Wenn ich ehrlich bin – als ich das Angebot für dieses Interview bekommen habe, dachte ich: Heike Trinker? Kenn’ ich nicht. Dann habe ich Sie gegoogelt und festgestellt: Natürlich kenne ich die, das ist die sympathische Rothaarige, die sieht man doch ganz oft. Kennen Sie das? Trinker:Ja, denn genauso begegnet man mir. Man kennt mich, aber kein Mensch kennt meinen Namen (lacht). Vielleicht liegt es daran, dass Pressearbeit nicht zu meinen Lieblingsaufgaben gehört. Ich bin da eher scheu. Es freut mich, wenn mich jemand anspricht und sagt: „Ich sehe Sie so gerne.“ Und dann kommt aber meist hinterher: „Aber woher kenne ich Sie noch mal?“ (lacht) Das ist völlig in Ordnung. In Städten wie Berlin und Köln ist das sowieso entspannt. Wenn du mit Ben Becker im Café sitzt, interessiert das niemanden.
Wie hat es Sie als Nordlicht nach Köln verschlagen?
Ein Freund von mir war damals bei Günther Krämer am Schauspielhaus engagiert, ich spielte in Bielefeld. Ich war dann häufig in Köln und habe mich in diese Stadt verknallt – Love at first sight. Ich habe beschlossen, dass ich irgendwann mal hier leben will. Klingt vielleicht plakativ, aber es ist die reine Wahrheit. Es folgten noch kurze Abstecher nach Bremen, Konstanz, Saarbrücken und Hannover. Dann beschloss ich, freiberuflich zu arbeiten und bin nach Köln gezogen. Im Dezember 1999. Ich hatte keinen Job, kannte genau zwei Personen, aber ich war frei.
Und die Liebe auf den ersten Blick? Viele sagen, Köln wäre hässlich und dreckig.
So ist das ja mit der Liebe, das kann man gar nicht auseinanderklamüsern. Es war diese Energie, die Atmosphäre der Stadt, das Entspannte. Der Rhein ist natürlich ein Geschenk. Besonders für mich als Norddeutsche ist es schön, am Wasser zu wohnen. Köln ist auch hässlich, aber ich mag auch diese Orte und Plätze, sie verweisen auf die Wunden der Stadt. Aber es gibt so viel Schönes. Du steigst ins Taxi, und der Fahrer beginnt direkt ein Gespräch. Du sitzt irgendwo und wartest auf jemanden und kommst direkt ins Quatschen. Diese Offenheit ist toll.
Haben Sie Lieblingsorte?
Mit dem Fahrrad durch den Weißer Rheinbogen fahren oder durch den Äußeren Grüngürtel laufen, das ist Naherholung pur. Ein ganz anderer Lieblingsort ist Kolumba, aber da kann man ja derzeit leider nicht rein. Und natürlich interessiert mich das Theater schon sehr.
Ist das denn interessant hier?
Ich habe die Karin-Beier-Zeit sehr, sehr, sehr gemocht. Jetzt gibt es bessere und schlechtere Arbeiten, wie überall. „Die Räuber“ beispielsweise waren grauenhaft, „Die Vögel“ von Bachmann waren toll, Luk Percevals „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ war fantastisch. Astrid Meyerfeldt hat gerade den Theaterpreis „Der Faust“ gewonnen als beste Darstellerin. Eine super Arbeit.
Am kommenden Wochenende kann man Sie im ZDF in der ersten neuen Rosamunde-Pilcher-Verfilmung seit dem Corona-Ausbruch sehen: „Stadt, Land, Kuss“.
Normalerweise produzieren die ja fünf oder sechs dieser Geschichten jedes Jahr. Unser Film wurde im September unter Pandemie-Bedingungen in Cornwall gedreht. Das waren, auch weil wir in England aufgenommen haben, noch schwierigere Umstände.
Wie stark beeinträchtigt Sie das als Schauspielerin?
