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Nach CSD-ParadeEinsatz könnte schwere Folgen für Kölner Polizisten haben

Lesezeit 4 Minuten

Kurz nach der Auflösung der CSD-Parade 2016 eskalierte ein Polizeieinsatz in der Marzellenstraße.

Köln – Am Nachmittag des 3. Juli 2016, die Parade des Christopher Street Day löst sich gerade auf, fährt die Polizei zu einem Routineeinsatz in die überfüllte McDonalds-Filiale an der Marzellenstraße. Ein kleines Mädchen soll vor den Toiletten geschubst worden sein. Tatsächlich eine Petitesse, wie sich vor Ort herausstellt: Die Mutter des Mädchens will von einer Anzeige nichts wissen, ihrer Tochter sei zum Glück nichts passiert.

Auf einem Stuhl vor den Toiletten sitzt ein schlaksiger junger Mann, den die Polizisten für den Beschuldigten halten. Irrigerweise, wie sich später herausstellt: Der Mann hat lediglich zwei Frauen geholfen, die sich an der Männertoilette angestellt hatten und von einem Betrunkenen bepöbelt worden waren. „Ich habe mich beim Lesen der Akte mehrfach gefragt, warum wir heute überhaupt hier sind“, sagte der Vorsitzende Richter am Kölner Landgericht am Dienstag. Er weiß allerdings, dass es längst um Grundsätzliches geht: Zum Beispiel um die Frage, was die Polizei mit Verweis aufs Polizeigesetz darf – und was nicht.

Mann von Polizei angeklagt

Angeklagt ist der junge Mann, der vor der Toilette saß. Wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, Beleidigung und Körperverletzung hatte die Polizei ihn angezeigt. Im Mai 2018 war der Beschuldigte vor dem Amtsgericht freigesprochen worden – die Richterin hatte es als erwiesen angesehen, die Polizei habe „übertrieben gehandelt“. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein – mit der Folge, dass der Einsatz nun an vier Verhandlungstagen ausgeleuchtet wird und in ein Verfahren gegen mindestens einen Beamten münden könnte.

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Schon, dass der erste Polizist, der vor Ort war, den jungen Mann, weil der seinen Namen nicht sagen wollte und um sich schlug, mit einem „Blendschlag“ niederstreckte, hielt der Richter für unangemessen: Der hagere Mann, der auf einem Stuhl saß, habe mit seiner Hand ausgeholt, er habe sich einfach wehren müssen, argumentierte der Polizist, der fast doppelt so schwer ist wie der Angeklagte.

Wann darf die Polizei jemanden in Gewahrsam nehmen?

Für juristisch äußerst fragwürdig hielt der Richter es auch, den stark verängstigten Mann sodann aufs Polizeipräsidium zu bringen, um ihn in Gewahrsam zu nehmen. Es tue sich hier grundsätzlich die Frage auf, wann die Polizei Menschen in Gewahrsam nehmen dürfe. Er sei davon ausgegangen, dass „es sonst zu weiteren Störungen oder Straftaten kommen könnte“, sagte der Polizist, der den Einsatz verantwortete. Die von dem Beamten genannten Gründe – Trunkenheit, Beleidigung, Widerstand (der Polizist zeigte einen Kratzer am Arm an) – seien „kein hinreichender Grund. Sie bewegen sich da auf möglicherweise nach Strafprozessordnung auf sehr dünnem Eis“, so der Richter.

Einkrachen könnte die Eisdecke mit der Anordnung einer Blutprobe in der Zelle: Eine solche muss vom Gericht angeordnet und bei der Staatsanwaltschaft beantragt werden – der Polizeihauptkommissar hatte dies mit dem Verweis, dass dort „sonntags eh niemand zu erreichen“ sei, nicht getan. Und sich offenbar selbst ermächtigt. Sowohl ein Staatsanwalt wie eine Richterin, die am 3. Juli 2016 Dienst hatten, sagten indessen aus, erreichbar gewesen zu sein. An den konkreten Fall erinnern konnten sie sich nicht.

Verantwortlicher Hauptkommissar wird schwer belastet

„Ich würde einer Blutentnahme immer nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft zustimmen“, sagte die seinerzeit diensthabende Richterin. So könnte die Blutentnahme, der der Mann nicht zustimmte, den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen.

Schwer belastet wird der verantwortliche Hauptkommissar, der am Dienstag als Zeuge auftrat, von einer ehemaligen Kollegin, die an dem Tag mit ihm Dienst hatte: Die 38-Jährige sagte aus, ihr damaliger Vorgesetzter habe den Angeklagten in dem Imbiss und draußen vor der Fahrt ins Präsidium „mehrfach in die Körpermitte geschlagen und getreten“. Schon vor einem Jahr hatte sie ausgesagt, den Kollegen als „unangemessen aggressiv erlebt“ zu haben. Pikanterweise war ebendieser Polizist seinerzeit ihr Tutor – und verantwortlich für ihre Beurteilung im abschließenden Praktikum der Kommissarsausbildung.

Die Anwärterin fiel durch, erstritt allerdings vor dem Verwaltungsgericht eine neue Chance. Die hat sie nun ergriffen: Vor zwei Wochen bestand sie ihr abschließendes Praktikum in einer anderen Dienststelle mit der Note eins. Nun könnten die Aussagen der Kommissarin dazu führen, dass ihr ehemaliger Kölner Vorgesetzter sich irgendwann selbst vor Gericht verantworten muss. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Ein Urteil wird für den 27. März erwartet.