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Masernfälle in Köln„Unser Problem sind die nicht geimpften Erwachsenen”

Lesezeit 5 Minuten
Masern Köln dpa

Masernimpfung (Symbolbild)

Köln – Ihr Dienst als Leiterin des Kölner Gesundheitsamtes endete offiziell am Sonntag, 31. März um Mitternacht. Seit dem 1. April ist Anne Bunte Leiterin der Abteilung Gesundheit im Kreis Gütersloh. Es ist ein Wechsel, der zugleich eine Rückkehr ist.

Ihr neuer Arbeitsplatz ist Ihnen wohl vertraut. Bevor Sie im Dezember 2009 nach Köln kamen, waren Sie exakt das, was Sie nun wieder sind. Warum kehren Sie zum Kreis Gütersloh zurück?

Es stimmt, ich mache wieder meinen alten Job. Ich war sehr gern im Kölner Gesundheitsamt, aber ich habe für mich die persönliche Entscheidung getroffen, zurückzugehen.

Alles zum Thema Henriette Reker

Einfach so? Schwingt da ein wenig Resignation mit? Haben Sie in Köln nicht die Dinge so umsetzen können, wie Sie sich das vorgestellt haben?

Ganz im Gegenteil. Ich gehe jetzt, und es gibt kein einziges offenes Projekt mehr. Wir haben alle Projekte – auch die, die ich 2009 übernommen habe – in feste Strukturen überführt.

Können Sie Beispiele nennen?

Dazu zählt der Mobile Medizinische Dienst des Gesundheitsamtes. Vor 2009 gab es dieses Angebot schon mehr als zehn Jahre als Projekt. Der Mobile Medizinische Dienst bietet Sprechstunden in sozialen Einrichtungen der Wohnungslosen-, Drogen- und Jugendhilfe an. Es geht um die medizinische und psychosoziale Grund- und Notfallversorgung für Wohnungslose, Drogenabhängige sowie Jugendliche und junge Erwachsene im Bahnhofsmilieu. Behandelt werden Patientinnen und Patienten, die nicht über eine ambulante ärztliche Versorgung durch eine niedergelassene Ärztin oder einen niedergelassenen Arzt verfügen. Der Nachweis eines Versicherungsschutzes ist nicht erforderlich. Auch die Kinder- und Jugendpsychiatrische Beratungsstelle habe ich aus der Projektphase geführt und weiter ausgebaut. Ganz wichtig ist zudem die Clearingstelle Migration und Gesundheit. Sie soll Menschen mit Migrationshintergrund ohne Krankenversicherung oder mit ungeklärtem Versicherungsstatus Zugang zu medizinischer Versorgung eröffnen. An diesem Projekt sind das Gesundheitsamt, das Diakonische Werk Köln und Region und der Caritasverband für die Stadt Köln beteiligt.

Wie ist es gelungen, diese Projekte umzusetzen?

Als ich kam, gab es nur wenige Gesundheitsberichte wie zwei alte Psychiatrieberichte aus den 1970 und 1980er Jahren. Seit 2010 haben wir mehr als zehn Gesundheitsberichte, darunter mehrere zur Kinder- und Jugendgesundheit, Zahngesundheit bei Kindern, Gesundheit im Alter, zur psychiatrischen Versorgung und den ersten Suchtbericht für die Stadt Köln erstellt.

Warum sind diese Berichte wichtig?

Die Kölner Gesundheitsberichte informieren über die gesundheitliche Situation der Bevölkerung. Auf der Grundlage der datengestützten Bestandsaufnahme ist es möglich aufzuzeigen, wo Handlungsbedarf besteht. Wenn die Politik entscheiden soll, müssen wir mit Informationen in Vorleistung gehen. Seit Dezember 2009 referieren meine Kollegen und ich regelmäßig in der ersten Viertelstunde im Gesundheitsausschuss und stellen unserer Aufgaben und Arbeitsergebnisse sowie unsere Einschätzungen zu bestimmten Gesundheitsthemen vor. Ich kann für meine Bereiche sagen, dass Verwaltung und Politik gut zusammengearbeitet haben.

