Sänger Henning Krautmacher, der seit 1986 Teil der Höhner ist, verlässt Ende des Jahres die Band.
„Wir können das Jubiläumsjahr mit einer großen Sause 2023 beenden, da arbeiten wir gerade dran“, kündigte Krautmacher in seinem Abschiedsinterview Ende April an.
Wir haben mit dem Frontmann über den Ruhestand, das Bandjubiläum, Kölnkrimis und die Kunst, loslassen zu können, gesprochen.
Köln – Herr Krautmacher, es wird Ihr letztes Jahr mit den Höhnern auf der Bühne. 50 Jahre Höhner, und Sie hören auf…
Ich bin natürlich maßgeblich in die Vorbereitungen für dieses Jubiläum involviert. Von den verbliebenen Mitgliedern habe ich die längste Erfahrung. Was nicht heißt, dass die Urhöhner Peter Werner und Janus Fröhlich nicht im Hintergrund auch dabei sind. Nur die wissen, was 1972 war. Ich weiß ab 1986 alles. Das davor kenne ich vom Erzählen. Wenn ich am 31. Dezember aufhöre, bin ich im 37. Jahr dabei. Die Zeit, die mir jetzt noch auf der Bühne bleibt, nutze ich, um meinem Nachfolger Patrick Lück den Weg zu bereiten. Nicht, dass der seinen Job nicht könnte, sonst würde er da nicht stehen. Patrick ist Vollblutmusiker, Entertainer, ein super Sänger. Aber es gibt doch viele Erfahrungen, die ich noch vermitteln kann.
Ich bin da ein im positiven Sinne gebranntes Kind. Ich habe mir damals ein halbes Jahr lang mit Peter Horn das Mikrophon geteilt, Schulter an Schulter mit ihm auf der Bühne gestanden. Klar hatte er das einfacher. Er hat die Hits gesungen wie „Ich ben ene Räuber“ oder „Dat Hätz vun d’r Welt is Kölle“. Und ich musste neue Lieder verkaufen, was auch eine gute Schule war. Das will ich mit Patrick genauso machen; da, wo ich noch kann, Hinweise oder Tipps geben. Es soll eine harmonische Übergabe werden. Leider ist der Zapfenstreich am 22.12.22… (lacht) …in Düsseldorf!
Das konnte ja keiner wissen, als diese Verträge gemacht worden sind. (lacht)
Aber Sie hätten noch sieben Tage um nachzulegen.
An Weihnachten spielen wir definitiv nicht. Für Silvester gibt es eine Anfrage, aber es ist noch unklar, ob das klappt. Ansonsten würde ich an Silvester noch einmal im Fernsehen auftauchen, in der ARD-Silvesternacht. Beim Hannes Schöner hat das funktioniert, der hat 2020 noch bis fünf vor zwölf mit uns in Berlin auf der Bühne gestanden.
Das Band-Jubiläum beginnt im Spätsommer diesen Jahres?
Die ersten zaghaften Probenversuche der Höhner gab es im Juli/August 1972. Da hat Peter Werner seine Kumpels Janus Fröhlich, Rolf „die Nuss“ Lessenich und Walter Pelzer zu ersten Proben versammelt. Die wollten sich mit Karnevalsauftritten ihr Studium finanzieren. Sie spielten ab September zwei, drei Mal bei Straßenfesten in Mauenheim oder so, für die Nachbarschaft. Am 11.11. auf dem Vorstellabend haben sie dann direkt 80 Auftritte bekommen. Für ganz kleine Marie – ich glaube, 50 Mark pro Auftritt. (lacht) Das war die Geburtsstunde der Höhner. In der ersten Session hatten die ja noch nicht diese Federkostüme, sondern sind in so Wöbche rumgelaufen, mit Klarinette, Akustikgitarre und Mandoline und haben irgendwelche Krätzjer gesungen.
Aber Sie werden jetzt nicht aus alter Verbundenheit zum Jubiläum auf dem Vorstellabend auftreten?
Nein. Was bisher in trockenen Tüchern ist, ist einmal das Buch „Wo wir sind, ist Kölle“. Dann wird es eine große Ausstellung geben, die wir mit dem Kölnischen Stadtmuseum machen. Mit der neuen Kuratorin Johanna Cremer stellen wir Devotionalien wie Instrumente, Kostüme, Original-Notenblätter, Schallplatten, Pokale, Fotos oder Zeitungsauschnitte zusammen, die wir zeigen werden. Ein wirkliches Novum: Da das Zeughaus nicht zur Verfügung steht und das Interim im Haus Sauer durch den Corona-Rückstau ausgebucht ist, findet die Ausstellung im Spätsommer in der großen Halle des Maritim-Hotels statt.
