Longerich – Samstags ist regelmäßig Großkampftag bei den Rheingold-Freunden in ihrer Halle des Eisenbahnmuseums in Longerich. Schon am frühen Morgen checken sie die Technik, bestücken den historischen Zug mit Getränken, reinigen die Abteile und die Glaskuppel des Panoramawagens, bereiten die nächste Fahrt vor. Doch ob das noch lange so gehen wird, ist ungewiss. „Wenn wir Pech haben, fahren wir demnächst keinen Meter mehr. Weil wir den Zug nicht mehr aus der Halle kriegen.“
Ein Eisenbahnmuseum ohne Gleisanschluss. Was Norbert Huppert (61) vom Freundeskreis Eisenbahn Köln (FEK) beschreibt, ist so absurd, dass man Zug um Zug erklären muss, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Dabei geht es letztlich um 100 Meter Gleis und einen Prellbock.
Einspruch gegen das Verfahren versäumt
Doch der Reihe nach: 2009 verkauft die Immobilientochter der Deutschen Bahn Teile ihres ehemaligen Bahnbetriebswerkgeländes in Nippes an einen Müllentsorger. Beim Eisenbahnbundesamt, der zuständigen Aufsichtsbehörde, beantragt die Bahn gleichzeitig die sogenannte Entwidmung des Geländes. Die Begründung: Für den Eisenbahnbetrieb des Bundes wird es nicht mehr benötigt. Die Behörde stimmt zu. Diese Entwidmung ist Voraussetzung dafür, dass die Stadt Köln den Flächennutzungsplan ändern und einen neuen Bebauungsplan aufstellen kann, damit das Gelände künftig als Gewerbegebiet genutzt werden kann.
„Das Eisenbahnbundesamt hätte das niemals genehmigen dürfen“, sagt Rheingold-Freund Huppert. „Es mag ja stimmen, dass die DB die Gleise für ihren Zugbetrieb nicht mehr braucht. Aber wir brauchen sie. Wir arbeiten mit einem Eisenbahnunternehmen zusammen, damit wir den Rheingold überhaupt fahren können.“
Dieses Eisenbahnunternehmen, die Rhein-Sieg Eisenbahn GmbH, ist über die geplante Entwidmung des Geländes vom Eisenbahnbundesamt aber gar nicht informiert worden. Die Behörde stellt sich auf den Standpunkt, die Rhein-Sieg Eisenbahn hätte rechtzeitig Einspruch gegen das Verfahren einlegen müssen. Schließlich sei die Entwidmung wie vorgeschrieben mit den entsprechenden Fristen im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht worden.
Ist das gesamte Verfahren fehlerhaft?
Norbert Huppert schreitet die Gleisanlagen entlang. Oder besser jenen Teil, der noch nicht demontiert worden ist. An der letzten Weiche, von der drei Gleise zur Rheingold-Halle abzweigen, bleibt er stehen. Von hier aus sind es knapp 100 Meter bis zum Ende des Schienenstrangs. „Es geht um diese 100 Meter. Wenn wir die nicht mehr haben, können wir nur noch ein Gleis in unserer Halle nutzen. Unser längster Wagen misst 27,50 Meter. Wir können nicht mehr rangieren, wir können nicht mehr fahren.“ Huppert dreht sich um.
„Zurzeit fahren wir von hier aus noch in einem Zug bis Kopenhagen.“ Ob die Entwidmung rechtens war, wollen die Rheingold-Freunde jetzt vor dem Verwaltungsgericht klären lassen. Sie sind davon überzeugt, dass das gesamte Verfahren fehlerhaft ist.
Schützenhilfe erhalten sie dabei von den Politikern in der Bezirksvertretung Nippes. Winfried Steinbach (SPD), der sich seit Jahren um das Eisenbahnmuseum kümmert, hat sofort Alarm geschlagen, als das Stadtteilparlament über die Änderung des Flächennutzungsplans entscheiden sollte. Der Stadtentwicklungsausschuss solle erst prüfen, ob es keine Verfahrensfehler gegeben habe.
Unter dem Dach des Eisenbahnmuseums Köln in Longerich haben sich drei Vereine zusammengeschlossen. Der Freundeskreis Eisenbahn Köln (FEK) aus dem Jahr 1955 restauriert und pflegt mit rund 200 Mitgliedern vor allem den historischen Rheingold-Zug. Das Rheinische Industriebahnmuseum (RIM), gegründet 1987, hat es sich mit rund 60 Mitgliedern zur Aufgabe gemacht, historische Eisenbahnen aus dem näheren Rheinland zu erhalten. Es ist seit 1992 im ehemaligen Betriebswerk der Deutschen Bundesbahn in Nippes untergebracht.
Der nächste Betriebstag im Rheinischen Industriebahnmuseum ist am Samstag, 3. November, 19 bis 3 Uhr, im Rahmen der langen Museumsnacht. Das Museum erreicht man über die Longericher Straße, Treppenaufgang in der Mitte der Bahnunterführung. www.rimkoeln.de
Der Feuerwehrmuseumsverein Köln, der seit 1988 existiert, hat mit seinen zehn Mitgliedern eine Sammlung aus 100 Jahren Feuerwehrgeschichte zusammengetragen. Er sucht seit längerem eine neue Halle für die Fahrzeuge. www.firekalle.de
Die Rhein-Sieg Eisenbahn GmbH mit Sitz in Bonn ist der Vertragspartner des Museums. Der FEK nutzt das Personal und das Equipment dieser Eisenbahngesellschaft, um den Rheingold fahren zu können. www.rse-bonn.de
Für den Betrieb des Rheingold hat der FEK 1989 eine eigene Betriebsgesellschaft gegründet. Sie veranstaltet bis zu 100 Fahrten pro Jahr oder leiht einzelne historische Waggons an andere Bahngesellschaften für touristische Fahrten aus.
www.rheingold-zug.com
Für Steinbach steht fest, dass es einiges zu bemängeln gibt. „Die Rhein-Sieg Eisenbahn hat den Gleisanschluss von der DB gemietet. Also hat die Bahn gewusst, das dort Eisenbahnbetrieb stattfindet. Das musste auch dem Eisenbahnbundesamt bekannt sein.“ Ein Bahngelände, auf dem ein Verkehrsunternehmen ansässig ist, müsse aber immer als Einheit betrachtet werden. Das schreibe das preußische Bahneinheiten-Gesetz von 1895 vor. „Das Gesetz ist 2007 noch einmal novelliert worden und war bis 2010 auch in NRW gültig“, sagt Steinbach. Im übrigen verfüge die Rhein-Sieg Eisenbahn über eine gültige Betriebsgenehmigung der Bezirksregierung – für den Rheingold-Express, der bald nicht mehr fahren kann, weil man ihm das Gleis abschneidet.