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Barbara Schock-WernerDie Schätze in Ungers Bibliothek in Köln-Müngersdorf

Lesezeit 4 Minuten

Wie fast immer bei Ungers ist der Würfel die Grundform auch in seiner Bibliothek. 

MüngersdorfIm Advent begleitet Chefkorrespondent Joachim Frank Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner bei ihren Besuchen an besonderen Orten in der Stadt, die wie Krippen sind: Sammelstätten für „Lebensmittel“ im wörtlichen und im übertragenen Sinn.

„Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Winden und legte ihn in eine Krippe.“ Bald ist es wieder soweit. Die Weihnachtsgeschichte wird vorgelesen, in Liedern besungen oder nachgespielt. Bestimmt ist Ihnen der schöne, alte Text aus der Bibel ähnlich vertraut wie mir, auch wenn Sie keine Christen sind oder nicht in die Kirche gehen.

Wie im vorigen Jahr, habe ich mir für meine Kolumne im Advent etwas Besonderes ausgedacht: Besuche an Orten in Köln, wo etwas aufbewahrt oder gesammelt wird, was Menschen zum Leben brauchen. Krippen-Orte sozusagen, an denen auch deutlich wird, wie viele Formen von „Futter“ es gibt, geistige Nahrung und „Lebensmittel“ im übertragenen Sinn.

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Als erstes fiel mir dazu ein großartiger, aber wenig bekannter Ort in Müngersdorf ein. In der Belvederestraße steht das Haus von Oswald Mathias Ungers (1926 bis 2007), das der Architekt 1959, am Anfang seiner Karriere, für sich selbst als Wohnung mit Büro gebaut hat.

Der Architekt Oswald Mathias Ungers ist 2007 gestorben.  

Das Gebäude war zeitlebens die Heimatbasis für Ungers’ Wirken in aller Welt. Und es hat ihn international bekannt gemacht, nachdem die „Casa bella“, die wichtigste Architektur-Zeitschrift der Welt, eine rühmende Besprechung publiziert hatte. In Köln kennt heute fast jeder Ungers’ Neubau des Wallraf-Richartz-Museums. In Hamburg oder Frankfurt sind die Kunsthalle oder das Messetor ähnlich populär, auch wenn sie nicht gleich mit dem Namen Ungers verbunden werden.

Seltene Bücher und ein besonderer Schatz

Ungers steht für die „Neue Moderne“ in der Architektur – einen ausgesprochen rationalen Stil mit strenger Geometrie. Der Würfel ist bei Ungers die Figur, von der alles ausgeht und auf die alles zurückführt. Kennzeichnend für Ungers ist aber auch sein Interesse an Architekturtheorie und -geschichte. Im Lauf der Jahre hat er dazu eine riesige Bibliothek mit 12.000, zum Teil äußerst seltenen, wertvollen Büchern aufgebaut. Die Bestände reichen zurück bis ins 15.  Jahrhundert. Es gibt Erstausgaben der italienischen Baumeister Palladio, Vignola und Piranesi aus dem 16. bzw. 18. Jahrhundert, zahlreiche Druck-Exemplare antiker Schriften des Architekten Vitruv sowie – eine besondere Kostbarkeit – Albrecht Dürers Werk über die Kunst der Perspektive von 1538.

Ungers umgab sich mit Modellen berühmter Gebäude, wie Bramantes Tempietto.

Darüber hinaus hat Ungers sich schon sehr früh mit Miniaturen berühmter Gebäude umgeben, die ihm persönlich besonders viel bedeutet haben. Vor mehr als 20 Jahren hat er dafür eigens den Diplom-Designer Bernd Grimm eingestellt, der bis heute aus strahlend weißem Alabastergips großartige Modelle schafft. Der Parthenon in Athen ist dabei, das Pantheon in Rom, Castel del Monte vom Stauferkaiser Friedrich II., Bramantes Tempietto in Rom oder auch das Kenotaph für Isaac Newton, ein gigantisches Grabdenkmal, das allerdings nie über das Planungsstadium hinausgekommen ist.

Ein Traum von einer Bibliothek

Für beides, die Bücher und die Architekturmodelle, hat Ungers 1990 seine Idee einer Bibliothek auf dem Grundstück in der Belvedere-Straße Wirklichkeit werden lassen. Also, auch für mich ist das der Traum einer Bibliothek. Natürlich würfelförmig. Und wunderschön! Es gibt über dem Parterre eine offene, von quadratischen Säulen gestützte Galerie mit Regalen ringsum, durch Oberlichter flutet Tageslicht in den Raum mit seinem Interieur aus dunklem Holz. Aus gleichem Material ist auch die großzügige Wendeltreppe.

Das Ganze hat eine unglaubliche Ausstrahlung: entspannt, einladend, erhebend. Ungers feiert mit dieser Bibliothek das humanistische Bildungsideal.

Bibliothek offen zugänglich

Den Buchbestand und die Architekturmodelle hat er noch zu Lebzeiten einer Stiftung übertragen, die von seiner Tochter Sophia und Anja Sieber-Albers betreut wird. So ist die Bibliothek ein öffentlicher Ort, zu dem alle Interessierten Zugang haben. Studenten und Wissenschaftler können in der Bibliothek und im Ungers-Archiv mit dem kompletten Nachlass des Architekten recherchieren.

Futterkrippe für alle Architektur-Liebhaber

Es gibt Vorträge, Fachgespräche und Ausstellungen. So zeigt das Ungers Archiv im Januar aus Anlass der Einrichtungsmesse IMM und der „Passagen“ eine Werkschau der avantgardistischen Architektengruppe „Superstudio“. Außerdem finden Führungen durch das Haus und seine Sammlung statt.

Für mich ist Ungers’ Bibliothek tatsächlich eine Futterkrippe für alle Liebhaber der Architektur. Lassen Sie sich diesen Genuss nicht entgehen!

Führungen für Leser: Besuche des Ungers-Archivs und Führungen sind nach vorheriger schriftlicher Anmeldung möglich. Eine Gruppenführung dauert ungefähr eine Stunde und kostet 10 Euro pro Person (bis zu zehn Teilnehmer, jede weitere Person 8 Euro).

Für die Leser des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bieten Sophia Ungers und das UAA als ihren Beitrag zu „Schock-Werners Adventskranz“ zwei Sonderführungen zum ermäßigten Preis von 5 Euro an. Sie finden am Mittwoch, 7. Dezember, um 16 Uhr und um 18 Uhr statt.

Interessenten melden sich bitte per E-Mail oder telefonisch an unter dem Stichwort „Schock-Werners Adventskranz“. Bitte geben Sie auch die gewünschte Uhrzeit und den Absender an! Die Teilnehmer werden ausgelost und direkt benachrichtigt.

koeln@ungersarchiv.deTelefon 0221 / 9498360,