Immendorf/Meschenich – Nun sind auch die kleinen Angelweiher nördlich und südlich der A4 bei Rondorf gesperrt. Grund ist die erhöhte Konzentration der Perfluorierten Tenside (PFT), die die Stadt jüngst dort gemessen hat. Bereits im Mai 2010 hatte das Kölner Umweltamt bei einer routinemäßigen Probe der Angelgewässer zwischen Immendorf und Meschenich hohe PFT-Konzentrationen festgestellt. Das Angeln und Baden ist dort seitdem behördlich verboten. PFT stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.
„Die PFT-Konzentration überschreitet nun auch in den nördlichen Angelgewässern die Grenzwerte, sodass wir sie sperren mussten“, sagt Bernd Kiefer, Leiter des Amtes für Umwelt- und Verbraucherschutz. Das Trinkwasser sei jedoch nicht gefährdet, die Rhein-Energie säubert das Wasser im Wasserwerk mit Aktivkohlefiltern. Das Unternehmen gewährleistet, dass ein Vorsorgewert von 0,1 Mikrogramm pro Liter im Trinkwasser sicher eingehalten werde, heißt es in einer städtischen Stellungnahme.
Auch das Abbaggern von Kies am Immendorfer Baggersee hatten die Behörden untersagt. Inzwischen hat das Auskiesungs-Unternehmen J.&E. Horst eine eigene Anlage gebaut, um das Wasser zu reinigen, mit dem der Kies gewaschen wird. Vor kurzem wurde die Anlage in Betrieb genommen. Die Bagger fördern nun wieder Kies. „Dreieinhalb Jahre hatten wir Produktionsausfall“, sagt Betriebsleiter Otto Hartmann.
Verursacher der Grundwasserverunreinigung ist die Lyondell Basell Industries – Basell Polyolefine GmbH, eines der weltweit größten Unternehmen auf den Gebieten Polymere, Petrochemie und Kraftstoffe. 1800 Mitarbeiter sind am Standort Wesseling nahe der Kölner Stadtgrenze beschäftigt. Bei Löschübungen der Werksfeuerwehr war die toxische Substanz ins Grundwasser gelangt. Bis 2004 verwendeten Feuerwehren die Löschschäume, die damals behördlich zugelassen waren. Erst zwei Jahre später wurden sie von der Europäischen Union verboten. Wann genau die Verunreinigung geschehen ist, kann heute nicht mehr ermittelt werden. Das Verfahren gegen Mitarbeiter der Basell-Werksfeuerwehr war 2010 eingestellt worden. Die Verseuchung des Grundwassers hat daher kein strafrechtliches Nachspiel.
Vor das Landgericht gezogen waren jedoch zwei Immendorfer Bürger mit einer Zivilklage. Toni und Gloria Braicks hatten 2010 Fisch verzehrt, den Gloria Braicks – sie ist Mitglied im Angelverein – aus dem Immendorfer Weiher gezogen und zubereitet hatte. Seitdem geht es dem 70-Jährigen und seiner Frau (66) psychisch und physisch schlecht wegen der „innerlichen Verseuchung“ mit den Tensiden, die nicht in den Körper gehören und nie mehr abgebaut werden.
Schlaflose Nächte habe ihm die Sorge, an Krebs zu erkranken, beschert, sagt Toni Braicks. Auch seine häufigen Hautausschläge führt er auf die Belastung zurück. Allein 2009 habe sie 70 Kilogramm Fisch aus den Seen geholt, sagt Gloria Braicks. Auch viele andere Bürger hätten aus Unwissen verseuchten Fisch verzehrt. Bei einem von der Stadt durchgeführten „Biomonitoring“ war bei mehreren untersuchten Bürgern eine fünffach erhöhte Dosis an PFT im Blut festgestellt worden. Aber die Betroffenen und auch die Angelvereine halten sich bedeckt und haben bislang keine Klage eingereicht.
Inzwischen hat die Verhandlung zwischen dem Ehepaar Braicks und der Firma Basell stattgefunden. Das Gericht schlug einen Vergleich vor. Danach soll die beklagte Firma an jeden Kläger 1800 Euro zahlen – also insgesamt 3600 Euro –, wie der Pressesprecher des Gerichts für Zivilsachen, Christian Hoppe, bestätigt. Toni und Gloria Braicks haben den Vergleich angenommen, ebenso der Konzern, so Basell-Sprecher Andreas Anker. Toni Braicks will nicht weiter kämpfen und die Strapazen möglicher langjähriger Gutachterverfahren nicht auf sich nehmen.
Reinigung mit Großanlage
Lyondell Basell hatte 2012 eine Pilotanlage zur Grundwasserreinigung errichtet. Eine weitere Großanlage soll noch im ersten Quartal den Betrieb aufnehmen. Sie soll das Grundwasser an der Eintrittsstelle des Löschschaums reinigen und zugleich den Grundwasserstrom abschneiden. Damit solle verhindert werden, dass sich das PFT weiter verbreite, sagt der Unternehmenssprecher.
Wann die Angelgewässer wieder für die Fischerei freigegeben werden können, kann derzeit niemand voraussagen. Lyondell Basell unterstütze, so Sprecher Andreas Ankert, die betroffenen Angelvereine mit Gutscheinen, damit sie in anderen Gewässern fischen könnten. In einer Mitteilung der Umweltdezernentin Henriette Reker heißt es: „Art und Ausmaß des Umweltschadens sind so massiv, dass es Jahre beziehungsweise Jahrzehnte dauern wird, bis durch Sanierungsmaßnahmen und das Abströmen belasteten (Grund)-Wassers in den Rhein das Wasser in den Baggerseen wieder sauber sein wird.“