Für Bahnpendler von und nach Köln gehören Baustellen, Umleitungen, Zugausfälle und Ersatzverkehre mit Bussen seit Jahren zum Alltag. Gebaut wird gefühlt überall. Was genau geschieht da eigentlich?
Das gesamte Bauprogramm für den Kölner Knoten besteht aus vier Paketen. Hier erklären wir sie.
Köln – Es wird ums Geld gehen. Um viel Geld. In der Bahnbranche wächst der Unmut über die Bundesregierung. Doch als Gastgeber der 4. Kölner Bahnknoten-Konferenz wird sich Norbert Reinkober, Geschäftsführer des Nahverkehr Rheinland (NVR), am heutigen Montag vor mehr als 300 Vertretern aus Politik und Wirtschaft in der Köln-Messe mit Kritik an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zurückhalten. Das werden andere Vertreter der Verkehrsbranche übernehmen.
Deren Botschaft ist eindeutig. Sollte die Bundesregierung für den Neu- und Ausbau des Schienennetzes 2022 wie im Regierungsentwurf vorgesehen lediglich 1,9 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, sei nicht nur der schnelle Ausbau des Kölner Bahnknotens gefährdet.
Baureife Vorhaben unterfinanziert
„Der vom Kabinett verabschiedete Haushaltsplan sieht in der mittelfristigen Planung zu wenig Geld für baureife Vorhaben vor“, sagt Reinkober. „Bleibt es bei den unzureichenden Finanzzusagen für die kommenden Jahre, lassen sich bis 2030 weder der Deutschlandtakt noch die von der Bundesregierung angestrebte Verdopplung der Verkehrsleistung im Schienenpersonenverkehr realisieren.“
Das jedoch ist die Voraussetzung dafür, dass Deutschland die Ziele des Pariser Klimaabkommens im Verkehrssektor bis 2030 überhaupt noch erreichen kann. Der Bund müsse deshalb „so schnell wie möglich drei Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stellen“, sagt Reinkober.
Das Bundesverkehrsministerium hingegen hält einen Hochlauf der Mittel von 1,9 auf drei Milliarden Euro erst bis zum Jahr 2027 für erforderlich. Doch selbst das sei nur eine Absichtserklärung und in der Finanzplanung des Bundes nicht hinterlegt, kritisiert Reinkober in seiner Funktion als Vorsitzender des Netzbeirats. Das ist ein Gremium, das vom Eisenbahnbundesamt einberufen wird und die Interessen der Unternehmen vertritt, die auf dem deutschen Schienennetz fahren.
Bei der Bahnknotenkonferenz in Köln wird es nicht nur darum gehen, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen. Sie dient dem Nahverkehr Rheinland vor allem dazu, ein Update über den Ausbaustand zu geben. Wir beantworten vorab die wichtigsten Fragen.
Was kritisieren die Interessenverbände?
Das gemeinnützige Verkehrsbündnis „Allianz pro Schiene“ wirft dem Bundesverkehrsminister vor, die ehrgeizigen Ausbaupläne nicht mit dem dafür nötigen Geld abzusichern. Der Deutschlandtakt, den die Bundesregierung als zentrale Hebel bezeichnet, um den Personenverkehr auf der Schiene bis 2030 zu verdoppeln und den Marktanteil im Güterverkehr auf mindestens 25 Prozent zu steigern, hänge an 181 Bauprojekten und an den Maßnahmen zur Engpass-Beseitigung, die Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im August 2021 vorgestellt hatte.
„Weder in diesem Haushaltsjahr gibt es mehr Geld für die Schiene als für die Straße noch eine Finanzierungssicherheit“, sagt Allianz pro Schiene-Vorstand Hans Leister. „Vor der Sommerpause muss Minister Wissing beim Deutschlandtakt für die überfällige Verbindlichkeit sorgen, sonst wird das nichts mit der Verdopplung der Fahrgastzahlen auf der Schiene.“
Für Bahnpendler von und nach Köln gehören Baustellen, Umleitungen, Zugausfälle und Ersatzverkehre mit Bussen seit Jahren zum Alltag. Gebaut wird gefühlt überall. Was genau geschieht da eigentlich?
