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Niehler HafenAnglerglück zwischen Containern

Lesezeit 5 Minuten

HGK-Lokführer Torsten Schmitz vor dem Führerhaus seines 1100 Tonnen schweren Güterzuges.

Niehl – Noch eine Fahrt durchs Stadtgebiet und ein wenig Rangieren, dann hat Lokführer Torsten Schmitz frei. Auf dem Schienenweg des Westkais, des landseitigen Piers im Niehler Hafen, überprüfen Kollegen, ob alle Container seiner Bahn fest sitzen und die Bremsen greifen. "Heute ist mein Zug 690 Meter lang", sagt Schmitz. Das würde reichen, um die Spielfläche des Rhein-Energie-Stadions zweimal komplett mit Waggons zu umstellen.

Mit seiner 2400 PS starken Lok begibt er sich auf die rund 30 Kilometer lange Strecke über Bickendorf, Ehrenfeld und den City-Schienenring in Richtung Güterbahnhof Eifeltor. "Dort übernimmt ihn dann die Deutsche Bahn und fährt nach Holland", so Schmitz. Seit fünf Jahren fährt er für die Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK). "Der Reiz am Lokführer-Sein, das sind die schönen Strecken und Landschaften - und dass man auf dem Zug sein eigener Chef ist", sagt er. "Es ist faszinierend, eine so große Maschine zu bewegen - ich habe mir den Traum vieler Jungen erfüllt." Heute aber kämpft er mit mehr als 40 Grad in der Lok. "Da ist man froh, wenn man Fahrtwind hat."

Genau am Anfang des Stapelkais, dem mittigen Anlegeplatz im Niehler Hafen, landete der Dartpfeil auf der Redaktions-Köln-Karte. Der Ortstermin wird am wohl heißesten Wochenende des Jahres zur Hitzeschlacht: Der Asphalt sowie Kies und Schotter der Schienenstrecke glühen, die Lasur der Holzplanken scheint unter den Schuhsohlen flüssig zu werden. Die sengende Sonne spiegelt sich im Wasser der Hafenbecken. An einem Ufer dümpelt das Frachtschiff "Thekla", nur leise Motorengeräusche sind aus dem Maschinenraum zu hören.

Plötzlich steigt eine Person die Treppen des Hafenbeckens zwischen West- und Lagerhauskai herunter. Der Kapitän? Nein - ein Hobbyangler. "Nennen Sie mich Reinhold", meint er. Er gehört zur Angel-Sportgruppe der HGK und will am Ausläufer des Hafenbeckens Köderfische fangen. Hier, acht Meter tiefer, herrscht fast Strandidylle: Viele Pflanzen, darunter ein Hagebuttenstrauch, wachsen die Kaimauer hinauf; Sand und Kies am Ufer treffen auf azurblau-grünlich schimmerndes Wasser. Hier unten ist es durch das Mauerwerk noch ein wenig heißer als oben. Reinhold hat bereits als Schüler geangelt. "Als ich vor ein paar Jahren an der Küste gelebt hatte, gewann ich das Interesse am Angeln zurück - und machte vor 20 Jahren den Fischereischein." Im weiter östlich liegende Hafenbecken 4 angelt er häufig Aale und Zander. "Mein größter Zander war fünf Kilo schwer, das ist dann schon ein richtig großer Brocken."

Nachdem sich die HGK-Lok mit lautem Zischen der sich lösenden Bremsen auf den Weg in den Kölner Westen gemacht hat, merkt man, wie still es im flächenmäßig größten Kölner Hafen auf einmal wird. Um zwölf Uhr mittags bietet sich eine Szenerie tatsächlich fast wie im Western-Klassiker "Zwölf Uhr mittags": Hin und wieder fährt ein Lastwagen über den staubbedeckten Asphalt. Ab und zu hört man Vögel zwitschern und spürt eine leichte Brise. Und das Brummen der Flugzeuge: Auf die violette ungarische "Wizz Air" folgt ein silberner Germanwings-Flieger - und auf einmal wird einem wieder bewusst, dass bei Niehl die Flughafen-Einflugschneise beginnt.

Etwas Bewegung nehmen wir schließlich am Stapelkai wahr: Ein Spediteur der Metro lädt Fracht bei der Cateringfirma "Q1" ab, die auf vielen Messen und Events für die Verpflegung sorgt - wenn viele andere feiern, wird hier gearbeitet. Im Lager stehen palettenweise Lebensmittel, Getränke, Zutaten und Zubehör wie Reiniger und Partygeschirr. Lagerist Laassad Fakuürn kommt uns entgegen. "Alle Kollegen sind bis Sonntag im Einsatz - vor allem wegen der Gamescom, aber auch auf der Messe in Essen", sagt er. Derweil halte er die Stellung und nehme Lieferungen entgegen. "Ich bin hier der Mann für alle Fälle", schmunzelt der 45-Jährige.

Während in der Altstadt, auf den Ringen und um die Messehallen beim "Weltjugendtag für Computerspiele-Nerds" das Leben tobt, kommt man in den Weiten des Hafenareals zu einer fast meditativen Ruhe. Etwas Leben ist erst wieder auf dem Parkplatz am Cranachwäldchen - der Idylle zwischen Hafen und Rheinufer, wo es viele Ausflügler hinzieht.

Doch 150 Meter weiter holt einen wieder die Ruhe ein. Auf den riesigen Busparkplatz zwischen den Fahrspuren des Kuhwegs haben sich gerade einmal fünf Busse verirrt. Der Fahrer einer niedersächsischen Busreise-Firma wartet hier bis 15.30 Uhr, um seine Gäste aus der Stadt abzuholen. Er hält sich im klimatisierten Innern des Gefährts auf, während draußen der Asphalt vor Hitze weich wird. Mit dem abgelegenen Platz ist er alles andere als glücklich. "Köln ist die schlimmste Stadt, die es für Busfahrer gibt", meint der Buslenker, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. "Man ist hier draußen so am A... der Welt, es gibt hier nicht einmal eine Imbissbude - das gibt es so in keiner anderen Stadt", schimpft er. Kein Wunder, dass viele Kollegen diesen Platz mieden, wo sie nur könnten. "Alle wollen Touristen, aber keiner die Busse in der Stadt haben." Seine Reisegruppe war gegen Vormittag von einer Wochenendtour zur Venloer Gartenschau "Floriade" angereist - und verbringt nun einen Shoppingtag in Köln, bevor es wieder zurück zum Tourstartort Düsseldorf geht.