Köln – Sind Mitarbeiter des Ordnungsamts rechtswidrig vorgegangen, als sie am 9. September 2018 den Gründer der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim, Rainer Kippe, einer Personenkontrolle unterzogen und ihm einen Platzverweis erteilten? Darum geht es in einem Prozess, der am Donnerstag vor dem Kölner Verwaltungsgericht begonnen hat. Der 77-Jährige klagt gegen das Ordnungsamt „wegen gewaltsamer Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung“. Die Stadt weist den Vorwurf zurück.
An jenem Tag fand auf dem Alter Markt eine Veranstaltung zum Tag des Denkmals statt, an der Oberbürgermeisterin Henriette Reker und der damalige Ministerpräsident Armin Laschet teilnahmen. Im Vorfeld hatte der ehemalige Grünen-Ratsfraktionsvorsitzende Rolf Stärk beantragt, einen Stand aufzustellen, um Unterschriften für den Erhalt eines Fassaden-Mosaiks in der Kleingedankstraße zu sammeln. Weil dies abgelehnt worden war, „wurde befürchtet, dass diese Person möglicherweise auch ohne Genehmigung einen Infostand aufbauen könnte“, heißt es im Antrag der Stadt auf Abweisung der Klage. Dies sei den Außendienstkräften „kommuniziert worden“. Der Stadtkonservator habe Sorge gehabt, dass Stärk „rumstänkern“ werde.
Mosaik nach Sanierung des Gebäudes nicht mehr sichtbar
Kippe, den sein Sohn und Stärk begleiteten, platzierte sich am fraglichen Tag am Jan-von-Werth-Brunnen. Er trug ein Plakat, um auf das Anliegen hinzuweisen, das seit der Sanierung des Gebäudes nicht mehr sichtbare Mosaik wieder sichtbar zu machen, und ein Klemmbrett mit Unterschriftenlisten. Nach seiner Darstellung sprachen ihn zwei Mitarbeiter des Ordnungsamtes an und äußerten, ihm sei vom Veranstalter gesagt worden, er dürfe „dieser Veranstaltung nicht beiwohnen“.
Darauf habe er entgegnet, er mache von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch, das nicht Gegenstand des Ordnungsrechts sei. Zuletzt sei dies im Faschismus und in der DDR der Fall gewesen. Da er keine Veranlassung gesehen habe, sei er der Aufforderung, sich auszuweisen, nicht nachgekommen. Wenig später seien die Mitarbeiter mit Verstärkung zurückgekehrt. Man habe ihm einen Arm verdreht, ihn durchsucht, ihm das Portemonnaie, in dem sein Personalausweis steckte, aus der Gesäßtasche gezogen und einen Platzverweis erteilt.
Kölner Ordnungsamt und Passanten beleidigt
Anders die Darstellung von Zeugen, die für das Ordnungsamt im Einsatz waren. Die Kontrolle sei erfolgt, um auszuschließen, dass es sich um eine unerlaubte – eventuell betrügerische – gewerbliche Aktion handele. Kippe sei gleich ausfallend geworden, habe die Bediensteten und auch einen Passanten beleidigt. Der Platzverweis sei allein wegen des störenden Verhaltens erteilt worden, um weitere Straftaten wie etwa Beleidigungen zu verhindern. Dafür sei es nötig gewesen, die Personalien festzustellen.
Gewalt sei angewendet worden, weil sich der Kläger trotz dreifacher Aufforderung weiter geweigert habe, sich auszuweisen. „Er hat die Allgemeinheit belästigt und gestört“ , sagte eine 39-jährige Zeugin. Allerdings ist das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Beleidigung 2019 eingestellt worden. Es sei ihm nicht nachzuweisen, dass er die Ordnungskräfte als „Faschisten“ beschimpft und ihnen die Anwendung von Stasi-Methoden vorgeworfen habe, befand die Staatsanwaltschaft.
Zu den Zeugen, die Kippes Darstellung stützten, gehörte Bezirksbürgermeister Andreas Hupke. Kippe und Stärk hätten so „friedlich" dagestanden „wie die Zeugen Jehovas mit ihrem »Wachturm«“, sagte er vor Gericht. Er habe den städtischen Mitarbeitern gesagt, dass er die beiden Männer kenne, versucht, den Streit zu schlichten, und schließlich die Polizei verständigt. Über das „rigide, rabiate Vorgehen“ der Mitarbeiter des Ordnungsamts sei er „erschüttert“ gewesen.
Ein Urteil wird spätestens in drei Wochen verkündet.