Köln/Düsseldorf – Auf dem Papier existiert er schon, der ideale Fahrplan für den Schienenverkehr in NRW. Zwei Jahre lang haben Verkehrsexperten der Deutschen Bahn und der Verkehrsverbünde unter Federführung des Landesverkehrsministeriums daran gearbeitet.
Am Mittwoch stellt Verkehrsministerin Ina Brandes (CDU) das Ergebnis im Verkehrsausschuss des Landtags vor. Ihr Anspruch: Spätestens bis 2040 soll NRW zum Bahnland Nummer eins werden. Ohne den Ausbau der Schiene könne Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen, heißt es in dem Bericht. Nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz müssen bundesweit die CO2-Emissionen im Verkehrssektor bis 2030 um 85 Millionen Tonnen sinken.
Die Planer haben sich die Schweiz zum Vorbild genommen. Dort ist der gesamte Bahnverkehr einschließlich aller Fern-, Regional- und Güterzüge in einem Taktfahrplan aufeinander abgestimmt.
Für NRW sieht die sogenannte Zielnetzkonzeption 2040 einen landesweiten 15-Minuten-Takt im Regionalverkehr vor und S-Bahnen, die alle zehn Minuten fahren - und das alles verzahnt mit dem neuen Deutschland-Takt im Fernverkehr, bei dem die großen Metropolen im Halbstundentakt verbunden sein sollen und zwischen den Ober- und Mittelzentren der Stundentakt geplant wird.
Ist das zu schaffen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Wie ist die Ausgangslage?
Die Verkehrsexperten haben in NRW insgesamt 336 Bauvorhaben identifiziert, die bis 2040 für die Verkehrswende hin zur Schiene erledigt werden müssen. Darunter sind bereits komplett finanzierte Großprojekte wie der Rhein-Ruhr-Express, der 2032 mit allen Linien das Rückgrat des Regionalverkehrs in NRW bilden wird.
Ist der Ausbau des Kölner Bahnknotens auch enthalten?
Ja. Und zwar komplett. Ein Kernprojekt ist die sogenannte Westspange mit der Erweiterung der Trasse auf sechs Gleise zwischen Köln-Hansaring und Hürth-Kalscheuren, durch die es dann möglich wird, weitere Linien aus dem Kölner Umland nach Köln zur S-Bahn auszubauen. Allein der Ausbau der Westspange wird nach derzeitigen Planungen rund 2,3 Milliarden Euro kosten.
Ebenfalls finanziert sind der Ausbau der S 11 zwischen Bergisch Gladbach und Köln mit der Erweiterung des Kölner Hauptbahnhofs und des Bahnhofs Köln-Messe/Deutz um jeweils einen Bahnsteig mit zwei zusätzlichen Gleisen.
In Angriff genommen wird auch ein Projekt, das beim Neubau der sechs Milliarden Euro teuren Hochgeschwindigkeitsstrecke Köln - Frankfurt vor knapp 20 Jahren versäumt wurde: der Ausbau der ICE-Trasse auf dem rechtsrheinischen Kölner Stadtgebiet Richtung Süden von der Gummersbacher Straße bis zum Abzweig, der zum Flughafen Köln/Bonn führt. Dort müssen sich Fern- und Nahverkehr vier Gleise teilen, was immer wieder zu Behinderungen führt und der Bahn im Fernverkehr große Probleme bereitet, noch mehr ICE-Verbindungen auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke anzubieten.
Ist das abgeschlossen, bleibt der Abschnitt zwischen der Steinstraße und dem Abzweig zum Flughafen Köln/Bonn als letztes Nadelöhr, das beseitigt werden muss.
Wenn das alles schon geplant ist, was ist am Idealfahrplan überhaupt neu?
Zunächst einmal die Betrachtungsweise. Zum ersten Mal wird ein Zielnetz definiert, in dem alle Angebote des Fern- und Nahverkehrs aufeinander abgestimmt sind. Geplant wird aus einem Guss. Im Jahr 2032 soll mit dem Rhein-Ruhr-Express und dem Zehn-Minuten-Takt zwischen Köln, Düsseldorf und Dortmund ein Meilenstein erreicht sein.
Aus den 336 Einzelmaßnahmen wurden 34 Bündel geschnürt. 81 davon sind beim Bund für die Finanzierung angemeldet, mit dem Bau der ersten Projekte wie der Kölner Westspange soll schon 2025 begonnen werden.