Wie muss man sich das vorstellen?
Neben der Halle, die für sich schon riesig ist, werden zusätzliche Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Den Höhnerstall in der Malzmühle gibt es ja nicht mehr, ävver us däm Stall is en Stuff jewoode. Aus der Kölschen Stuff wurde die Höhnerstuff, und da kann man schon jetzt einiges sehen. Da kommt etwa eine Wurlitzer-Musikbox rein, die nur Höhner-Singles spielt. Es gibt drei Kölner Bands, die man überall in Deutschland kennt: BAP, die Bläck Fööss und die Höhner. Andere arbeiten dran, sind aber noch nicht so weit. Weil wir ein bundesweites Thema sind, freuen sich auch Hotelgäste aus Kiel oder Würzburg, wenn sie bei einem Kölsch Höhner-Cover, Plakate oder Orden sehen können.
Was passiert sonst?
Der WDR wird einen Musikfilm machen wie schon bei früheren Jubiläen. Da werden unsere Hits beleuchtet und neue Projekte wie die Tauschkonzerte mit eingebaut. Außerdem gibt es eine Dokumentation, mit viel Archivmaterial, aber auch neuen Aspekten. Die soll 2023 rauskommen, aber wir sind jetzt schon am Drehen dafür. Die Produktionsfirma von Lothar Schröder wird uns ein Jahr lang begleiten.
Und Live-Konzerte?
Die Planungen für unseren eigenen Event waren und sind wegen der Pandemie schwierig. Wir haben zum 30sten in der Arena gespielt, zum 40ten im Tanzbrunnen. Da waren ja alle da – von Thomas Gottschalk über Stefan Raab, Maite Kelly, Anke Engelke, Bastian Pastewka, Chris de Burgh bis zu Roncalli und der Jungen Sinfonie. Wahnsinn. So etwas ähnliches wollten wir wieder machen, mussten es aber erstmal aufschieben.
Aber wir können das Jubiläumsjahr auch mit einer großen Sause 2023 beenden, da arbeiten wir gerade dran. Das könnte mit einer Fernsehproduktion einhergehen. Wir müssen das so klug aufstellen, dass uns das nicht von einer neuen Corona-Variante kaputt gemacht werden kann. Mir tut das echt leid, dass die Bläck Fööss schon fast 53 sind, bis sie ihre Konzerte auf dem Roncalliplatz endlich spielen können. So etwas hat unsere Mutter aller Bands wirklich nicht verdient.
Treten die Höhner da auch auf?
Klar. Wir werden auf jeden Fall dabei sein, wenn es denn stattfindet jetzt. Die Fööss haben uns schon Beiträge fürs Buch geschrieben. Da wurde nicht lange gefackelt. Sie haben alle was Persönliches geschrieben, total klasse. Das Buch erscheint zur Ausstellung, das Cover ist an dem vom Rolling-Stones-Album „Let it bleed“ angelehnt. Mit Geißbock- und Hühnerpüppchen. Der Hans Süper hat mal gesagt: „Wenn die Fööss die Beatles von Kölle sind, dann sind die Höhner die Stones.“ Wir waren immer ein bisschen rockiger, die Fööss melodiöser. Obwohl wir nie einen Mick Jagger hatten. (lacht)
Aber die Band spielt eine ganz normale Session dann ohne Sie?
Am 11.11. bin ich noch dabei, aber ab Anfang Januar wird der Patrick dann da vorne stehen. Mehrere Sänger haben die Höhner dann trotzdem. Früher haben Hannes und ich uns den Hauptgesang geteilt, in Zukunft werden das Patrick und Micky Schläger tun. Letzterer hat ja unseren Sessionshit „De schönste Stroß“ gesungen. Bei den Roten Funken und im WDR auf dem ersten Platz, bei Loss mer Singe Zweiter geworden. Der Micky hat eine wunderbar markante Stimme. Und mit unserem Bassisten Freddy Lubitz haben wir noch einen super Sänger. Der ist vor allem als Chorist wichtig. Mit seinem Bassbariton können wir endlich A Cappella singen, da haben wir uns jahrelang nicht dran getraut. Gesanglich sind wir besser aufgestellt denn je. Deswegen haben wir „Leev Marie“ gemacht. Das ist eine Wonne. Einmal geprobt, sitzt die Nummer.
