Mülheim – Die Adam-Stegerwald-Siedlung gleicht einer riesigen Baustelle. Die Deutsche Wohnungsgesellschaft (Dewog) hat begonnen, fast 600 ihrer Wohnungen dort energetisch zu sanieren. Außerdem wird an mehreren Blocks das Dachgeschoss ausgebaut, um 94 weitere Wohnungen zu schaffen. Die Gebäude erhalten Aufzüge an der Fassade der Treppenhäuser. Die Stegerwald-Siedlung soll nach dem Willen der Stadt ein „Leuchtturm-Projekt für nachhaltiges Bauen in den Bereichen Luftqualität, Energieverbrauch und Mobilität“ werden. Die EU fördert die Maßnahme im Rahmen ihres Programms „Grow Smarter“. Die an dem Projekt beteiligten Partner haben die Bewohner der Siedlung jetzt über die vielfältigen Möglichkeiten des Programms informiert.
Fernwärme im Winter
„Die Stegerwald-Siedlung soll Kölner Vorreiter im Energiesparen sein“, sagte Holger Kahl von der Rhein-Energie. Die zu sanierenden Häuser erhalten Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen. Im Winter komme Fernwärme hinzu. Die Kellerdecken werden isoliert – durch ökologisches Energiemanagement soll der Kohlendioxid-Ausstoß um bis zu 60 Prozent gesenkt werden. Die Firma AGT stellt eine Technik vor, mit der die Mieter ihren Energieverbrauch computergestützt kontrollieren und regeln können.
Um den Verkehr und die Parkplatzsuche auf ein Minimum zu reduzieren, stellten weitere Beteiligte ihre Konzepte vor. Das Car-Sharing-Unternehmen Cambio warb mit Elektroautos, die nach Bedarf ausgeliehen werden können. Frank Gassen-Wendler von der KVB präsentierte die Leihräder seines Unternehmens: „Wir stellen schon fast 1.000 der Fahrräder bereit, 2016 kommen E-Bikes hinzu.“ Wer eine Chipkarte der KVB besitze, dürfe diese kostenlos nutzen.
Ein anderes Unternehmen warb mit einer Applikation für eine vereinfachte Parkplatzsuche. „Wir haben die Stegerwald-Siedlung als zentrales Grow-Smarter-Projekt für Köln ausgesucht, weil es hier schnell umgesetzt werden kann“, sagte Reiner Gottschlich von der Koordinierungsstelle Klimaschutz der Stadt. Hier habe alles gepasst: Eine Siedlung sollte saniert werden – den EU-Vorgaben zufolge muss es sich zwingend um vorhandenen Wohnungsbestand handeln –, die fachkundigen Partnerunternehmen standen bereit, und die Fördermittel waren bewilligt.
Mieter reagieren verunsichert
Die energetische Sanierung wird zu 70 Prozent von der EU gefördert, maximal jedoch mit 2,85 Millionen Euro; die Dewog kommt für die restlichen Kosten auf. „Europa fördert auch Produkte, mit denen die Bewohner Energie sparen“, sagte Gottschlich.
Einige Mieter der Siedlung reagierten verunsichert auf die Ideen. „Die Technik zum Energiesparen würde ich gern nutzen, aber das Parkkonzept und die Fahrrad-Leihe sind mir zu kompliziert“, sagte Claudius Gulbins. Roswitha Müller beschwerte sich vor allem über die Umstände, die die Sanierung den Anwohnern bereite. So müssen die Mieter etwa den Inhalt ihrer Kellerräume in Containern vor dem Haus unterbringen. „Ich mache da nicht mit, 16 Parteien sollen sich einen Container teilen“, sagte sie. Einen davon habe sie bereits unverschlossen vorgefunden. Außerdem seien in den Kellern Löcher in asbesthaltiges Material gestemmt worden. „Ich traue mich da nicht mehr runter“, sagte Müller. Dass die Miete von zurzeit sieben Euro pro Quadratmeter um 2,97 Euro steigen soll, missfällt der Mieterin ebenfalls.
„Die Container dürfen nicht offen sein“, entgegnete Dewog-Geschäftsführer Rouven Meister. Er habe angewiesen, umgehend neue Schlösser anzubringen und die Schlüssel an die Mieter zu verteilen. Er versicherte, dass der gebundene Asbest in den Kellern fachgerecht und vollständig zurückgebaut werde. Die Mieterhöhung sei dagegen moderat und mit der Stadt abgestimmt. „Der Gesetzgeber erlaubt, bis zu elf Prozent der Sanierungskosten umzulegen – wir verlangen lediglich die Hälfte.“