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Nach Hass-Mail gegen OB RekerWie die Kölner Polizei mit Todesdrohungen umgeht

Lesezeit 5 Minuten
Jacob und Reker KRASNIQI

Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob und Oberbürgermeisterin Henriette Reker (Archivbild)

  1. Die jüngste Todesdrohung gegen die Kölner OB Henriette Reker ist kein Einzelfall. Die Kölner Polizei muss jeden Monat 20 bis 25 Fälle politisch motivierter Drohungen bewerten.
  2. Wie beurteilt die Polizei, wie ernst die Drohung zu nehmen ist, ob Personenschutz erforderlich ist?
  3. Und wie viel Gefahr geht von dem Mann aus, der Reker mit dem Tod drohte?
  4. Ein Interview mit dem Kölner Polizeipräsidenten Uwe Jacob und zwei seiner Beamten.

KölnHerr Jacob, die Polizei kam früh zum Entschluss, das der Verfasser der Drohmails gegen Henriette Reker nicht gefährlich ist. Nach welchen Kriterien bewerten Sie das?

Uwe Jacob: Diese so genannte Beurteilung der Gefährdungslage ist ein abgestuftes, bundesweit einheitliches Verfahren. Wir gucken uns den Sachverhalt an, wir sprechen mit den Betroffenen, in diesem Fall natürlich auch mit Frau Reker. Wir tauschen bundesweit Informationen mit anderen Behörden aus. Und wir bewerten, welche Aufmerksamkeit diese Bedrohung in der Öffentlichkeit hat und ob vielleicht auch Trittbrettfahrer eine Gefahr sein können.

Wie war das im Fall Reker?

Alles zum Thema Henriette Reker

Jacob: Da war sehr schnell klar, dass es sich um einen Vielschreiber handelt, der schon häufig Prominente, auch Frau Reker, bedroht hat. Der zwar Unsägliches schreibt, von dem aber zunächst einmal keine Gefahr ausgeht. Hinzu kommt: Henriette Reker ist eine sehr starke Frau, die sagt: Ich fühle mich nicht bedroht. Und so tritt sie ja auch zum Glück in Köln auf.

Ist die Zahl politisch motivierter Bedrohungen in den vergangenen Jahren gestiegen?

Michael Esser: Generell haben wir keine signifikante Veränderung feststellen können.

Zu den Personen

Uwe Jacob ist seit zwei Jahren Polizeipräsident in Köln. Zuvor war der gebürtige Duisburger fast vier Jahre Chef des Landeskriminalamtes NRW in Düsseldorf.

Martin Lotz leitet bei der Polizei Köln die Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz, ist somit Chef aller Wachdienstbeamten im Streifendienst.

Michael Esser leitet die Kriminalinspektion Staatsschutz bei der Polizei Köln.

Jacob: Im politischen Bereich bewerten wir im Durchschnitt 20 bis 25 Fälle pro Monat. Meistens kommen wir zum Ergebnis: Das ist noch unterhalb der Schwelle, dass wir Maßnahmen treffen müssen im Sinne von Objektschutz oder Personenschutz. Da reichen Gespräche, Verhaltenshinweise oder Verabredungen: Wenn Sie sich bedroht fühlen, können Sie diese Nummer anrufen, dann sind wir schnell da.

Martin Lotz: Eine Verhaltensberatung ist der Regelfall. Wir geben dem Gefährdeten Hinweise, wie er sich schützen kann. Dass er bestimmte Dinge besser nicht tut, dass er seinen Standort nicht kundtut, dass er nicht immer postet, wo er hingeht. Bis hin zum Fall der Fälle: Was muss ich machen, wenn mich der Gefährder anspricht? Wir geben darüber hinaus Hinweise, wie man sein Zuhause sicherer machen kann oder wie man sich mit dem Auto bewegen sollte. Zusätzlich wirken wir auf den Gefährder ein, wenn wir ihn kennen, machen so genannte Gefährderansprachen.

Polizeidirektor Martin Lotz 

Wie viele Menschen in Köln stehen derzeit unter Personenschutz der Polizei?

