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Schüsse und Explosion Köln- MeschenichErneute Detonation erschüttert Anwohner – nächste Tat der „Mocro-Mafia“?

Lesezeit 4 Minuten
Ein Einschussloch in einem Fenster.

Sieben Einschusslöcher sind an dem Gebäude am Kölnberg zu sehen.

In den vergangenen Wochen kam es nicht nur in Köln zu ähnlichen Taten. Sie stehen in Verbindung mit einem Streit zwischen Drogenbanden.

Sechs Stunden nachdem eine Explosion sie aus dem Schlaf gerissen hat, durften die Bewohner eines Wohnhauses am Kölnberg in Meschenich gegen 12 Uhr wieder zurück in ihre Wohnungen. Zuvor mussten sie stundenlang vor dem Haus ausharren und zusehen, wie die Polizei mit Experten des Landeskriminalamtes, Sprengstoffspürhunden und der Spurensicherung den Tatort untersuchte.

Die Detonation war so heftig, dass sie alle zehn Wohnungstüren im nördlichen Flügel des Erdgeschosses aus den Angeln gerissen hat, der Flur ist übersät mit Trümmern, Holzsplittern und den Habseligkeiten der Bewohner. Einige von ihnen machten sich sofort an die Arbeit und fegten die Überreste zusammen, während im Hintergrund immer noch Polizisten durch das Haus patrouillieren. Ob und wann die Bewohner dauerhaft in ihre Wohnungen zurückkehren können, ist unklar. Die Polizei ging am Dienstagmorgen davon aus, dass die Wohnungen vorerst nicht mehr bewohnbar sind.

Explosion am Kölnberg hinterlässt entsetzte Anwohner

Zum wiederholten Mal ist es damit in Köln zu einer Explosion in einem Wohnhaus gekommen. Ein 59 Jahre alter Bewohner erlitt leichte Verletzungen und musste kurzzeitig in einem Krankenhaus behandelt werden. Zunächst war von einer Rauchgasvergiftung die Rede. Gegen sechs Uhr hatten Anwohner nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft zunächst die Feuerwehr wegen eines Brandes im Erdgeschoss alarmiert. Nach dem Eintreffen der Feuerwehr berichteten Nachbarn von einer Explosion vor einer Wohnungstür im Erdgeschoss.

Die Detonation war so heftig, dass sie alle zehn Wohnungstüren im nördlichen Flügel des Erdgeschosses aus den Angeln gerissen hat.

Die Detonation war so heftig, dass sie alle zehn Wohnungstüren im nördlichen Flügel des Erdgeschosses aus den Angeln gerissen hat.

Wie Polizei und Staatsanwaltschaft erst am Dienstag mitteilten, wurden bereits am Samstag mehrere Schüsse auf eine Wohnung im Südflügel des Gebäudes abgegeben. Die sieben Einschusslöcher waren am Dienstagvormittag noch zu sehen. Mehrere Fensterscheiben sind beschädigt worden, in der Wohnung habe sich zur Tatzeit aber niemand aufgehalten, teilten die Ermittler mit. Zeugenaussagen zufolge soll nach den Schüssen ein Mann mit einem dunklen Auto geflüchtet sein.

Die Ereignisse hinterlassen entsetzte Anwohner. Sie alle rätseln über die Hintergründe der Taten. „Ich wohne seit vierzig Jahren hier und habe schon einiges miterlebt, aber dass so etwas passiert, macht mich fassungslos“, sagte ein 66-jähriger Mann. Immer wieder käme es am Kölnberg, der als sozialer Brennpunkt bekannt ist, zu Auseinandersetzungen, auch zwischen Kriminellen. „Aber solche Explosionen, wo in Kauf genommen wird, dass Unschuldige sterben, das ist neu.“

Zwei Polizisten gehen durch den Hausflur.

Die Polizei war am Dienstagmorgen mit zahlreichen Einsatzkräften vor Ort.

Ob die Schüsse in Verbindung mit der Explosion stehen, ist noch unklar. Und auch, wie es zur Explosion gekommen ist, steht noch nicht fest. „Es wird in alle Richtungen ermittelt“, sagte eine Sprecherin der Polizei. Der Vorfall ähnelt jedoch stark der Serie von Explosionen, die in den letzten Wochen nicht nur Köln erschüttert hat.

Anfang Juli hatte es in Köln-Mülheim, in Köln-Buchheim sowie in Engelskirchen und Duisburg Explosionen an Hauseingängen gegeben. Bei einem ähnlichen Attentat in Solingen starb der Täter durch seinen eigenen Sprengsatz. In Rodenkirchen nahmen Kriminelle dann Mitglieder einer arabischen Großfamilie als Geiseln. Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei befreite sie schließlich und nahm vier bewaffnete Kidnapper fest.

Kölner Polizei: Hintergründe der Explosion noch unklar

Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Sicherheitskreisen erfuhr, standen die Explosionen und die Geiselnahmen im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen zwischen Drogenbanden. Den Kölner Geschäftspartnern mutmaßlicher niederländischer Drogenhändler, die unter dem Namen „Mocro-Mafia“ zusammengefasst werden, wurden aus einem Lager in Hürth 300 Kilogramm Marihuana gestohlen. Die Drogenbande wollte den Stoff im Wert von 1,5 Millionen Euro wieder eintreiben. Mit den Sprengstoffanschlägen erhöhten sie den Druck auf die bestohlenen Geschäftspartner. Explosionen vor Hauseingängen sind ein häufig eingesetztes Drohmittel der „Mocro-Mafia“. Die Suche nach den Dieben führte dann zu der arabischen Großfamilie.

In Sicherheitskreisen wird befürchtet, dass sich die „Mocro-Drogenmafia“ in NRW ausbreiten will und die Gewalttaten in Köln womöglich nur der Anfang gewesen sein könnten. „Was man sieht, ist, dass den Agitatoren, die dieser Gruppierung angehören, Grenzen egal sind“, sagte Oliver Huth, NRW-Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Die haben keine Sorge, diesen Konflikt in NRW weiterzuverfolgen. Es fehlt Geld, viel Geld, und solange das nicht zum Ausgleich gebracht worden ist, wird das hier weiter eskalieren.“ Auch der Kölner Kripochef warnte vor einer neuen Dimension der Gewalt.

Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ betonte die Polizei jedoch, dass die Hintergründe der jüngsten Explosion in Meschenich noch völlig unklar seien. Es bleibe abzuwarten, ob es mögliche Zusammenhänge zu den vorherigen Taten gebe. Bislang sei dies nicht der Fall.

Die Ermittler bitten Zeugen, die Hinweise zu den beiden Tatgeschehen oder Tatverdächtigen geben können, sich telefonisch unter 0221/22 90 oder per E-Mail an poststelle.koeln@polizei.nrw.de bei den Ermittlern des Kriminalkommissariats 15 zu melden. (red)