Das gilt auch für die Elektrifizierung der durch die Flut zerstörten Eifelstrecke und der Voreifelbahn, deren Wiederaufbau bereits 2026 abgeschlossen sein soll. Durch die Bündelung erhofft sich das Verkehrsministerium ein beschleunigtes Bauen bei kürzeren Sperrzeiten.
Welche wichtigen Bausteine gibt es noch?
Bis 2032 sollen zwölf Kommunen in NRW neu ans Schienennetz angeschlossen und 67 neue Haltepunkte an reaktivierten Strecken gebaut werden. Hinzu kommen weitere 29 Stationen an bestehenden und Ausbaustrecken.
Auch die Reisezeiten sollen sich verkürzen. Ein Beispiel: Zwischen Köln und Siegen soll der Regional-Express 9 künftig sieben Minuten schneller fahren. Im Großraum Düsseldorf werden zwischen Neuss, Düsseldorf und Wuppertal künftig zwei S-Bahn-Linien jeweils mit 15-Minuten-Takt fahren. So könnte in diesem Ballungsraum mit seinen chronisch überlasteten Autobahnen die S-Bahn durchaus zur Alternative für Berufspendler werden.
Gibt es Schätzungen, wieviel Geld bis 2040 investiert werden muss, um den Idealfahrplan zu erreichen?
Nein. Die Rede ist von rund 40 Milliarden Euro allein für die Infrastruktur. Für einzelne Projekte gibt es schon Zahlen. Der Rhein-Ruhr-Express wird nach neuesten Schätzungen rund zwei Milliarden Euro kosten, der Ausbau der Infrastruktur im Rheinischen Braunkohlerevier einschließlich der neuen S-Bahn Köln-Mönchengladbach rund 2,5 Milliarden Euro.
680 Millionen Euro fließen in den Ausbau der Bahnstrecke zwischen Münster und Lünen und den damit verbundenen Aufbau einer Münsterland-S-Bahn.
Insgesamt 330 Millionen Euro werden in das Programm Robustes Netz gesteckt, aus dem vor allem Einzelmaßnahmen bezahlt werden, die zu Verbesserungen im bestehenden Schienennetz führen. Das Land NRW stellt zwischen den Jahren 2019 und 2032 aus eigenen Mitteln im Rahmen der ÖPNV-Offensive insgesamt vier Milliarden Euro bereit.
Was bedeutet die Zielkonzeption 2040 für Köln und das Rheinland?
„Unsere wichtigen Projekte sind als Systembausteine alle enthalten“, sagt Norbert Reinkober, Geschäftsführer der Nahverkehr Rheinland (NVR). Das gelte auch für Vorhaben, die sich erst in einem ganz frühen Stadium der Vorplanung befinden. „Die Schließung des S-Bahn-Rings mit einer Linie über die Kölner Südbrücke ist ebenso enthalten wie der Ausbau der Oberbergischen Bahn zur S-Bahn.“ Die soll nach dem Streckenausbau und der Elektrifizierung von Gummersbach quer durch Köln über Hürth und Euskirchen bis nach Kall im 20-Minuten-Takt fahren.
"Es ist ein großer Wurf, dass wir es geschafft haben, im Zielnetz 2040 den Deutschland-Takt für den Nahverkehr im Rheinland anzuwenden", ergänzt NVR-Geschäftsführer Heiko Sedlaczek. "Nur so werden sich Nah- und Fernverkehr optimal ergänzen."
Kann der Kölner Hauptbahnhof die vielen zusätzlichen Linien und Zugfahrten im Fern- und Nahverkehr überhaupt aufnehmen?
Nach der bereits beschlossenen Erweiterung um einen S-Bahnsteig am Breslauer Platz ist das kein Problem, sagen die Experten. Voraussetzung ist eine digitale Steuerung der Züge mit dem European Train Control System (ETCS), bei dem die Züge untereinander kommunizieren und deshalb in kürzeren Abständen fahren können. Die beiden Stellwerke, die den Zugverkehr im Hauptbahnhof lenken, sind bereits digitalisiert.
Weil auch auf den Zulaufstrecken nach Köln etliche Erweiterungen geplant sind, wird sich der Hauptbahnhof nicht mehr als Nadelöhr erweisen. Auch auf der Hohenzollernbrücke bietet mit ihren sechs Gleisen genügend Platz für mehr Bahnverkehr. "Die Brücke war nie das Problem", sagt Norbert Reinkober.