Köln – Nach meinem letzten Beitrag über das „Kurienhaus“ an der Südostecke des Roncalliplatzes am Dom haben die Leser womöglich den Eindruck gewonnen, ich sei ein Fan der Abrissbirne, um mit maroden Bauten fertig zu werden. Das stimmt natürlich überhaupt nicht! Es ist bloß ein Unterschied zwischen Häusern aus den 1960er Jahren, von denen wir in Köln wahrlich genug haben, und Bauwerken früherer Zeiten. Jetzt zum Beispiel stehen wir vor der „Villa Lenders“ an der Bonner Straße, einem von ganz wenigen Häusern aus der Zeit um 1870 in Köln.
Obwohl die Villa unter Denkmalschutz steht, soll sie bald abgerissen werden. Denn auf ihrer Höhe wird die neue Trasse der Nord-Süd-Stadtbahn aus dem Untergrund an die Oberfläche kommen und in der Mitte der Bonner Straße einiges an Platz wegnehmen. Die Stadt möchte aber, dass stadteinwärts eine Rechtsabbiegerspur in die Schönhauser Straße erhalten bleibt. Einer entsprechenden Verbreiterung soll nun das Gebäude zum Opfer fallen. Dabei sind die Zeiten, in denen „Stadtplanung“ in erster Linie „Verkehrsplanung“ bedeutete, doch eigentlich längst vorbei.
Natürlich, im jetzigen Zustand sieht die Villa scheußlich aus. Aber das ist halt so bei alten Gebäuden, die man über die Jahre hat verkommen lassen. Der letzte Mieter, ein Teppichhändler, hat das Haus durch seine unglaubliche Reklame zusätzlich verschandelt. Und vor wenigen Tagen erst musste auch noch die Dachbalustrade herunter. Sie sei wackelig gewesen, hat die Stadt mir versichert. Wenn das bloß nicht schon der erste Schritt zum Abbruch war! Die Gerüste stehen ja nun schon mal…Wer sich vor der Villa um die eigene Achse dreht, könnte auf den Gedanken kommen, „also, ringsum ist hier eh alles so verhunzt, da kommt’s nicht mehr darauf an, wenn das auch noch verschwindet“. Tatsächlich ist das Geviert rund um die Kreuzung Bonner Straße / Schönhauser Straße die Bankrotterklärung von Stadtplanung. Aber gerade in dieser furchtbaren Umgebung ist die Villa Lenders ein Relikt bürgerlicher Wohnkultur. Sie erinnert an Zeiten, in denen es Bauherren und Bewohnern noch etwas bedeutete, dass ihre Wohnhäuser schön aussehen.
Die Villa wurde von dem Kölner Hotelier Karl-Friedrich Mann gebaut. Ihm gehörte das damals sehr angesehene „Hotel du Nord“ am Zentralbahnhof. Mann hatte einem Leinenhändler namens Hermann Lenders dessen Gutshaus gleich nebenan abgekauft und für sich hergerichtet. Seinen Wohnsitz machte er zum Mittelpunkt einer ganzen Siedlung, die als „Mannsfeld“ sogar im Kölner Adressbuch stand. Die heutige Schönhauser Straße ließ Mann als repräsentative Zufahrt, den „Boulevard Bismarck“, anlegen, und er errichtete eine Reihe gutbürgerlicher Wohnhäuser im spätklassizistischen Stil. Wie viele, das weiß man gar nicht mehr ganz genau.
Ein Privatmann wurde hier also zu einem Motor der Stadtentwicklung. Das ist schon interessant. Klar, Karl-Friedrich Mann war auch Unternehmer und wollte mit seinen Immobilien hier Geld verdienen. Aber es ist doch etwas anderes, ob ein Investor lediglich auf den Profit schielt, oder ob er – so wie hier – auch auf Qualität achtet bei Häusern für Mitbürger, mit denen er Geschäfte macht.
Besonders spannend finde ich: Die ganze Siedlung war in ihrer Achse ausgerichtet – auf den Dom! Und das zu einem Zeitpunkt, als der Bau noch gar nicht vollendet war, an einem Platz, der doch ziemlich weit weg vom Zentrum ist. Aber von ihren Dachterrassen aus konnten die Bewohner über die ganze Stadt auf die wachsenden Domtürme schauen. Das ist in zeitgenössischen Berichten auch so überliefert.
Im Stadtbild ist von alledem nichts mehr geblieben. Ein ganzer Stadtteil – spurlos verschwunden! Krieg und – ähem – Nachkriegsplanung haben Köln-Mannsfeld ein jähes Ende bereitet, bis auf den Namen einer Straße, einer KVB-Haltestelle, einer Apotheke. Und bis auf die Villa Lenders. Das alte Gutshaus der Familie Lenders wurde übrigens bereits um 1970 abgerissen. Der Name aber ging auf dieses Haus über. Und ich denke, es bewahrt als „Villa Lenders“ auch den Geist des Ursprungs. Die Planung der Stadt sah vor, dass Mitte des Jahres der Bagger kommen sollte. Inzwischen hat es Proteste von Denkmalschützern, aber auch von Anwohnern gegeben, denen die Villa am Herzen liegt. Kaum war ich vorhin vor dem Haus angekommen, hat gleich ein Radler angehalten und zu mir gesagt, der Abriss wäre doch eine Riesensauerei. Jedenfalls hat die Stadt zugesichert, ihre Straßenplanung zu „überdenken“ und nach einer Lösung zu suchen, die die Villa „respektiert“. Na ja, ich glaube, es wird am Ende auf die Frage hinauslaufen: Braucht man die Rechtsabbiegerspur oder braucht man sie nicht?
Meine Meinung ist eindeutig: Lasst die Villa Lenders stehen! Wenn die Stadt als Eigentümerin sie herrichtet, könnte sie eine sehr repräsentative Adresse werden für einen Geschäftsmann, für eine Anwaltskanzlei oder für Arztpraxen. Und womöglich könnte sie ein erstes bauliches Element sein zur Aufwertung der ganzen Umgebung. Ganz sicher aber steht die Villa Lenders für viel Kölner Geschichte in dieser gesichtslosen Ecke.
Aufgezeichnet von Joachim Frank
Villa Lenders, Schönhauser Straße 65/67 (Ecke Bonner Straße), Köln-Bayenthal.