Meschenich – Die Hochhaussiedlung „Kölnberg“ gilt seit Jahren als Synonym für Arbeitslosigkeit, Prostitution, Kriminalität und Drogen, eine „no-go-area“ im Kölner Süden. In dem in den 1970er-Jahren entstandenen Komplex, der aus lediglich drei Straßenzügen besteht, leben rund 4000 Menschen aus 70 Nationen.
Die Betonklötze ragen bis zu 26 Etagen in den Himmel, die Balkone wirken wie Bienenwaben, sind mit Satellitenschüsseln, Wäscheleinen übersät und dienen häufig als Abstellkammer für Überflüssiges und Müll. In einem flachen Gebäuderiegel am Rande der Hochhäuser befinden sich die Jobbörse, eine Dönerbude, ein Internetcafé, ein Kiosk und der türkische Supermarkt Mevlana. Wen immer man fragt in der Umgebung – in den „Kölnberg“ will niemand freiwillig ziehen. Wer hier wohnt, der hat ein Image-Problem.
Mittelstand als Zielgruppe
Dabei war der Kölnberg nie als Siedlung für sozial Schwache konzipiert. Die Reklameprospekte aus der Planungszeit schwärmen vom modernen Leben im Grünen für den Mittelstand. Damals warb man mit Tennisplätzen, einem Schwimmbad und Reitställen in der Nähe. Vornehmlich Ärzte und Apotheker sollten die Wohnungen als Kapitalanlage mit Traumrenditen kaufen.
Die Hochhaussiedlung – so die damalige Illusion – sei die Wohnform der Zukunft, das neue „Dorf“. Doch das alles wurde nie Realität. Von Anfang an gab es massive Probleme, und geblieben ist bis heute das schlechte Image sowie die Spaltung des Dorfes Meschenich in zwei Teile – den „Kölnberg“ und das alte Meschenich.
Genau das möchte Werner Eßer ändern. Vor vier Jahren hat er die Verwaltung der Hochhaussiedlung am Südrand Kölns übernommen. Seitdem kämpft er an mehreren Fronten.
Es ist nicht alles schlecht
„Was mich besonders ärgert ist, dass das Image des Kölnbergs in der Öffentlichkeit schlechter ist als die Realität. Wenn Sie sich hier umschauen und mal die Negativ-Brille absetzen, dann sehen Sie viele Neuerungen, beispielsweise den neuen Sportplatz. Der alte vergammelte Betonplatz ist einem Fußballplatz mit hochwertigem Kunstrasen mit Flutlicht und neuem Zaun gewichen.“ Klinken hätten er und seine Mitarbeiter geputzt und schließlich 80.000 Euro an Spenden zusammen bekommen.
Auch der Vermüllung hat er den Krieg angesagt. Die Zeiten, als die Toiletten vor Unrat überquollen, die Flure mit Müll zugestellt waren und die Mülltüten aus den Fenstern flogen, seien weitgehend vorbei. „Wir haben eine Security, die rund um die Uhr für Ordnung sorgt. Außerdem sind in allen Hauseingängen, Aufzügen und Garageneinfahrten hochmoderne Kameras installiert, um Übeltäter zu identifizieren. Eine Mülltüte, die vom Balkon fliegt, ist auf jeden Fall ein Kündigungsgrund, und in Abstimmung mit der Polizei wird dann eine Strafanzeige wegen versuchter Körperverletzung gestellt.“
Eßer organisiert Security
Werner Eßer hat sich dafür eingesetzt, dass es in einem der Hochhäuser eine feste Polizeistation gibt und er hat eine „Kölnberg-Security“ eingeführt, die den Außenbereich rund um die Uhr kontrolliert.
