Die Gastronomie-Geschichte der Familie Dürr geht in Köln sogar bis ins Jahr 1904 zurück – also 120 Jahre.
Als das Kölsch 35 Pfennig kosteteTraditions-Gasthaus in Köln-Klettenberg feiert 70. Geburtstag
Was vor 70 Jahren im August stattfand – etwa die Weltpremiere des Hitchcock-Klassikers „Fenster zum Hof“ – kann man sich heute dank des Internets im Handumdrehen auf den Schirm holen. Was sich vor 70 Jahren – konkret am 6. August – in Köln-Klettenberg ereignete, hat Hans Dürr heute noch genauso klar vor Augen wie damals: Er stand mit Jackett und Krawatte neben seiner großen Schwester Gerti sowie seiner Mutter, der kleinen Schwester Marika und dem ebenfalls Sakko und Schlips tragenden Vater Hans hinter der Theke eines Lokals, das an diesem Tag eröffnet wurde.
Hans Dürr junior hatte die Hände am Zapfhahn und ließ stolz die ersten Kölsch ins Glas laufen. Es gab fünf Biersorten vom Fass und die Stange kostete 35 Pfennig. Damals wusste der schlanke junge Mann noch nicht, dass ihm bald die hübsche Leni zur Seite stehen würde und sie beide zusammen 35 Jahre lang ein wesentlicher Grund dafür sein würden, dass die Gäste all die Jahre beim Nachhausegehen „Bis morgen!“ riefen.
Familie Dürr hat 120 Jahre Gastro-Geschichte in Köln
Heute werden der 88-jährige Hans und die fünf Jahre jüngere Leni von ihren Freunden um ihren sensationell kurzen Weg zu ihrer Stammkneipe an der Luxemburger Straße beneidet. Denn sie wohnen nur zwei Stockwerke über dem Raum, in dem der 53-jährige Frank Wegener seit drei Jahren quasi mit der Zuverlässigkeit eines Uhrwerks das Kölsch für die Gäste zapft.
Allerdings hat der heutige Wirt die Preise von damals nicht ganz halten können: Die Frikadelle, die seinerzeit noch Bratklops hieß, kostete sensationelle 60 Pfennig, die Portion Tartar mit Butter und Brot drei Mark, die Hühnersuppe mit Ei 1,25 Mark und die Dose Ölsardinen mit Brot und ebenfalls Butter zwei Mark.
Streng genommen beginnt die Gastronomie-Geschichte der „Gaststätte Dürr“ nicht 1954, sondern bereits im Jahr 1904 – also vor 120 Jahren. Damals eröffnete der aus dem Würtembergischen stammende Braumeister Hans Dürr in Köln die Blaubachschänke, in die im Jahr 1933 auch Sohn Hans-Michael mit einstieg. Zwei Jahre später hob dieser auf der Sülzburgstraße (im Haus der heutigen Sparkasse) das „Restaurant Kölner Hof“ aus der Taufe.
Im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs ging die Familie in die süddeutsche Heimat zurück, wo Braumeister Hans irgendwann aus Gram starb. Sohn Hans-Michael indes kehrte nach Köln zurück, wo er sein Lokal in Schutt und Asche liegend vorfand. Aber ihm bot die Sparkasse auf einem Klettenberger Trümmergrundstück, auf dem sich früher bereits eine Kneipe namens „Kleins Museum“ befunden hatte, eine Immobilie an, die Jahre später das Schild „Hotel und Restaurant Dürr“ tragen sollte.
Hotelzimmer wurden in Wohnungen für Studierende umgewandelt
Leni Dürr erinnert sich noch gut, dass sie in den Anschlussjahren als „die am nächsten zur Autobahnausfahrt gelegene“ Herberge nicht nur viele illustre Messegäste hatten, sondern auch jenen Herrschaften Quartier boten, die teilweise von sehr weit her gekommen waren, um sich auf dem ehemaligen Mercedes-Gelände an der Luxemburger Straße ihr schmuckes nagelneues Fahrzeug abzuholen.
Die bei Einzug in den Familienbetrieb erst 18 Jahre alte Verlobte von Hans Dürr hat allerdings auch noch gut im Gedächtnis, dass zu der Hotel-Tätigkeit, mit der sie anfangs betraut wurde, nicht nur das Kaffeekochen, sondern auch das Schuheputzen gehörte. Acht Mark zahlte der Gast seinerzeit für ein Einzelzimmer. „Und das war mit Frühstück“, betont Hans Dürr heute lachend. „Unglaublich!“
1966 wurden die insgesamt zwanzig Hotelzimmer in Studentenzimmer umgewandelt. Inzwischen längst in alle Welt verstreut und etwa als Professor in Paris tätig, hätten sie zu fast all den einstigen Bewohnern noch Kontakt, freut sich Leni Dürr.
Frank Wegener übernimmt Gaststätte Dürr trotz Corona
Aber ihre noch größere Freude rührt fraglos daher, dass in der „Gaststätte Dürr“ nach ein paar weniger erfolgreichen Jahren und schließlich einem coronabedingten freudlosen Weihnachten 2021 noch einmal das Steuer herumgerissen wurde – und zwar von Frank Wegener, dem neuen, bis heute amtierenden Mann am Zapfhahn.
Das Ehepaar Dürr hatte sich ungeachtet des Zuspruchs seiner Gäste (unter anderem auch wegen Lenis legendären Koteletts mit Bratkartoffeln) im Jahr 1995 zu einem Rückzug aus seiner gemeinsamen Gastgeber-Funktion entschlossen. Zu dieser Zeit war die Gaststätte durch eine Abtrennung des ehemaligen Speisesaals bereits erheblich verkleinert worden.
Doch auch im reinen Kneipenbetrieb machten sich bei den nachfolgenden Pächtern zunehmend Personalprobleme bemerkbar, sodass im Winter vor drei Jahren die Zapfhähne für immer zugedreht zu sein schienen. „Doch dann kam der Frank und sagte: Ich trau’ mich!“, sagt Leni mit Blick auf ihren jüngsten Nachfolger, der sich auch von Pandemie und Lockdown nicht hatte bange machen lassen.
Inzwischen bezeichnen die Dürrs den langjährigen Betriebsleiter vom „Haus Unkelbach“ „als echten Glücksfang“ und freuen sich, gemeinsam mit Frank Wegener und Freunden des Hauses am 6. August Geburtstag feiern zu können. In Anlehnung an das Entstehungsjahr der Gaststätte wird das Kölsch an diesem Tag nur 1,54 Euro kosten.