Was wird Ihnen fehlen im Ruhestand?
Keine Ahnung. Ich war gefühlt immer 24 Stunden am Tag aktiv. Wenn ich nicht mit der Band unterwegs war, hab ich Social Media gefüttert und mich sonst engagiert. Das Schöne ist, dass ich einiges schon jetzt langsam absetze wie ein Medikament. Das schleicht sich aus. Social Media für die Band habe ich schon abgegeben. Presseanfragen, da musste immer ich ran. Die anderen haben am Büffet gesessen, und ich habe bis kurz vor dem Auftritt um fünf vor Acht irgendeiner Zeitung oder einem Sender Rede und Antwort gestanden. Das übernehmen Patrick und Micky jetzt schon nach und nach. Im Sommer gebe ich auch die buchhalterischen Sachen wie Kassenbuch ab. Natürlich werde ich weiter „Viva Colonia“ singen, das erwarten die Leute ja, solange ich dabei bin. Aber andere Songs habe ich schon abgegeben. Bei einem Konzert mit 30 Songs singe ich vielleicht noch zehn. Die Leute können sich an die neuen Gesichter gewöhnen. Und ich mich daran, dass ich nicht ständig von Null auf Hundert Vollgas geben muss.
Was wollen Sie dann machen im Unruhestand?
Ich will einen Krimi schreiben, der gewisse autobiografische Zügen haben wird. In einem Roman mit fiktiven Elementen hanebüchen schreiben über die Musikszene Kölns, die Sportstadt – ich kann über Handball und Fußball schreiben –, das ist viel spannender als eine Autobiografie, die dann als Geschenk in irgendwelchen Regalen verschimmelt. Aber das soll kein reiner Kölnkrimi werden, da denke ich globaler. Eher wie Frank Schätzing. Die Geschichte muss meiner Idee nach dann auch mit Weltkünstlern zu tun haben. Leute einbinden, die man so in Köln noch nicht getroffen hat. Ob ich das kann, weiß ich nicht. Aber die Kunst des Schreibens ist mir schon gegeben. Außerdem will ich wieder mehr malen. Und auch fürs Kochen habe ich dann wieder mehr Zeit.
Was haben Sie zuletzt gekocht?
Ich habe aus „Himmel un Äd“ ein neues Rezept entwickelt. Am letzten Tag in der Ferienwohnung habe ich den Kühlschrank ausgeräumt, man will ja nichts wegschmeißen. Aus gefrorenen Erbsen, Äpfeln und Eiern wurde „Himmel un Äätze“. Pürierte Erbsen in einem Ring angerichtet, getoppt mit Apfelkompott und dazu Spiegelei – das ist schweinelecker! Also ich werde weiter kreativ sein, auch im Ruhestand.
Für den Leselauf engagieren Sie sich seit Jahren.
Eigentlich von Anfang an. Angefangen hat das mit einer Idee meines Freundes Oliver Gritz als „Ride for Reading“. Nach US-amerikanischem Vorbild hat er sich Fahrradtouren versilbern lassen für den guten Zweck. Oma, Opa, Tante – was gebt ihr mir für jeden Kilometer? 10 Euro für 100? Jeder? Das lohnt sich. Mit den ersten 30.000 Euro hat er dann in Vingst und Höhenberg bei Pfarrer Meurer gleich drei Schulen mit einem Leseklub ausgestattet. In Absprache mit der Stiftung Lesen in Mainz, mit denen wir heute noch kooperieren. Die Schule stellt den Raum, wir statten das aus mit Büchern, Spielen, Laptops, Möbeln. Da den Oliver keiner kannte, wurde ein prominentes Gesicht gesucht. Ich wurde gefragt, ob ich nicht Schirmherr werden will und seitdem bin ich dabei, das ist prima.
Ich habe drei Säulen. Den Leselauf, der steht für Bildung. Dann das Lobby-Restaurant, das steht für Armut in der Stadt. Da koche ich für Obdachlose an Weihnachten und kellnere und sammle Spenden übers Jahr. Und zum Thema Gesundheit unterstütze ich die „DKMS Stiftung Leben Spenden“ in ihrem Kampf gegen Blutkrebs. Meine Philosophie ist: Wenn man sich für etwas einsetzt, dann muss man auch die nötige Zeit mitbringen. Wenn ich zu einer Typisierungsaktion der DKMS aufrufe, dann muss ich auch vor Ort sein. Dasselbe gilt für den Leselauf.