Familie Rottscheidt hat einen Pferdehof direkt am Rheinufer und freut sich über die Ruhe, die Aussicht und viele Jahre voller Erinnerungen.
Das Beste aus 2023Kölner Familie genießt ihr Leben auf Reiterhof direkt am Weißer Rheinufer
Er habe ein Abkommen mit seiner Frau, sagt Georg Rottscheidt. „Die Hochwasserschutzmauer darf sie bepflanzen, aber es darf nichts drüberwuchern.“ Nichts soll den Blick versperren. Denn der ist einfach zu schön.
Dieser Text gehört zu unseren beliebtesten Inhalten des Jahres 2023 und wurde zuerst am 21. Juni veröffentlicht. Mehr der meistgelesenen Artikel des Jahres finden Sie hier.
Schiffe ziehen vorbei, Möwen und Schwalben segeln durch die Luft, drüben an der Groov legt gerade die Fähre „Krokodil“ ab. Die Pappeln am Ufer rauschen, vom Zündorfer Kirchturm weht Glockengeläut herüber. Haflinger Aladin schnaubt zufrieden im Paddock – und scheint auch auf den Strom zu schauen.
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Georg und Petra Rottscheidt leben auf dem historischen Pflasterhof im Weißer Bogen. Viele Spaziergänger und Bootspassagiere, die hier vorbeikommen, haben bestimmt schon neidisch zu dem Gebäude mit den Pferdekoppeln hinaufgeschaut und gedacht: Wie ist es wohl, hier zu wohnen? „Wunderbar“, sagen die Rottscheidts.
Im Winter die Böschung zum Rhein heruntergerodelt
Eigentlich leben sie hier als Erwachsene einen Kindertraum weiter. Georg Rottscheidts Vater, ein Rodenkirchener Jung, hatte den damals recht heruntergekommen Hof mit der großen landwirtschaftlichen Fläche 1960 gepachtet und später gekauft. Georg und seine Geschwister wuchsen hier auf. Damals gab es noch Kühe, einen Schweinestall, Legehennen und die ersten Pferde. Und jede Menge andere Landwirte im Weißer Bogen. Die Eltern seien sehr relaxed gewesen, was die Nähe zum Rhein angeht. Das Wohnhaus war damals nur durch eine steile Böschung vom Rheinufer getrennt.
„Wir sind da im Winter immer runtergerodelt und landeten dabei auch manchmal im Wasser“, erzählt Georg Rottscheidt. Er und seine Freunde ließen sich mit Traktorreifen auf dem Strom treiben oder hängten sich verbotenerweise an Schiffe. „Die fuhren aber damals noch nicht so schnell wie heute.“ Nur wenn um 16.10 Uhr der „Rheinpfeil“ kam, ein Tragflügelboot, das zwischen 1972 und 1997 im Dienst der KD fuhr, dann musste man aufpassen. Das hatte 65 Kilometer pro Stunde drauf und galt damit als das schnellste Fahrgastschiff auf dem Rhein. Bei Hochwasser schipperten die Kinder in den Badewannen, die als Viehtränken dienten, durch die Auen.
Seine spätere Frau Petra kam auf den Hof, um zu reiten. „Ich bin in der Alteburger Straße in der Südstadt aufgewachsen. Der Hof war natürlich etwas Besonderes für Stadtkinder.“ Der Sohn des Hauses offensichtlich auch. 1996 hat das Ehepaar den Betrieb übernommen. Inzwischen haben sie 40 Pensionspferde, zehn davon werden vom Verein Reit-Therapie-Zentrum Weißer Bogen, der sich auf dem Gelände des Pflasterhofes befindet, für die Arbeit mit behinderten Reitern eingesetzt. 100 Hektar werden noch beackert. Der Pflasterhof produziert für den eigenen Futterbedarf und macht Drescharbeiten für andere Betriebe. Von den vielen Bauernhöfen in Weiß sind nur der Pflasterhof und ein Nachbar übrig geblieben.