„Ich beschäftige am liebsten Menschen mit Migrationshintergrund, die hier auf dem Kölnberg aufgewachsen und trotzdem eingekölscht sind. Zoran kommt aus Bosnien, Deniz ist Deutschtürke. Die beherrschen die jeweilige Sprache und finden gegenüber den Landsleuten auch die richtige Tonlage.“ Das ist wichtig, denn bei 70 Nationen kommen die unterschiedlichsten Kulturen und Mentalitäten zusammen. Wer da einen breiten Erfahrungshorizont hat, kann oft vermitteln.
Ein großes Problem ist die Anonymität in den Häusern. Gerade das kriminelle Milieu schätzt dies und nutzt gerne die Wohnanlage, denn hier kann man auch gut untertauchen. Deshalb hat Werner Eßer für alle Hauseingänge elektronische Chipkarten eingeführt.
Eßer wirft Stadtverwaltung Tatenlosigkeit vor
„Die gemeldeten Mieter haben alle einen Chip-Schlüssel für den Haupteingang. Mit diesem Sicherheitssystem haben wir die Treppenhäuser für Prostituierte und Drogenabhängige gesperrt. Fremde und Gäste müssen sich an der Pforte, die rund um die Uhr besetzt ist, melden. Mit der Videoüberwachung haben wir den gesamten Komplex innen und außen unter Kontrolle. Wenn wir etwas Verdächtiges beobachten, Drogen Freier, Prostitution, dann rufen wir die Polizei.“
Werner Eßer, der sich seit Jahren mit der SHV-Immobilienverwaltung auf soziale Brennpunkte spezialisiert hat, fühlt sich allerdings von den Verantwortlichen in der Stadtverwaltung häufig alleingelassen.
„Der Kölnberg ist ein ausgewiesener Sperrbezirk. Aber dass hier trotzdem Prostitution herrscht, teilweise im Bereich des Kindergartens, das interessiert in der Stadtverwaltung keinen. Wenn sich in Lindenthal oder Rodenkirchen ein Straßenstrich etablieren würde, dann würde die Stadtverwaltung durchgreifen, davon bin ich überzeugt. Aber hier am Kölnberg, so denkt man offensichtlich in der Verwaltung, da ist es ja gut aufgehoben. Genau dieses Denken muss sich ändern. Wenn man einen Sperrbezirk einrichtet, dann muss der auch kontrolliert werden.“
Erfolg der eingeführten Überwachung
Seit der Rund-um-die-Uhr-Bewachung ist die Zahl der Prostituierten von 50 auf maximal 10 gesunken. Und die, die jetzt noch unterwegs seien, müssten wegen Hausfriedensbruchs polizeilich erfasst und bei Wiederholung bestraft werden, sagt Eßer. Aber er glaubt, dass soziale Brennpunkte von den Verantwortlichen bewusst geduldet werden und man an diesen Orten nur selten durchgreift.
Werner Eßer weiß, dass der Kölnberg ein schwieriges Pflaster ist. Aber er wünscht sich, dass die positiven, nachhaltigen Veränderungen auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und dass die Verantwortlichen in Politik und Stadtverwaltung diese Siedlung nicht links liegen lassen. „Meschenich mit dem Kölnberg ist das südlichste Veedel von Köln und die Menschen, die hier wohnen, die brauchen dringend einen Imagewandel.“
Streetworker-Stelle gesichert
Der Streetworker Amir Rakhsh-Bahar kann weiter in der Hochhaussiedlung am Kölnberg arbeiten. Der Landschaftsverband Rheinland finanziert seine Stelle von Juni bis Ende des Jahres über das Landesjugendamt mit 15 000 Euro. Das teilten Rakhsh-Bahar und Azbiye Kokol, Leiterin des Jugendzentrums Meschenich, mit. Rakhsh-Bahar arbeitet weiterhin mit einer halben Stelle in der Jugendeinrichtung. Am Kölnberg dient ihm ein Bürocontainer und der neu gestaltete Bolzplatz als Anlaufstelle für die Jugendlichen der Siedlung. Seine Arbeit als Streetworker war nur bis Ende März gesichert. Nach einer kurzen Unterbrechung kann es mit der Arbeit nun im Juni weitergehen. (phh)