unter Panikattacken und beginnt demnächst eine stationäre Psychotherapie, erklärt er dem Gericht seine Folgeschäden. Allerdings habe er die Entschuldigung des Haupttäters schon im Vorfeld angenommen. Ebenfalls die ihm angebotenen 20 000 Euro Schmerzensgeld, die ihm Bora B. bereits im Sinne eines Täter-Opfer-Ausgleichs gezahlt hat. Der Prozess soll am kommenden Verhandlungstag mit der Sichtung der Videoaufnahmen weitergehen, denn in der Shisha-Bar gab es mehrere Überwachungskameras.