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Konsequenz aus ArchiveinsturzKölner Feuerwehr bekommt XXL-Notfallbox für Kulturgut

Lesezeit 3 Minuten
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Die Anschaffung der mobilen Rettungseinheit hat 125.000 Euro gekostet.

  1. Vor mehr als zehn Jahren ist das Kölner Stadtarchiv eingestürzt und hat 30 Regalkilometer Urkunden, Akten und Nachlässe mit in die Tiefe gerissen.
  2. Als Konsequenz aus den Erfahrungen verfügt die Kölner Feuerwehr ab sofort über einen Erste-Hilfe-Container für Kulturgut.
  3. Die mobile XXL-Rettungsbox ist bundesweit einmalig. Die Hintergründe.

Köln – Als am 3. März 2009 die einstürzenden Betonmassen des Stadtarchivs rund 30 Regalkilometer Urkunden, Akten, Handschriften, Nachlässe, kurzum das schriftliche Gedächtnis der Stadt mit in die Tiefe riss, da hätten sich die entsetzten Archivare diesen Container dringend gewünscht.

Hier lesen Sie mehr: Der Tag, der Köln veränderte – Das Minutenprotokoll der Stadtarchiv-Katastrophe

Ein Erste-Hilfe-Laboratorium, das von der Berufsfeuerwehr schnell an Ort und Stelle gebracht und mit eigenem Wasser und Strom versorgt wird, mit allen Materialien an Bord, die für einen Kulturgut-Notfall gebraucht werden: Schutzbekleidung, Reinigungsutensilien, Dokumentationstechnik.

Bundesweit einmalige mobile XXL-Rettungsbox

Seit Mittwoch verfügen nun die 25 im Notfallbund Kölner Archive und Bibliotheken vereinten Einrichtungen über diese bundesweit einmalige mobile XXL-Rettungsbox: Ein Laborraum in einem Abroll-Container, ausgerüstet mit Arbeitsstationen zum Abspülen von Zement, Dreck und Staub, zur Grobreinigung, zum Einschweißen der beschädigten Dokumente, Fotos, Siegel in Plastikfolien, zum Fotografieren und zur sofortigen Verbringung in Kältekammern. So sollen die Havarieopfer relativ rasch auch digital identifizierbar sein.

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Das Labor verfügt über Einrichtungen zum Reinigen und Einschweißen der betroffenen Kulturgüter.

„Die erste Hilfe vor Ort ist mitentscheidend für die spätere Restaurierung und Konservierung“, erklärt Nadine Thiel, die Leiterin des Restaurierungs- und Digitalisierungszentrums der Stadt Köln. „Mit dieser mobilen Rettungseinheit ziehen wir die praktischen Konsequenzen aus den Erfahrungen, die wir seit 2009 bei Katastrophenfällen in Köln, in Weimar oder 2018 in Rio de Janeiro machen mussten.“ Ulrich Fischer, Vorsitzender des Kölner Notfallverbunds, erklärte, dass das Archiv-Personal regelmäßig durch Übungen den Havarie-Ernstfall proben werde, ob Alarmketten und oder Koordination mit der Feuerwehr und anderen Hilfsorganisationen.

Idee existierte schon vor dem Archiveinsturz

Die Idee für diesen Container hatte die Kölner Berufsfeuerwehr schon vor dem Archiveinsturz. Ursula Hartwieg, Leiterin der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts an der Staatsbibliothek Berlin (KEK), erklärte: „Es brauchte ganz konkret diese Kölner Kulturgut-Katastrophe, damit sich Bund und Länder endlich zusammengerauft haben, um 2011 die KEK als Antwort auf Köln ins Leben zu rufen“.

So wurden 2015 erstmals bundesweite Handlungsempfehlungen veröffentlicht, die fachliche Orientierungen für alle Handelnden geben – und endlich wurde auch diese präventive Maßnahme realisiert: die „feuerrote Kölner Schönheit“. Oberbürgermeisterin Henriette Reker dankte allen, die ihren finanziellen Beitrag zur Anschaffung des 125.000 Euro teuren Containers geleistet haben: neben der KEK auch die Stadt und die Sparkasse Köln-Bonn.

Fördermitteln in Höhe von 4,3 Millionen Euro

Mit Fördermitteln in Höhe von 4,3 Millionen Euro konnte die KEK, so Hartwieg, bereits 354 Projekte fördern, darunter 39 Vorsorgeprojekte. Nordrhein-Westfalen sei das aktivste Land in Sachen Notfallvorsorge für Kulturgut. Die relativ geringen Anschaffungskosten für Notfall-Boxen würden sich unglaublich verzinsen, da sie enorme Folgekosten verhinderten. „Je besser eine Einrichtung für den Notfall vorbereitet ist, umso besser ist das Kulturgut vor Schäden geschützt“, so Hartwieg.

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Der Container wurde in Porz-Lind vor dem Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum des Historischen Archivs der Berufsfeuerwehr übergeben. Bettina Schmidt-Czaia, Leiterin der Einrichtung, sieht sehnsüchtig dem Einzug des seit Jahren auf vier Standorte in Deutschland verteilten Kölner Archivs im neuen Gebäude am Kölner Eifelwall entgegen. Die Mitarbeiter seien längst mit den Umzugsvorbereitungen beschäftigt.

Leider werde das neue Labor etwas kleiner sein als in Lind. Rund 75 Prozent des havarierten Archivbestandes seien inzwischen dokumentiert und digitalisiert. Die Wiederherstellung werde noch 30 Jahre brauchen. Für immer verloren seien rund fünf Prozent der Schätze, die einst auf 30 Regalkilometern verwahrt wurden. Macht 1500 Meter unersetzlicher historischer Dokumente, die verloren sind – alles andere als „Meterware“.