Köln – Schon das zweite Fahrzeug, das Polizisten des Projekts „Rennen“ am in die Kontrollstelle am Tanzbrunnen lotsen, ist ein Volltreffer. Seit sich in Köln Todesfälle nach illegalen Autorennen im öffentlichen Straßenraum gehäuft hatten, ist das Team der Kölner Polizei die erste Einsatzgruppe, die sich auf illegale Autorennen und PS-Protzer spezialisiert hat. Auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ist an diesem Abend gekommen: Mit viel Begeisterung für das Kölner Leuchtturmprojekt.
Nur noch wenige Zentimeter ist der Mann mit Glatze vom Gesicht der Polizistin entfernt. Der Besitzer eines angehaltenen BMWs schreit und wütet. „Wir haben ihnen gerade das Leben gerettet“, entgegnet einer der Polizisten. Der Wagen war den Kontrolleuren aufgefallen, Minuten später war klar: Der Hinterreifen ist so abgefahren, dass schon das Gerüst aus dem Inneren des Pneus herausschaut. „Der Reifen hätte den Autofahrern auf der Autobahn jeden Moment um die Ohren fliegen können“, sagt einer der Einsatzkräfte. Eine typische Situation im typischen Umfeld – der Tanzbrunnen ist einer der Hotspots der Szene. Und die typische Klientel: Jung, männlich, uneinsichtig. Nur wenige Hundert Meter entfernt, im Auenweg, hatte ein Raser bei einem illegalen Autorennen im April 2015 eine 19-jährige Radfahrerin getötet.
„Muss den Fahrern wehtun“
Mittlerweile hat sich Innenminister Reul zu den Reifen des BMWs heruntergebeugt. „Was ist mit dem Wagen los?“, fragt er einen Polizisten, der neben ihm mit einer Taschenlampe in den Radkasten leuchtet. Bevor die Polizisten dem Fahrer erklären, dass das Fahrzeug vorläufig stillgelegt und abgeschleppt werde, sagt Reul: „Es muss den Fahrern wehtun..“ Acht Fahrzeuge, die augenscheinlich der illegalen Tuner- und Raserszene angehören, kontrolliert die Polizei in dieser Nacht, vier davon werden sichergestellt werden. Zwischen denen, die ihr Auto widerrechtlich tunen, und denen, die unerlaubte Rennen fahren, bestehe eine deutliche Überschneidung, sagt Jürgen Berg, Leiter des Projekts „Rennen“. Reul hat Zahlen mitgebracht, die belegen, dass im ersten Quartal 2019 106 illegale Rennen festgestellt wurden; elf mehr als zur gleichen Zeit im Vorjahr.
Bereits 2018 hatte sich die Zahl der Autorennen deutlich erhöht. Doch liege das vor allem daran, dass heute mehr kontrolliert und deswegen auch mehr Verstöße bemerkt würden, sagen Reul und Berg. Trotzdem glaubt der Innenminister, dass die Verfolgung der Raser „leider ein kommendes, wichtiges Projekt werden wird.“ Dabei ist die Kölner Einsatzgruppe bisher in dieser Form einzigartig. Im März hatte der Grünen-Fraktionsvorsitzender im Landtag, Arndt Klocke, Reuls Ministerium aufgefordert, stärkere Maßnahmen gegen die illegalen Rennen zu entwickeln. „Mich fordern alle auf, mehr zu tun und am besten für alles“, sagt Reul dazu auf Nachfrage. „Es ist unstrittig, dass dieses Aufgabenfeld einer stärkeren Betrachtung bedarf, aber man kann nicht alles hundertprozentig machen.“ Aktuell binde der Kampf gegen Kindesmissbrauch landesweit die Polizeibehörden. „Schritt für Schritt“ würden weitere Dienststellen das Kölner Projekt aber wohl aufgreifen, meint Reul.
Zur gleichen Zeit bildet sich an der Kontrollstelle der Polizei bereits eine Schlange: Laut aufheulende Motorräder, ein Audi-R8-Fahrer, der erst seine Freundin anrufen muss, um sie zu fragen, wie er die Motorhaube aufbekommt. Dann wieder ein weißer Sportwagen, so tief gelegt, dass der Reifen bereits Schleifspuren am Radkasten hinterlassen hat. Auch dieser Wagen wird sichergestellt. Die Kontrollen in dieser Nacht gehen weiter. „Das ist ein Versprechen, wir bleiben hart an den Rasern dran“, sagt Projekt-Leiter Jürgen Berg.
Keine drei Stunden später ergibt sich dazu die Gelegenheit: Gegen 1.15 Uhr fällt der Polizei auf der Opladener Straße in Deutz ein silberner Ford auf, der in den Gegenverkehr ausschert und kurz darauf gegen eine Verkehrsinsel prallt, aber weiterfährt, wie die Polizei später in einer Mitteilung schreibt. Bei der Verfolgung des demolierten Autos verursacht der Fahrer einen leichten Zusammenstoß mit einem Motorradpolizisten, der aber nicht stürzt. Die Polizei hält das Fahrzeug schließlich nahe der Lanxess-Arena an. Die am Fahrzeug angebrachten Kennzeichen wurden erst wenige Tage zuvor als gestohlen gemeldet. Der 29-jährige Unfallverursacher besitzt keine gültige Fahrerlaubnis. Polizisten stellten den Ford sicher und erstatteten Strafanzeige.