Das Land direkt am Rhein sei nicht das beste, so der gelernte Landwirt. Das liege daran, dass auf der sogenannten Niederterrasse früher Rheinarme verliefen. Erst in Meschenich würde der Boden wieder besser. „Vieles ging hier auch nach der rheinischen Fruchtfolge: Rüben, Weizen, Bauland“, lacht Georg Rottscheidt.
Das Paar hat vier Kinder: zwei Töchter von 32 und 30 Jahren – beide pferdeverrückt – und zwei Söhne, die 24 und 22 Jahre alt sind. Der 24-Jährige hat gerade seine Meisterprüfung als Landwirt gemacht.
Petra Rottscheidt sagt ganz offen: „Wenn ich in der Stadt geblieben werd, hätte ich nicht vier Kinder bekommen.“ Aber hier sei das Umfeld einfach traumhaft. Wie die Großeltern seien sie mit den eigenen Kindern auch „sehr chillig“ umgegangen. „Angst hatten wir nie. Die haben alle bei Herrn Blischke in Rodenkirchen schwimmen gelernt. Der war legendär.“ Die Eltern der Schulkameraden hätten ihre Kinder immer gerne auf den Hof geschickt. „Da waren sie beschäftigt und man wusste immer, wo sie waren.“
Die Rottscheidts haben keine direkten Nachbarn. „Hier kann man machen, was man will, man stört niemanden“, so Petra Rottscheidt. Lärm kommt manchmal von Rhein. „Am lautesten ist es beim Inselfest auf der Groov“, sagt der Landwirt. Und auch die KD-Partyschiffe seien gewöhnungsbedürftig. „Als wenn da nur Schwerhörige mitfahren würden.“ Der Leinpfad, ein beliebtes Freizeitziel für die Kölner, verläuft direkt unter dem Grundstück des Pflasterhofs, man kann die Stimmen der Passanten leise hören. Die Rottscheidts meiden den Weg wegen des Trubels. „Da wird immer viel gezankt. Zwischen Radfahrern und Fußgängern, zwischen Hundebesitzern und Familien. Da gehen wir nicht lang. Wir fahren lieber mit dem Fahrrad durchs Feld“, sagt Petra Rottscheidt.
Die Schiffe dagegen seien heutzutage keine Lärmquelle mehr – die Zeit der lauten Dieselmotoren ist vorbei, man höre nur noch ein leises, sonores Geräusch. Auch die Wasserqualität habe sich extrem verbessert. Früher wurden schon mal tote Fische angeschwemmt. „Und wenn wir früher mit dem Paddelboot gefahren sind, dann war hinterher eine Ölschicht drauf. Heute ist alles sauber.“
Geblieben ist die Hochwassergefahr. Bei den extremen Überschwemmungen 1993 und 1995 wurde der Pflasterhof von den Fluten umspült. Die Wirtschaftsgebäude standen unter Wasser, im Wohnhaus stoppte das Welle so gerade noch am Eingang. „Weihnachten 1993 hielten wir hier die Stellung ohne Kinder und ohne Weihnachtsbaum. Das war sehr traurig“, erinnert sich Petra Rottscheidt. Die Hochwassermauer steht erst seit 2010. Sie hält 11,30 Meter stand. Fühlt man sich jetzt sicherer? „Eigentlich ja. Aber danach kam auch nicht mehr ein so schlimmes Hochwasser“, lacht Petra Rottscheidt.
Und wohin fahren Menschen, die an einem Ort wohnen, wo andere gerne Urlaub machen würden? Zum Skifahren geht es einmal im Jahr. Und Georg Rottscheidt macht jetzt im Sommer einen Motorradausflug mit Kumpels. „Ich habe gesagt: Seht zu, dass wir an einem Fluss übernachten und dass am besten noch eine Fähre in der Nähe ist.“ Das Leben am Strom steckt eben im Blut.