Tagesmütter und -väter sind wichtiger Bestandteil der Kinderbetreuung. Doch viele beklagen ihre finanzielle Lage und sehen ihre Existenz gefährdet.
„Der Discounter der Kinderbetreuung“5,34 Euro pro Kind und Stunde – Kölner Tageseltern fordern mehr Geld
Angelika Weishaupt liebt ihren Beruf. Als Tagesmutter betreut sie fünf Kleinkinder und das mit Leidenschaft. „Eigentlich wollte ich arbeiten, bis ich umfalle“, sagt die 60-Jährige. Doch im Sommer hört sie auf. „Ich bin ausgebrannt, gehe auf dem Zahnfleisch.“ Die fehlende finanzielle Perspektive habe Depressionen bei ihr ausgelöst. „Ich habe keine Lust mehr, der Discounter der Kinderbetreuung zu sein.“
Köln: Immer mehr Tagesmütter und Tagesväter geben ihren Job auf
2012 hat Angelika Weishaupt eine Großtagespflege im Belgischen Viertel eröffnet. Mit einer anderen Tagesmutter betreute sie dort neun Kinder. Die Kollegin hat bereits 2022 aufgehört, seitdem hat Weishaupt keine Nachfolge gefunden: „Die Kosten sind allen zu hoch.“ Gestiegene Ausgaben für Miete, Energie und Lebensmittel sowie die Inflation stürzen viele Tagesmütter und -väter in eine finanzielle Krise. Denn während die Kosten in den vergangenen Jahren massiv gestiegen sind, stagniert die Bezahlung der Tageseltern.
Seit Herbst 2022 sind Kölner Tageseltern wiederholt auf die Straße gegangen, haben auf ihre finanzielle Situation aufmerksam gemacht und haben für eine bessere Bezahlung protestiert. „Seitdem hat sich wenig geändert“, sagt Weishaupt. Der inzwischen gegründete Verein Kölner Kindertagespflege demonstriert am Dienstag vor dem Jugendhilfeausschuss unter dem Motto „Kölner Kindertagespflege vor dem Aus“.
Zu den Vereinsgründerinnen gehört Alice Birkenfeld. Sie arbeitet seit 2004 als Tagesmutter in Köln, seit 2007 in einer bilingualen Großtagespflege in Braunsfeld. Zuvor war sie Grundschullehrerin. „Wir haben den gleichen Bildungsauftrag wie Kitas, nämlich betreuen, bilden und erziehen“, sagt die 55-Jährige. Dazu kämen noch putzen, einkaufen und die Buchhaltung. „Bezahlt werden wir wie Berufsanfänger. Aus einer finanziellen Notwendigkeit heraus betreut man fünf Kinder für 45 Stunden.“ Das sei nicht immer gut für jedes Kind.
„Die Zahl der Tageseltern, die aufhören oder daran denken, steigt“, sagt Birkenfeld. Tatsächlich belegen Zahlen der Stadt, dass die Anzahl der Kindertagespflegepersonen in Köln sinken: Ende 2021 waren es 936 Tagesmütter oder -väter, Ende 2022 noch 907 und Ende 2023 hat sich die Zahl auf 866 reduziert. Dabei ist die Stadt dringend auf die Tageseltern angewiesen, um den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zu erfüllen. Ohne sie wäre es um die Kleinkindbetreuung in Köln schlecht bestellt.
Bülent Erdogan ist einer derjenigen, der den Job als Tagesvater im vergangenen Sommer aufgegeben hat. „Ich hätte es gern weitergemacht, es war mir eine Herzensangelegenheit, aber nicht unter dem hohen finanziellen Druck und als Haupternährer einer Familie“, sagt der 49-Jährige, der früher als Journalist und Pressesprecher tätig war. Nun arbeitet er als Referent bei einer Krankenversicherung und verdient deutlich besser. „Ich brauche aber vermutlich zwei Jahre, um meine finanziellen Defizite wieder abzubauen.“
Um die finanzielle Situation zu verstehen, muss man die Vergütung von Kindertagespflegepersonen erklären: Diese erhalten von der Stadt pro betreutem Kind festgelegte Beträge. Sie setzen sich zusammen aus einer Förderleistung in Höhe von 3,61 Euro plus Sachkosten von 1,73 Euro pro Kind und Stunde. Werden Kinder in angemieteten Räumen betreut, zahlt die Stadt noch 1 Euro Mietkostenzuschuss pro Kind und Stunde. Insgesamt bekommen Tageseltern, die in ihren Privaträumen betreuen, also 5,34 Euro und diejenigen, die Räume mieten, 6,34 Euro pro Kind und Stunde – brutto. Außerdem erstattet die Stadt ihnen die Hälfte ihrer Sozialversicherungskosten.
Anpassung durch Inflation „aufgefressen“
Der Verein beklagt, dass der Sachkostenbeitrag seit 2013 und der Mietzuschuss seit 2015 nicht mehr erhöht wurde. „Seitdem hatte ich aber schon mehrere Mieterhöhungen“, sagt Alice Birkenfeld. Die Förderleistung wird laut Stadtverwaltung jährlich zum 1. August um zwei Prozent „dynamisiert“, also angepasst. „Diese zwei Prozent wurden aber in den beiden vergangenen Jahren von deutlich höheren Inflationsraten aufgefressen“, kritisiert Alice Birkenfeld.
„Immer wieder heißt es, die Sachkostenpauschale solle erhöht werden, aber es passiert nichts. Das ist eine Hinhaltetaktik der Stadt“, sagt Angelika Weishaupt. Auf Anfrage teilt die Stadt mit, dass „im Rahmen der anstehenden Haushaltsplanung für die Jahre 2025/26“ die Erhöhung der Sachkosten sowie die der Förderleistung erörtert werde.
Darauf will Angelika Weishaupt nicht mehr warten: „Ich fühle mich ausgenutzt und für dumm verkauft.“ Über ihre Zukunft macht sie sich keine Sorgen: „Ich bin breit aufgestellt habe und verschiedene Angebote im Bereich Buchhaltung und PR-Texte.“ Die gelernte Buchhändlerin hat früher als Pressereferentin und in einer Konzertagentur gearbeitet. Alice Birkenfeld hingegen will weiterkämpfen. Als frustriert möchte sie nicht angesehen werden, lieber als kämpferisch: „Ich möchte nicht aufgeben. Die Tagespflege ist mein Lebenswerk.“
Die Kölner Tageseltern demonstrieren am Dienstag, 12. März, ab 13 Uhr auf dem Alter Markt. Ab 14 Uhr tagt der Jugendhilfeausschuss.kindertagespflegekoeln.de