Das Kölner Landgericht musste in einem reinen Indizienprozess entscheiden.
„Öffentliche Hinrichtung“Richter verurteilt früheren Kölner „Hells Angels“-Rocker für Mordauftrag
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Der 27-jährige Angeklagte begrüßt seinen Verteidiger beim Prozessauftakt im Landgericht Köln.
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Als „öffentliche Hinrichtung“ neben einem Brauhaus bezeichnete der Vorsitzende Richter Achim Hengstenberg die mit Kopfschuss ausgeführte Ermordung des früheren „Hells Angels“-Rocker Eren Y. (35) in Mülheim. Während die mutmaßlichen Schützen auch ein Jahr später noch immer auf der Flucht sind, wurde am Donnerstag im Landgericht der Auftraggeber, da zeigten sich die Richter gewiss, zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Hami S. (27) hatte bis zuletzt seine Unschuld beteuert.
Köln: Handydaten und Zeugenaussage überführen den Angeklagten
Unbefriedigend sei laut Richter Hengstenberg am Ende des Verfahrens nicht nur, dass die eigentlichen Schützen nicht auf der Anklagebank saßen, sondern auch, dass das Motiv nicht abschließend geklärt werden konnte. Womöglich habe es nach der Auflösung des Kölner Hells-Angels-Charters „Rhine Area“ Streit um eine von Eren Y. geplante Neugründung der Gruppierung gegeben. Der Angeklagte war der Bruder des früheren Präsidenten, es soll zu Drohungen gekommen sein.
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Der Tatort im Böcking-Park in Köln-Mülheim
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Überführt worden sei Hami S. durch die Auswertung von Handydaten. Kurz vor und nach dem Verbrechen hatte der Angeklagte viele Male mit einem der Schützen telefoniert. Es sei laut Richter abwegig, dass man zuvor nur über eine Verabredung zum Fußballgucken gesprochen habe. Das hatte Hami S. behauptet. Schwer belastet hatte den nun Verurteilten auch eine Freundin eines weiteren Mordverdächtigen. Der habe nebulös von einem „Job“ gesprochen, den er für Hami S. zu erledigen habe. Alles spreche für einen gemeinsamen Tatplan, sagte Hengstenberg.
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Kölner: Angeklagter hatte die Vorwürfe bestritten
Dem als Auftraggeber verurteilten Hami S. bleibt jetzt nur noch der Gang zum Bundesgerichtshof, um gegen die lebenslange Haftstrafe vorzugehen. Vor der Urteilsverkündung hatte der Vater zweier kleiner Kinder unter Tränen an das Gericht appelliert, keinen „unschuldigen Papa“ zu verurteilen. Auch der Verteidiger hatte Richter und Schöffen ermahnt, sich bei einer solch einschneidenden Entscheidung komplett sicher sein zu müssen, „wenn man anschließend noch ruhig schlafen will“.
Zwar blieb das Motiv des Auftragsmords letztlich im Dunkeln und auch, wer von zwei Verdächtigen der Schütze war. Der Tathergang konnte durch diverse Zeugenaussagen und Verbindungsdaten von Mobiltelefonen jedoch sehr genau rekonstruiert werden. So waren es die früheren Rocker Marco C. (27), genannt „Toblerone“ und Emre U. (31), genannt „Chico“, die am Tattag an der Wohnung des späteren Mordopfers aufgetaucht waren. Dort öffnete der Mitbewohner die Tür, Eren Y. war nicht zu Hause.
Früherer „Hells Angels“-Rocker mit Kopfschuss getötet
Handydaten zeigen, dass „Chico“ sich danach bei Eren Y. gemeldet hatte, offenbar verabredete man sich am McFit am Clevischen Ring, in dem Y. mit seiner Freundin trainiert hatte. Die berichtete später im Gericht von einer freundschaftlichen Stimmung, als man am Fitnessstudio aufeinandergetroffen sei. Man kannte sich. „Marco war zwei Tage vorher noch bei uns zu Hause, saß am Tisch, alles war ganz normal“, berichtete die Zeugin. Niemals hätten sie oder ihr Freund mit einem Angriff gerechnet.
Die Gruppe ging gemeinsam zum Böcking-Park, alles erschien noch harmlos. Plötzlich habe sich Marco C. gebückt und in seiner Tasche gekramt, so beschrieb es die Zeugin. Dann fielen die Schüsse, einer in den Rücken von Eren Y., der nächste in den Kopf. In Panik flüchtete die Freundin und bemerkte da erst, dass auch sie getroffen worden war. Blut lief aus Hals und Kiefer. „Meiner Mandantin wurde das Gesicht zerfetzt“, so drastisch formulierte es Opfer-Anwältin Funda Bicakoglu.
Kölner Landgericht: Vernehmung von Mordverdächtigem kam nicht zustande
Während Eren Y. noch am Tatort starb, konnte seine Freundin durch das schnelle Handeln eines Kellners des nahegelegenen Brauhauses gerettet werden. Der drückte der Verletzten Stoffservietten auf die sprudelnde Wunde, band sie mit einer Tischdecke ab. Dann übernahmen die alarmierten Rettungskräfte. Die 29-Jährige wurde notoperiert, überlebte knapp. „Mein Leben ist kaputt“, sagte sie bei der Polizei. Und bekräftigte im Gericht: „Da hat sich bis heute nichts dran geändert.“
Marco C. und Emre U. waren über Griechenland in die Türkei geflohen. U. sorgte im Prozess für Wirbel, als er über seinen türkischen Anwalt eine Videovernehmung angeboten hatte. Angeblich wollte er den Angeklagten entlasten, es habe keinen Mordauftrag gegeben. Marco C. habe völlig überraschend geschossen. Zu einer Aussage kam es nicht. Der Richter hielt nur eine persönliche Vernehmung in Köln für zielführend, zu der war U. trotz Zusicherung freien Geleits aber nicht bereit.