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Hochwasser in KölnExperten proben den Notfall – kontrollierte Flut am Stadtrand

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In sengender Hitze üben Feuerwehr, Entwässerungsbetriebe und das Technische Hilfswerk das Vorgehen bei einer Jahrhundertflut. 

Köln – Im Notfall wären es Adnan Halili und seine Kollegen, die die Kölner Altstadt vor dem Absaufen bewahren würden. Halili steht in sengender Hitze auf dem so genannten Einlassbauwerk des Retentionsraums im Grenzgebiet von Porz-Langel und Niederkassel-Lülsdorf und schwitzt. Mit einer überdimensionalen Bohrmaschine öffnet er eine Edelstahl-Klappe, die sich unter ihm in dem gebogenen Mauerbauwerk am Rheinufer befindet.

Ab einem Rheinpegel von 10,90 Meter würde das riesige Becken hinter ihm durch diese und 53 weitere Klappen geflutet, um Köln ein wenig Rhein vom Hals zu halten. Bis zu 4,5 Millionen Kubikmeter Wasser würden dann in einen 158 Hektar großen Polder fließen, der in normalen Zeiten landwirtschaftlich genutzt wird. „Dieser Polder ist in der Lage, der Rheinspitze fünf Zentimeter wegzunehmen“, sagt Heinz Brandenburg von den Kölner Stadtentwässerungsbetrieben (Steb): „Diese fünf Zentimeter können darüber entscheiden, ob die Altstadt geflutet wird oder nicht.“

Test kostet fast 200 000 Euro

Bisher ist der Ernstfall in Kölns einzigem steuerbarem Überschwemmungsgebiet noch nicht eingetreten. Die letzten großen Hochwasser waren in den 1990er Jahren, der Polder mit seinen Ein- und Auslassbauwerken wurde aber erst 2008 errichtet (siehe Infokasten).

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Notfallpolder für 17 Millionen Euro

Zwischen 2007 und 2008 wurde der Polder für 17 Millionen Euro von den Städten Köln und Niederkassel gebaut, voll finanziert vom Land. In Köln flossen bislang insgesamt 440 Millionen Euro in den Hochwasserschutz. Hinter dem Polderdeich verläuft wie an den Deichen der Nordsee der „Deichverteidigungsweg“. Anders als am Meer gebe es am Rhein aber keine Deichgrafen oder -hauptmänner. Hier liegt die Wartung in den Händen der Kommunen. Die Anlagen am Rhein müssen alle sieben Jahre mit Übungen auf ihre Funktion getestet werden. (sp)

Doch die Arbeitsabläufe müssen sitzen, wenn der Rhein kommt. Deshalb rückten am Wochenende Feuerwehrleute aus Köln und Niederkassel sowie Mitglieder des Technischen Hilfswerks Köln-Ost und der Steb aus, um gemeinsam den Ernstfall zu proben. Insgesamt waren 250 Einsatzkräfte an der Übung beteiligt, die die Steb zwischen 150 000 und 200 000 Euro gekostet hat.

Während Adnan Halili und weitere Steb-Mitarbeiter die 54 Klappen aufdrehten, pumpten die Feuerwehren durch zwei Kilometer lange Schläuche Rheinwasser in ein unterirdisches Pumpwerk am Fuß des Deichs, der das Becken auf der Landseite abschließt. „So ein Deich ist nie hundertprozentig dicht“, erklärt Heinz Brandenburg, bei den Steb Hauptabteilungsleiter Betrieb. Würde das Becken geflutet, würde Wasser hindurchsickern, wodurch der Grundwasserspiegel anstiege.

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Zwischen Langel und Lülsdorf probten Experten den Hochwasser-Einsatz.

Damit die Keller in Niederkassel aber auch selbst dann trocken bleiben, wurden Brunnen angelegt. Sie fangen das Wasser auf, das bei Erddeichen durchsickert und den Grundwasserpegel gefährlich ansteigen lässt. Über einen Graben unterhalb des Deiches wird dieses Wasser im Ernstfall zu einem Pumpschacht geleitet und dann zurück in den Polder gepumpt. Hauptziel der Übung war es, die Leistung der insgesamt vier Pumpen zu testen.

Vor acht Monaten begannen die Planungen für den städteübergreifenden Großeinsatz, bei dem in Rodenkirchen und Stammheim zudem Hochwasserwände aufgebaut wurden. Im Ernstfall bliebe immerhin zwei Tage Zeit. „Vater Rhein ist ein gutmütiger Geselle“, so Niederkassels Bürgermeister Stephan Vehreschild: „Er sagt uns einige Tage vorher Bescheid, wenn er schlechte Laune hat.“ Im Moment hat er gute Laune: Der Pegel liegt bei etwa 3,15 Meter, Tendenz langsam fallend.

Köln will Vorbild sein

Ein zweiter, größerer Polder wird derzeit in Worringen geplant. Profitieren würden davon vor allem Städte wie Düsseldorf. Köln wolle aber Vorbild für andere sein, sagt Brandenburg. Schließlich profitiere man auch von Retentionsräumen, die weiter südlich entstünden. „Wir versuchen, über das Land auch andere Kommunen zu bewegen, Polder zu bauen. Das kann man aber nur, wenn man selber welche baut.“ Länderübergreifend sei die Zusammenarbeit schwierig: „Jedes Bundesland macht Hochwasserschutz für sich, es fehlt der Bund, der die Richtung vorgibt.“ Die Kooperation von Köln und Niederkassel indes hat funktioniert. „Im Ernstfall muss man sich aufeinander verlassen können“, sagt Brandenburg zufrieden. Auch die Pumpen hätten zuverlässig gearbeitet.