Das gesamte Bauprogramm für den Kölner Knoten besteht aus vier Paketen:
In Paket 1 stecken alle grundlegenden Sanierungsmaßnahmen vom Austausch abgenutzter Schienen, Schwellen und Weichen bis zum Schotter. Diese Arbeiten will Bahnchef Richard Lutz ab 2024 auf zehn hochbelasteten Korridoren in Deutschland so konzentrieren, dass danach für mindestens zehn Jahre möglichst baustellenfrei gefahren werden kann. Nach dem Motto: Lieber eine große als viele kleine Sperrpausen. Die Strecke zwischen Köln und Dortmund ist einer dieser Engpässe. Zwei bis drei davon sollen pro Jahr saniert werden. Der Zeitplan steht noch nicht fest.
Paket 2 lässt sich unter dem Stichwort „Robustes Netz“ zusammenfassen. Es enthält kleinere Ausbaumaßnahmen, die einen flexibleren Zugverkehr ermöglichen, zum Beispiel durch den Einbau zusätzlicher Weichen im Vorfeld des Bahnhof Köln-Messe/Deutz oder die Verlängerung von Wartegleisen für Güterzüge, damit sie besser überholt werden können.
In Paket 3 liegen der Bau zweier neuer elektronischer Stellwerke für Köln, der bereits abgeschlossen ist, und die Digitalisierung des Zugverkehrs. Moderne Stellwerke sind eine Voraussetzung dafür, dass in den Kölner Hauptbahnhof S-Bahnen in der Zukunft alle 150 Sekunden pro Richtung einfahren können. Allein für die S 11 bedeutet das zwischen Köln und Bergisch Gladbach, dass nach dem Ausbau alle fünf Minuten ein Zug unterwegs sein kann. Bisher gibt es dort nur einen 20 Minuten-Takt.
Paket 4 ist das eigentliche Kölner Bahnknoten-Paket. Es enthält 15 Einzelprojekte zum Vollausbau des Bahnknotens, dessen Ziel unabhängige Schienensysteme für den Fern-, Nah- und Güterverkehr sind. Die größte Bedeutung hat dabei der Ausbau der Bahntrasse zwischen Köln-Hansaring und Hürth-Kalscheuren auf sechs Gleise, damit die S-Bahn dort auf einer eigenen Trasse fahren kann. Das ist die sogenannte Westspange. Allein dieses Projekt kostet nach derzeitigem Stand 2,3 Milliarden Euro, die auch schon gesichert sind. Nach dem Ausbau der Westspange können künftig 24 statt 18 Züge pro Stunde und Richtung fahren.
Wann geht es mit dem Bau der Westspange los?
Geplant ist für den Start das Jahr 2027. Die Arbeiten sollen bis 2030 dauern.
Warum ist die Westspange so wichtig?
Sie schafft die Grundlage für ein S-Bahnnetz, das in den Jahren nach 2030 auf zehn Linien anwachsen soll und neben dem Rhein-Ruhr-Express die Basis für die Verkehrswende im Rheinland schaffen wird.
Lässt sich jetzt schon sagen, wie der Regionalverkehr im Großraum Köln und in NRW nach 2030 organisiert sein wird?
Ja. Auf dem Papier existiert er schon: der ideale Fahrplan für den Schienenverkehr in NRW. Zwei Jahre lang haben Verkehrsexperten der Deutschen Bahn und der Verkehrsverbünde unter Federführung des Landesverkehrsministeriums daran gearbeitet. Für NRW sieht die sogenannte Zielnetzkonzeption 2040 einen landesweiten 15-Minuten-Takt im Regionalverkehr vor und S-Bahnen, die alle zehn Minuten fahren - und das alles verzahnt mit dem neuen Deutschland-Takt im Fernverkehr.
Was muss dafür alles gebaut werden?
Die Verkehrsexperten haben in NRW 336 Bauvorhaben identifiziert, die bis 2040 für die Verkehrswende hin zur Schiene erledigt werden müssen. Darunter sind bereits komplett finanzierte Großprojekte wie der Rhein-Ruhr-Express, der 2032 mit allen Linien das Rückgrat des Regionalverkehrs in NRW bilden soll.