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Das Beste aus 2023„Der Laden lief bombig“ – Warum ein Kölner Blumenhändler sein Geschäft trotz Erfolgs schließt

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann mit dunklem T-Shirt und kurzer Jeans steht im Eingang eines Ladenlokals.

Michel Thodam-Violonchi vor seinem Blumenladen am Gottesweg.

Ende August schließt der Blumenladen Michel am Gottesweg seine Türen. Der Inhaber sucht einen Nachfolger.

Einen Blumentopf und eine feste Umarmung: Bei Michel Thodam-Violonchi gibt es derzeit beides. Der Florist schließt Ende des Monats seinen beliebten Blumenladen am Gottesweg – und sucht einen Nachmieter. Der Name „Michel Blumen und mehr“ verspricht nicht zu viel. Ein Einkauf bei ihm ist immer mit einem ausführlichen Plausch verbunden. Das förmliche „Sie“ ist dabei tabu. Viele Kunden sind Freunde und bedauern es sehr, dass er seinen Laden schließt – freuen sich aber auch mit „Michel“.


Dieser Text gehört zu unseren beliebtesten Inhalten des Jahres 2023 und wurde zuerst am 15. August veröffentlicht.


Denn der Grund dafür, dass die Pflanzen liebenden Klettenberger ihre Anlaufstelle verlieren, ist nicht etwa ein finanzielles Problem: „Der Laden lief bombig“, erzählt Thodam. Sein Lebensplan hat sich einfach gerade geändert. Es zieht ihn zu neuen Ufern: „Seit einem Jahr habe ich eigentlich keine Lust mehr auf den Blumenladen“, sagt er. „Ich habe mein ganzes Leben als Florist gearbeitet.“ Bereits im Alter von 17 Jahren hat Thodam den ersten Laden in Mönchengladbach übernommen und dann vor sieben Jahren den am Gottesweg eröffnet.

Sieben Jahre als Blumenhändler in Köln-Klettenberg

27 Jahre als Blumeneinzelhändler hat er bereits hinter sich – und kam zu dem Schluss, dass das nicht alles gewesen sein kann. „Etwas hat einfach gefehlt“, erzählt der 44-Jährige, „das Abenteuer. Ich habe Urlaub gemacht und danach stand für mich fest, dass ich den Laden schließe.“ Er schmiss ihn allein, mit viel Herzblut. Thodam ist echter Pflanzen- und Menschenliebhaber, hatte ein Händchen für besondere Kreationen und Deko-Objekte und für die Wünsche der diversen Kunden. Doch das Leben als Einzelhändler beanspruchte ihn komplett: „Ich konnte kein Weihnachten mit meinem Mann und der Familie verbringen, kein Ostern“, schildert er.

„Ich bin jeden Morgen um sechs zum Großmarkt gefahren und habe abends um acht zugemacht. Weihnachten habe ich bis in die Puppen gearbeitet.“ Zu besonderen Anlässen, wenn das Auftragsvolumen groß war, wurde es zwei Uhr nachts, bevor er den Laden verließ. Sein Mann fuhr regelmäßig zu Hochzeiten und anderen Veranstaltungen im Freundes- und Familienkreis allein, weil Thodam noch im Laden stand. Irgendwann fühlte es sich so an, als sei er in einer Sackgasse gelandet.

Ausbildung zum Schreiner oder Alltagshelfer im Seniorenheim

„Ich möchte nicht irgendwann aufwachen“, sagt er, „und mir die Frage stellen, warum ich nie etwas anderes gemacht habe.“ Das andere sieht zunächst einmal so aus: „Ich möchte jetzt erst einmal zur Ruhe kommen“, sagt Thodam, „und emotional loslassen, nicht nur den Laden, auch Kunden. Dann werde ich meine Tasche packen und loswandern, dahin, wo es mich hinzieht, und zwar allein, um das Ganze sacken zu lassen.“ Danach sei er offen für alles. Thodam kann sich vieles vorstellen: „Vielleicht mache ich noch einmal eine Ausbildung, beispielsweise als Schreiner. Ich habe als Kind schon immer gerne mit Holz gearbeitet.“

Er habe sich auch jahrelang künstlerisch betätigt. Irgendwann habe er aber vor der Entscheidung gestanden, ob er sich der Kunst widmet oder ein Geschäft eröffnet. „Da war der Laden das sichere Brot“, sagt der Florist. Er hätte immer gerne die alten Damen betüddelt, ihnen etwas zur Seite gestellt, wenn er gewusst hätte, was zu der Kundin passt und was sie sich leisten kann. Auch eine Tätigkeit als Alltagshelfer oder in einem Seniorenheim könne er sich gut vorstellen.

„Es darf einfach nicht immer vor allem ums Geld gehen“, findet Thodam. Er habe gerne gut verdient, aber auch eines gelernt: „Man hat nichts von dem ganzen Geld, wenn man es nicht ausgeben kann.“ Das Leben sei ein Lernprozess und verändere sich. Die eigene Veränderung habe sich zunächst im Kleinen bemerkbar gemacht.

Thodam verfolgte lange eine ziemlich klare Linie bei seinem Pflanzenangebot, auch was die Farbauswahl anging: „Ich habe immer gesagt, Orange kommt mir nicht in den Laden.“ Doch eines Tages habe er dann die Kombination Orange-Pink für sich entdeckt, sein Angebot erweitert. Michel hat mittlerweile gelernt: „Das Leben ist nicht nur lila, rosa und fliederfarben.“ Die anderen Facetten, die es noch so bereithält, möchte er jetzt entdecken.