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„Ein Stück Herz entrissen“Goethe-Institut in Kölner Partnerstadt nach 70 Jahren vor dem Aus

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt den zentralen Platz in Turin San Carlo. Hier haben Mitarbeiter des Goethe-Instituts ein Banner aufgespannt, wo drauf steht: „Helft uns, weitere 70 Jahre zu bleiben“

Kölns Partnerstadt Turin: Das Goethe-Institut in Turin sitzt am zentralen Platz San Carlo. Auf dem Banner steht: „Helft uns, weitere 70 Jahre zu bleiben“.

Seit 1955 können Menschen in Turin Deutsch am Goethe-Institut lernen oder dort das Kulturprogramm besuchen. Damit soll bald Schluss sein.

Katrin Guderjahn befürchtet, dass die deutsche Sprache an Bedeutung verlieren wird. Seit 20 Jahren unterrichtet die Lehrerin, die in Köln studiert hat, am Goethe-Institut in Turin. Dieses steht nun als eins von neun Instituten (von insgesamt 158 weltweit) vor dem Aus. Ende Januar soll es nach fast 70 Jahren vorbei sein mit den Deutschkursen, aber auch mit dem Kulturprogramm.

Die Schließungen hat das Auswärtige Amt veranlasst: In der Krise spart der Bund einerseits auch an seiner Außenkulturpolitik. Andererseits soll das zurückgefahrene Engagement in westlichen Ländern Platz für neue Schwerpunkte in Mittel- und Osteuropa und im Kaukasus schaffen. Betroffen von der sogenannten „Transformation“ sind neben Turin, Triest und Genua auch die Kölner Partnerstädte Lille und Rotterdam.

Kölner Städtepartnerschaftsverein engagiert sich

„Aus unserer Sicht ist das schwer nachzuvollziehen, dass hier gespart wird. Die Städtepartnerschaft zwischen Köln und Turin ist einer der ältesten, sie dauert seit 65 Jahren an, genauso wie mit Lille. Diese europäische Ringpartnerschaft wurde nach dem Krieg gegründet, mit dem Ziel, die europäische Ordnung zu stärken. Das hat nichts an Aktualität verloren. Wir halten es für wichtig, dass wir hier in Europa zurechtkommen“, sagt Daniela Teske vom Städtepartnerschaftsverein Köln-Turin.

Wenn man die Sprache des anderen nicht mehr spreche, sei es schwieriger, miteinander in Kontakt zu kommen, so Teske. Man wolle sich nun auf das Land zubewegen, da zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Piemont unter der Vorgänger-Regierung eine erweiterte Zusammenarbeit auf regionaler Ebene begründet wurde. „Wir beschäftigen uns gerade damit, ob noch etwas möglich ist“, so Teske.

Mitarbeiterinnen in Turin „in Schockstarre“

„Als wir Ende September davon erfahren haben, befanden wir uns erst einmal in Schockstarre“, berichtet Ilka Heitz, Beauftragte für die Sprachkurse im Turiner Institut. Die Nachricht sei ihnen in einer Power-Point-Präsentation bei einer Mitarbeiterkonferenz mitgeteilt worden. „Das ist keine gute Kommunikation, wenn man den Leuten über eine Folie sagt, dass sie ihre Arbeit verlieren.“

Betroffen seien 18 feste Kräfte, insgesamt treffe es aber 38 Menschen, da das Institut auch viele freie Mitarbeiter beauftragt. „Davon sind 32 Frauen, wir sind fast alle über 50. Der Arbeitsmarkt wartet nicht auf uns“, so Heitz. In den ersten Tagen seien sie auf sich allein gestellt gewesen. „Es flossen die Tränen, keiner kümmerte sich um uns. Ich arbeite seit 23 Jahren hier, es ist, als ob einem ein Stück Herz, ein Stück Leben entrissen wird.“ Nun werde man aber aktiv. Erste Gespräche mit den Gewerkschaftsvertretern hätten stattgefunden, eine Demo vor dem Turiner Rathaus sei geplant.

Eine Online-Petition, die sich gegen die Schließung wendet, weist bereits rund 16.000 Unterschriften (Stand Montag) auf. Deutschlehrer aus der Region haben zudem einen offenen Brief verfasst, der an den deutschen Botschafter in Italien, an die Präsidentin des Goethe-Instituts in der Zentrale München sowie an den Turiner OB und die italienische Presse gesandt wurde. Darin bringen sie „ihre tiefe Bestürzung und ihr Bedauern“ zum Ausdruck.

Die Angst der Deutschlehrer im Piemont ist, dass die deutsch-italienische Zusammenarbeit auf kultureller Ebene leiden wird
Katrin Guderjahn, Deutschlehrerin am Goethe-Institut Turin

Unterdessen brumme der Sprachbetrieb wie eh und je, sagt Heitz. Im Turiner Goethe-Institut werden jährlich 1300 Deutsch-Prüfungen abgenommen. Davon seien 80 Prozent Schüler an öffentlichen Schulen. Dieses Zertifikat sei etwa für die Aufnahme eines Germanistik-Studiums in Italien nützlich. Für die Deutschlehrer falle zudem ein wichtiger Ansprechpartner vor Ort weg.

Fachkräfte von morgen lernen Deutsch im Institut

„Die nächste Möglichkeit, eine Zertifikatsprüfung abzulegen ist dann Mailand. Das verstärkt die Entwicklung, dass Turin zur provinziellen Stadt verkommt“, so Heitz. Aber nicht nur das: In den Kursen des Instituts säßen deutsche Fachkräfte von morgen. „Unsere eigenen Schüler sind hauptsächlich Ingenieure, Ärzte und Krankenschwestern. Alles, was in Deutschland gebraucht wird. Das ist sehr kurzsichtig von Deutschland.“

Für die Verbreitung des Deutschen in der Region sei die Entscheidung fatal, findet Lehrerin Karin Guderjahn. „Wir sind sehr gut vernetzt im Piemont, Lehrer erhalten von uns Material, können sich hier fortbilden. Ihre große Angst ist, dass die deutsch-italienische Zusammenarbeit auf kultureller Ebene leiden wird.“