Mich persönlich weniger als die an der Produktion Beteiligten, die die Konzepte dafür entwickeln, dass die Drehs überhaupt stattfinden können. Man muss jedes Mal vor Drehbeginn einen Labortest machen, klar, und drei Tage in Quarantäne. Am Set gibt es Hygiene-Beauftragte, die darauf achten, dass Abstände eingehalten oder Masken getragen werden oder dass man sich in den Pausen regelgerecht verhält. Da ist ein neuer Beruf entstanden. Wir Schauspieler proben und spielen dann, wenn das Drumherum erfüllt ist, ganz normal. Also ohne Masken und auch mit Nähe.
Die komplette Cast befindet sich also in einer Blase ähnlich wie die Fußballprofis?
Ich habe keine Ahnung, was mit den Fußballern passiert, nachdem sie in ihren Lamborghinis vorgefahren sind (lacht). In einer Blase würde ich nicht sagen. Wir arbeiten ja nach wie vor eng zusammen, etwa, wenn in einem Raum gedreht wird. Nur dass wir als Spieler vor der Kamera die einzigen sind, die keine Maske auf der Nase haben. Eingeschränkt ist eher das Leben neben und nach dem Dreh. Das Hotelzimmer verlässt man kaum, vermeidet Menschenansammlungen. Wo ich sonst, wenn ich einen Abend frei habe, die Zeit in der Fremde nutze, um etwas Kultur zu schnuppern, geht gerade gar nichts. Theater oder Ausstellungen, das fällt leider komplett weg, egal ob im Ausland, in Berlin, in München oder Dresden.
Und in Cornwall heile Welt zu spielen, während im wahren Leben Corona und Brexit toben, ist kein Problem?
Es ist die Basis meines Berufs, mich unter egal welchen Umständen in die fiktive Welt eines fiktiven Charakters zu versetzen. Da stellt sich nicht die Frage, ob meine Pilcher-Rolle Liz Tackle die Tories gewählt hat und deshalb so gut drauf ist. Und die Ermittlungen von Marlene Berger im Stubbe-Film sind nicht durch die Corona-Leugner in Sachsen beeinflusst. Natürlich nimmt das Politische Einfluss auf die Rollengestaltung, es findet seinen Ausdruck aber nur, wenn es den Raum gibt, diesen zu untersuchen. Wenn nicht, spiele ich auch gerne eine „Heile Welt“- Figur, wie Sie es nennen. Mein Beruf ist es zu spielen. In der Durchlässigkeit zur alltäglichen Gegenwart. Deshalb: nein! Das ist kein Problem.
Woran arbeiten Sie gerade?
Ich habe mit meinem alten Freund und Kollegen vom Thalia-Theater, Bernd Grawert, eine Weihnachtslesung vorbereitet mit Texten von Erich Kästner, Robert Gernhardt, Martin Suter, Sebastian Haffner oder Bertolt Brecht. „Schrille Nacht, eilige Nacht“ heißt der Abend. Eigentlich wollte ich das meiner Geburtsstadt Nortorf als Benefiz-Veranstaltung schenken, eine Lesung mit Musik in der Kirche. Corona hat alles zerschlagen. Jetzt arbeiten wir an einer Videoaufzeichnung, um es für nächstes Jahr parat zu haben. Dann werden wir das auch im Nachtasyl am Thalia in Hamburg zeigen, und für Köln suche ich noch einen Veranstaltungsort.
Was machen Sie als erstes, wenn die Pandemie vorbei ist?
Mit Freunden kochen, endlich wieder ins Theater gehen und Leute umarmen – wahllos!
Heike Trinker in Kürze im TV: 17. Januar, 20.15 Uhr „Rosamunde Pilcher: Stadt, Land, Kuss“ mit Pina Kühr, Thomas McMillan und Günther Maria Halmer im ZDF; 30. Januar, 20.15 Uhr „Stubbe: Tödliche Hilfe“ im ZDF