Köln – Bereits einen Tag nach dem Russland die Ukraine angegriffen hatte, bereitete sich Köln darauf vor, Geflüchtete aus dem osteuropäischen Land aufzunehmen. „Köln steht zusammen in Solidarität mit unseren ukrainischen Freunden“, so Oberbürgermeisterin Henriette Reker. In der Stadt seien „Menschen, die durch Krieg vertrieben werden, zu jeder Zeit willkommen“.
Am späten Samstagabend ergänzte sie: „Die Stadtverwaltung organisiert derzeit Möglichkeiten zur Aufnahme ukrainischer Geflüchteter und prüft, wie wir den Menschen im Land praktisch und koordiniert helfen können.“ Wie zu hören war, könnten am Dienstag die ersten Flüchtlinge eintreffen.
Der Kölner Flüchtlingsrat hatte die Ankündigung der Oberbürgermeisterin begrüßt. „Das ist ein sehr gutes Statement“, sagte Geschäftsführer Claus-Ulrich Prölß. Der neue Kölner Verein Helpbus möchte Hilfsorganisationen dabei unterstützen, Busse an die ukrainische Grenze zu schicken, um Geflüchtete koordiniert nach Deutschland zu bringen.
Die Vereinten Nationen gingen am Donnerstag von 100.000 Menschen aus, die in der Ukraine geflüchtet seien. Polen und Rumänien bereiteten sich auf eine Million beziehungsweise 500.000 Geflüchtete vor, die sie aufnehmen müssten, wie Prölß sagte. Noch gibt es aber Unwägbarkeiten. So sei derzeit nicht klar, ob die ukrainische Westgrenze überhaupt noch von der Ukraine oder von Russland kontrolliert werde. Zudem habe Kiew verfügt, dass Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren nicht mehr ausreisen dürften, sondern die Armee unterstützen sollen. Niemand könne daher sagen, wie viele Flüchtlinge Köln erreichen werden, so Prölß.
„Es wird etwas auf uns zukommen“, sagte der Leiter des Wohnungsamts, Josef Ludwig, beim Runden Tisch für Flüchtlingsfragen am Freitag. Er kündigte an, dass die Stadt die Unterkunftsreserve mit 1500 Plätzen aktivieren werde. Diese hält die Kommune vor, um auf unvorhersehbare Ereignisse reagieren zu können. Fraglich sei aber, wie schnell man Personal anwerben könne, um die Flüchtlinge in den Unterkünften betreuen zu können, so Ludwig.
Die Leiterin des Integrationsamts, Bettina Baum, brachte die Idee einer Drehscheibe auf, wie sie im Jahr 2015 eingerichtet wurde. Damals waren am Flughafen Köln/Bonn beheizte Zelte aufgestellt worden, in denen bis zu 1000 Flüchtlinge, die pro Tag per Bus oder Zug kamen, versorgt und anschließend landesweit verteilt wurden. Ludwig und Prölß lehnten die Idee aber ab, da nicht sicher sei, auf welchem Weg und wie viele Flüchtlinge nach Köln kommen könnten. Es sei zudem wahrscheinlich, dass viele Flüchtlinge bei Freunden und Verwandten unterkommen könnten.
Rechtliche Fragen zu Ukraine-Flüchtlingen sind noch nicht geklärt
Unklar sind offenbar auch einige aufenthaltsrechtliche Fragen. Aufgrund eines Sonderabkommens zwischen der EU und der Ukraine dürfen Ukrainer grundsätzlich für 90 Tage in den Schengen-Raum, also auch nach Deutschland, ohne Visum einreisen, wenn sie über einen Reiseausweis mit biometrischen Daten verfügen. „Ich gehe aber davon aus, dass nur 40 Prozent der Ukrainer so ein Dokument haben“, sagte Prölß. Wer einen solchen Pass nicht besitzt, muss ein Visum beantragen. Die deutsche Botschaft in der Ukraine sei allerdings derzeit nicht arbeitsfähig, so dass keine Visa ausgestellt werden könnten. Viele Flüchtlinge könnten also versuchen, illegal einzureisen.
Das Kölner Ausländeramt will wohl Ukrainern, die sich länger als 90 Tage in Köln aufhalten, offenbar unbürokratisch eine Verlängerung einräumen. Entsprechende Signale kämen vom Land NRW, sagte die stellvertretende Amtsleiterin Christina Boeck. Noch nicht geregelt sei allerdings, wie man damit umgehe, wenn ukrainische Flüchtlinge ihren Aufenthalt nicht selbstständig finanzieren oder sich nicht ausweisen können. Dies ist bei einer Einreise etwa mit einem Besuchervisum vorgesehen.
Ukrainische Flüchtlinge könnten auch Asyl beantragen. Dann müssten sie aber nachweisen, dass sie individuell verfolgt wurden. Zudem könnten sie in sichere Drittstaaten, in diesem Fall Polen oder Rumänien, abgeschoben werden. Zudem gibt es die Möglichkeit, subsidiären Schutz zu erhalten. Dieses Verfahren wurde bei vielen Flüchtlingen aus Syrien angewendet. Allerdings müssen Flüchtlinge damit rechnen, ins Heimatland zurückgeführt zu werden, wenn der bewaffnete Konflikt beendet ist.