Anne Bunte

Um die Projekte umzusetzen, brauchten Sie aber auch Geld. Woher kam das?

Ich habe intensiv nach Fördermöglichkeiten gesucht und sie gefunden. Dazu zählten öffentliche Gelder wie zum Beispiel Landesmittel, zudem gab es Unterstützung von Sponsoren und Stiftungen und einiges mehr.

Was hätten Sie gerne noch erreicht?

Ein Thema, das wir bisher noch nicht anfassen konnten, betrifft die sozialpsychiatrischen Zentren. Köln hat mittlerweile seit fast 30 Jahren diese Zentren, in allen Bezirken. Zwei davon in Trägerschaft der Stadt, Mülheim und Kalk, die anderen bei freien, gemeinnützigen Trägern, mit sehr unterschiedlichen Finanzierungen. Das muss dringend geändert, sprich auf eine einheitliche Basis gestellt werden.

Es gibt seit Ende 2009 beim Gesundheitsamt einen ständig erreichbaren Rufdienst für Infektionsfälle. Um im Falle eines Falles rasch reagieren zu können. Stichwort: Masern. Wie ist Ihre Position – impfen oder nicht?

Impfen, aber eine alleinige Zwangsimpfung bei Kindern wird es nicht bringen. Von den 2019 in Köln aufgetretenen vier Masernfällen waren drei Erwachsene betroffen. Das bedeutet: Unser Problem in Köln sind die nicht geimpften Erwachsenen. Das war auch bei den 139 Masernerkrankungen im Jahr 2018 so. Ich plädiere zudem dafür, dass kein Kind, kein Betreuer, kein Lehrer, kein Erzieher in eine Gemeinschaftseinrichtung für Kinder gehen darf, wenn es oder er nicht geimpft ist.

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Als Sie 2009 nach Köln gingen, folgte Ihnen in Gütersloh Ihr damaliger Stellvertreter Matthias Gubba als Amtsleiter nach. Jetzt lösen Sie ihn wieder ab. In Köln wird Sie Ihr bisheriger Stellvertreter Bernhard Schoenemann auf keinen Fall beerben. Er geht Ende April in den Ruhestand. Wer wird Ihr Nachfolger an der Spitze des Gesundheitsamtes?

Diese Frage kann nur der zuständige Dezernent Harald Rau beziehungsweise Oberbürgermeisterin Henriette Reker beantworten.

Was werden Sie in Köln vermissen?

Das Gesundheitsamt und das gute Team dort. Wir haben gemeinsam sehr viel geschafft. Dafür bin ich dankbar. Und ich werde das Gebäude selbst vermissen. Wer länger nicht im Gesundheitsamt am Neumarkt war, wird das Haus nicht wiedererkennen. Es ist wirklich ansprechend modernisiert worden. Das Ziel war, dass alle, die dort ein und aus gehen, sich wohlfühlen. Das ist gelungen.

Sonst nichts? Was ist mit Dom, Rhein, den Museen?

Behalte ich alles. Ich bleibe doch mit meiner Familie hier wohnen. Ich genieße das kulturelle Angebot dieser Stadt sehr. Ich bin zum Beispiel eine begeisterte Besucherin von Oper, Schauspiel und Philharmonie.

Welche persönliche Bilanz ziehen Sie nach gut neun Jahren an der Spitze des Gesundheitsamtes?

Ich kann gelassen gehen, weil viele Dinge auf den Weg gebracht wurden und gut laufen. Wie es mit den Themen, die noch angefasst werden müssen, weitergeht, werde ich nun als Kölner Bürgerin verfolgen.

Anne Bunte, 57, leitete seit 2009 das Gesundheitsamt der Stadt Köln und wechselt jetzt zurück in den Kreis Gütersloh. Sie ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Köln.

Die Nachfolge

Die Verwaltung teilt auf Anfrage mit, das Auswahlverfahren für die neue Amtsleitung des Gesundheitsamtes sei abgeschlossen, derzeit bereite man die Beschlussfassung für die nächste Sitzung des Hauptausschusses Ende April vor.

Zum 1. Mai 2019 übernimmt Gerhard Wiesmüller die Funktion der stellvertretenden Amtsleitung. (stef)