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Prozessbeginn„Pate vom Kölnberg“ vor Gericht

Lesezeit 3 Minuten

Der Hauptangeklagte am Donnerstag im Gericht

Monatelang observierte die Polizei Personen und hörte Handys ab, bis schließlich Spezialeinheiten im Januar 2016 am Kölnberg in Meschenich mit einer Großrazzia zum Rundumschlag ausholten und eine Großfamilie mit insgesamt 15 Mitgliedern wegen eines schwunghaften Drogenhandels festnahm. Einige Bandenmitglieder sind in gesonderten Verfahren bereits für mehrere Jahre hinter Gitter geschickt worden.

Anklagedokument dick wie Telefonbuch

Gegen die „Führungsriege“ , bestehend aus dem sogenannten „Pate vom Kölnberg“, seiner Frau, einem Neffen und einem weiteren Komplizen, begann am Donnerstag der Prozess, in dem es um Haftstrafen von mehr als zehn Jahren geht. Allein die Verlesung der Anklage, rund 170 Seiten, dauerte mehr als eine Stunde. Mindestens noch einmal soviel Zeit verging, weil ein Verteidiger mit einem Antrag so dick wie ein Telefonbuch die Besetzung der Kammer rügte und von „vorschriftswidriger Besetzung“ sprach. Er plädierte dafür, das Verfahren an die Spezialkammer für Drogendelikte abzugeben, die ursprünglich dafür vorgesehen war, wegen Überlastung allerdings vom Präsidium davon entbunden wurde.

Aktendeckel vor das Gesicht halten? Nicht nötig. „Ich hab doch gar nichts gemacht“, ruft der Hauptangeklagte Mario K. (45) seinen Anwälten entgegen, die ihm zum Schutz vor Fotografen vorsorglich ihre Din-A-4-Dokumente hinhalten. Mit demonstrativ zum Siegeszeichen emporgereckter Hand betritt K. lachend den Saal, lässt sich aus jeder Perspektive fotografieren, wohlwissend, dass seine komplette Familie samt kinderreichem Anhang mehr als zwei Dutzend Sitzplätze im Saal einnimmt und ihn nicht aus den Augen lässt. Der Vorsitzende Richter gibt sich familienfreundlich: Fünf Minuten räumt er der Großfamilie für eine herzergreifende Begrüßungszeremonie ein. Ein halbes Dutzend Kinder stürmt auf Oma, Opa und Vater zu, es wird gedrückt, geherzt, umarmt und geküsst.

Gewinne im Millionenbereich

Über einen Zeitraum von vier Jahren soll die Großfamilie in dem Hochhauskomplex in Meschenich kiloweise mit Koks und Heroin gehandelt haben, die Rede ist von Gewinnen im Millionenbereich. Laut Anklage hatte der Drogenboss – seine mitangeklagte Frau soll für die Abrechnung und Kontrolle der Verkäufe zuständig gewesen sein – gleich zwei Wohnungen angemietet, um den Handel der Drogen zu koordinieren. In Appartement Nr. 404 wurde das überwiegend aus den Niederlanden beschaffte Heroin und Koks gelagert, in Appartement Nr. 409 die Verkäufe abgewickelt.

Rund ein Dutzend Drogendealer arbeiteten für den 45-Jährigen laut Anklage „im Schichtdienst“, damit Tag und Nacht Junkies, die neuen Stoff brauchten, nur ja unverzüglich bedient werden konnten. Eine Mitarbeiterin wurde ausschließlich als „Läuferin“ abgestellt: Ihre Aufgabe war es, zwischen den Wohnungen hin- und her zu laufen, um zügig für neuen Drogennachschub zu sorgen.

Mehr als hundert Einzelfälle

Mehr als hundert Einzelfälle listet die Anklageschrift auf: Heroin wurde für 15 Euro pro Gramm eingekauft und an die Dealer für 45 Euro weitergereicht, dann landete die Droge für 50 Euro beim Endabnehmer. Koks gab es für 35 Euro pro Gramm zum Einkaufspreis, der Abnehmer musste dafür 120 Euro hinblättern.

Bei der Großrazzia hatte die Polizei erst einen Kampfhund mit einer Betäubungsspritze außer Gefecht setzen müssen, um die Festnahmen durchzuführen. Insgesamt waren 54 Wohnungen durchsucht worden. „Schweigend verteidigen“ wollen sich vorerst alle Angeklagten nach Aussage ihrer Anwälte am ersten Verhandlungstag. Auch wolle man zunächst das Ergebnis eines Rechtsgesprächs abwarten.