Jacob: Die konkrete Zahl möchte ich nicht nennen. Aber Personenschutz ist natürlich die aufwendigste aller Maßnahmen. Es ist nicht so wie im Kino, wo ein schlauer und starker Bodyguard alles alleine macht.

Wie viele Beamte sind erforderlich, um eine Person rund um die Uhr zu bewachen?

Jacob: Wir sind eine von drei Polizeibehörden in NRW, die über speziell fortgebildete Einsatzkräfte für Personenschutz verfügen, die auch über Köln hinaus zuständig sind. Detaillierte Zahlen möchte ich aus taktischen Gründen nicht nennen.

Wen beschützen diese Beamten?

Jacob: Ich möchte betonen, dass sämtliche Schutzmaßnahmen, die wir treffen, ausdrücklich nicht nur für Prominente, Künstler, vermeintlich Prominente oder andere bekannte Personen gelten, sondern sie sind für jeden Menschen gleich. Denken Sie an ein versuchtes Tötungsdelikt, bei dem der Täter noch frei ist. Denken Sie an einen Ehrenmord, wo junge Frauen mit Migrationshintergrund aus Sicht der Familie die falschen Freunde hatten. Oder an Fälle häuslicher Gewalt, die fast täglich in Köln vorkommen. Auch da wird immer eine Beurteilung der Gefährdungslage vorgenommen, und gegebenenfalls werden Schutzmaßnahmen ergriffen.

Michael Esser

Esser: Wir bewerten nicht nur die Gefahr für einzelne Personen, sondern auch, ob für die Besucher von Veranstaltungen wie den Kölner Lichtern, dem CSD oder dem Summerjam eine Gefahr besteht.

Jacob: Auch die Freundin eines Rockers, die sich von ihm trennen möchte, kann bedroht sein.

Wie viele Schutzmaßnahmen leisten Sie pro Monat in Köln?

Lotz: 20 bis 30, und zwar ganz unterschiedlicher Dimension. Hinzu kommt der Objektschutz bei etwa 25 Gebäuden.

Esser: Zum Beispiel am Dom, am Flughafen, am Hauptbahnhof oder an der Synagoge – an Gebäuden, wo eine erhöhte Gefährdungslage besteht.

Brauchen Bürgermeister in Deutschland mehr Polizeischutz?

Jacob: Wir leben in einer sehr sicheren Gesellschaft. Wenn ein Bürgermeister bedroht wird, kümmert sich die Polizei natürlich darum. Das sind schlimme Einzelfälle. Und es ist heute leider sehr einfach, jemanden in sozialen Netzwerken zu bedrohen. Aber weil ein paar Leute unsägliche Nazibriefe schreiben, ist glücklicherweise nicht jeder Bürgermeister bedroht.

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Es wäre ja fürchterlich, wenn unsere politischen Vertreter deshalb nicht mehr öffentlich auftreten könnten. Diesen Zustand haben wir in Deutschland glücklicherweise nicht.

Lotz: Ein gewisses Restrisiko wird bleiben. Ich rede jetzt mal als Bürger, nicht als Polizist: Wir wollen doch in der deutschen Gesellschaft nicht, dass neben jedem Bürgermeister demnächst immer einer mitläuft, der ihn beschützt. Wir haben eine bestimmte Erwartung daran, wie wir uns hier frei bewegen dürfen – wenn wir das nicht schaffen, dann muss man den Staat wirklich in Frage stellen. Da sind wir aber noch lange nicht, und das sollten wir uns auch nicht einreden lassen.

Esser: Entscheidend ist, dass die Sicherheitsbehörden Kenntnis haben von einer Bedrohung. Dann ist gewährleistet, dass die Gefährdung bewertet und Schutzmaßnahmen umgesetzt werden.

Sie sprachen eben vom Kino, Herr Jacob. Im Film verliebt sich der Bodyguard schon mal in die weibliche Schutzperson.

Jacob: Das habe ich in der Realität noch nie erlebt. Aber dass der Personenschützer Trauzeuge ist, ist tatsächlich schon mal vorgekommen.